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Ein Kommentar von Politikwissenschaftler Ulrich Brand zur imperialen Lebensweise, der Ausbeutung von Mensch und Natur und zu den Chancen auf Veränderung durch das Aufzeigen von Alternativen.
Unser Alltag basiert darauf, dass wir systematisch auf die Ausbeutung von billiger Natur und billiger Arbeitskraft angewiesen sind. Das erzeugt Handlungsfähigkeit und materiellen Wohlstand, aber gleichzeitig Zerstörung und Dominanzverhältnisse. Dieses Ausgreifende, auf die billigen Ressourcen und billige Arbeitskraft andernorts Zugreifende kann durch den Begriff „Imperiale Lebensweise“ benannt werden. In den früh industrialisierten Staaten leben wir schon lange in dieser Form. Neu ist, dass diese Lebensweise immer deutlicher an ökologische Grenzen stößt.
Expansion und Intensivierung der imperialen Lebensweise
Das zweite Neue ist, dass sich diese Lebensweise über den Aufstieg von Schwellenländern, wie China oder Brasilien, ganz dynamisch auch im globalen Süden in der Bevölkerung ausbreitet. Diese Staaten werden nun zu Akteuren, die an dieser Aufteilung der Welt teilhaben wollen. Denn sie haben selbst wohlhabende Mittelschichten und große Unternehmen. das erzeugt zunehmend Spannungen, etwa um Landbesitz in Osteuropa oder in Afrika. Und im Globalisierungsprozess, gerade durch die Digitalisierung mit ihrem hohen Ressourcenverbrauch, vertieft sich diese Lebensweise auch im globalen Norden. Wir haben systematisch mehr Zugriff auf Ressourcen, auf High-Tech-Geräte, aber auch auf T-Shirts, Autos und anderes, das im globalen Süden durch billige Arbeitskräfte produziert wird. Das heißt: Grundsätzlich profitieren wir alle von dieser imperialen Lebensweise. Es leben aber nicht alle gleich, es gibt auch innerhalb Österreichs große Unterschiede. Studien zeigen, dass die Größe des ökologischen Fußabdrucks nicht vom Bewusstsein abhängig ist, sondern ganz wesentlich vom Einkommen. Wer ein höheres Einkommen hat, kann vermehrt auf jene Produkte und Dienstleistungen zugreifen, die unter sozial und ökologisch problematischen Bedingungen entstehen.
Dritte Piste als Beispiel-Konflikt
Wenn wir eine solidarische Mobilität wollen, also einen Umbau des Verkehrssystems oder auch einen Umbau des Ernährungssystems zu ökologischer Landwirtschaft oder einen Umbau der Städte hin zu solidarischen, ökologischen Städten, dann steht dem diese imperiale Lebensweise entgegen. Diese tiefe Verankerung, aber auch ihre Umkämpftheit müssen aufgezeigt werden. Gesellschaftliche Veränderungen beginnen häufig über Konflikte, über das Aufzeigen von Alternativen. Ein Beispiel für Österreich ist das Thema „Dritte Piste“. Der Flughafen Wien-Schwechat hatte im Jahr 2014 eine Pistenauslastung von 55 Prozent. Welche Chance für die Politik, im Februar 2017 nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste zu sagen: „Ihr habt Recht mit eurer Entscheidung, begründet mit dem Instabil-Werden des Klimas!“ Was hätte sich in der Gesellschaft dadurch getan! Was hat sich durch Zwentendorf und durch Hainburg getan? Vom Rand her gab es Kritik an einem Atomkraftwerk, an einem Wasserkraftwerk. Und über diese emblematischen, ikonischen Konflikte ist eine Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft Österreichs verändert worden: Nein zur Atomkraft – das ist heute großer Konsens, und auch dass wir die Donau nicht weiter verbauen dürfen. Es wäre wünschenswert, dass wir in fünf Jahren sagen könnten, der Konflikt um die dritte Piste war auch so ein zentraler Konflikt – nicht nur wegen der dritten Piste, sondern als gesellschaftliche Selbstverständigung darüber, wie bewegen wir uns, was ist unsere Form der Mobilität. Warum ist es nötig, in Europa zu fliegen? Warum werden Nachtzüge eingeschränkt oder gar abgeschafft? Es ist klar, dass viele Menschen fliegen wollen. Aber es gibt auch andere Wünsche und es ist im Sinne der Klimaverträglichkeit geboten, den Flugverkehr deutlich einzuschränken und alternative Angebote deutlich auszubauen.
Erzwungene Mobilität versus verantwortungsvoller Konsum
Eine Lösung für die derzeitigen Probleme kann verantwortungsvollen Konsum umfassen, der auch bewussten Nicht-Konsum und nicht alles haben wollen inkludiert. Und zwar nicht als Zwang oder wegen Armut, sondern als bewusste Entscheidung. Aber es reicht nicht, das Konsumverhalten zu ändern, es müssen die Produktionsweisen verändert werden. Heute ist die Absicherung der imperialen, nicht der ökologischen Lebensweise Kerngeschäft der Politik, Stichwort: dritte Piste oder Freihandelsabkommen TTIP. Aber es sind auch politische Entscheidungen, ob es guten Öffentlichen Verkehr und Radwege gibt. Wer Mobilität sagt, denkt meist an freiwillige Mobilität, an Freiheitsgewinn. Doch wir haben auch viel erzwungene Mobilität. Etwa wenn die Mieten in Wien steigen und Menschen wegziehen müssen. Es braucht also Raumstruktur- und Siedlungspolitiken, Wohnungsbau und Mietpreisbindung, die Menschen eben nicht in erzwungene Mobilität drängen. Der Begriff der erzwungenen Alltagsmobilität müsste viel stärker diskutiert werden.
Zum Autor: Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik an der Universität Wien
Stellplatzvorgaben schreiben vor, dass bei Bauprojekten Auto-Stellplätze errichtet werden müssen. Vorgaben für die Erreichbarkeit mit Öffentlichem Verkehr oder Fahrrad, sowie Sharing-Angebote fehlen meist.