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Pendeln und die Bahn: Eine Beziehung mit Potenzial für mehr
Von Michael Schwendinger (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), September 2022
Auch im Jahr 2022 hat der VCÖ mit dem VCÖ-Bahntest die größte unabhängige Fahrgastbefragung in den Zügen Österreichs durchgeführt. Teilgenommen haben knapp 9.400 Fahrgäste, befragt wurde im Zeitraum Mai bis Juni 2022 in zehn verschiedenen Bahnunternehmen. Mit 22 Prozent die größte Gruppe der befragten Bahnfahrgäste war zur Arbeit oder von dort wieder nach Hause unterwegs. Anlässlich der gestiegenen Treibstoffpreise bieten die Ergebnisse des VCÖ-Bahntests die Gelegenheit, mehr über die Beziehung zwischen Pendlerinnen und Pendlern und der Bahn herauszufinden – und sich der Frage anzunähern: Geht da noch mehr?
Zufrieden, wenn’s schnell geht
In Bezug auf die Anzahl an Zugverbindungen sind die beim VCÖ-Bahntest befragten Fahrgäste auf Arbeitswegen etwas weniger zufrieden als der Gesamtdurchschnitt. Die niedrigste Zufriedenheit gibt es beim Pendeln mit Regionalbahnen, wo 31 Prozent mit dem Angebot eher oder gar nicht zufrieden sind. Generell ist die Zufriedenheit jedoch recht hoch. 90 Prozent der befragten Pendlerinnen und Pendler gaben an, mit der aktuellen Bahnfahrt zufrieden zu sein, 84 Prozent bemerkten in den vergangenen 12 Monaten eine allgemeine Verbesserung bei Qualität und Komfort des Bahnfahrens in Österreich – womit sich keine großen Unterschiede zum Durchschnitt aller anderen Fahrgäste zeigt.
Unterschiede tun sich allerdings bei der Verkehrsmittelwahl zum Einstiegsbahnhof auf. Mit 36 Prozent Gehen und 13 Prozent Radfahren kommt fast die Hälfte der Pendelnden mit eigener Muskelkraft zum Bahnhof – und damit deutlich mehr als im Gesamtdurchschnitt mit 40 Prozent. Auch der Anteil jener, die selbstlenkend im Auto zum Bahnhof kommen – Stichwort Park-and-Ride – ist bei Pendlerinnen und Pendler mit 17 Prozent höher als im Gesamtdurchschnitt mit elf Prozent. Umgekehrt kommen mit 23 Prozent weniger Pendelnde mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Bahnhof. Ein Grund dafür dürfte sein, dass für Arbeitswege vor allem eine möglichst kurze Reisezeit wichtig ist. Das zeigt sich auch in der Zeit, die Fahrgäste zum Einstiegsbahnhof unterwegs waren. Unter den pendelnden Fahrgästen waren knapp zwei Drittel innerhalb von 15 Minuten beim Bahnhof, unter allen anderen Fahrgästen brauchten mehr als die Hälfte länger als 15 Minuten.
Klimaticket zeigt Wirkung
Die Ergebnisse des VCÖ-Bahntests zeigen, dass im vergangenen Jahr 61 Prozent der pendelnden Fahrgäste Wege vom Auto auf die Bahn verlagert haben – mehr, als bei den anderen Fahrgästen mit 55 Prozent. Drei Gründe stachen für die Änderung des Mobilitätsverhaltens heraus:
1. Die Anschaffung eines Klimatickets (für 64 Prozent der Fahrgäste ein sehr wichtiger Einflussfaktor)
2. Die nutzbare Zeit in der Bahn (für 59 Prozent „sehr großer Einfluss“ fürs Umsteigen)
3. Die gestiegenen Spritpreise (52 Prozent).
Bei den Pendlerinnen und Pendlern ist interessant, dass es nur zwei Verlagerungsgründe von Autofahrten auf die Bahn gibt, die überdurchschnittlich oft genannt wurden: Das Klimaticket und der Wechsel des Arbeitsplatzes. Diese Erkenntnis sollte genutzt werden, um durch entsprechende Maßnahmen daran anzuknüpfen.
Besseres Angebot und Öffi-Jobticket mit Potenzial für mehr
Abgefragt wurde beim VCÖ-Bahntest auch, ob noch weitere Wege vom Auto auf die Bahn verlagert werden könnten, wenn sich bestimmte Umstände ändern. Das größte Potenzial wird beim Öffi-Jobticket gesehen, 56 Prozent der Pendelnden gaben an, dadurch viele weitere Autofahrten auf die Bahn verlagern zu können.1 Ein Problem ist, dass mit 69 Prozent mehr als zwei Drittel der pendelnden Bahnfahrgäste das Angebot des Öffi-Jobtickets nicht gut kennen. Weiteres Verlagerungspotenzial sahen die befragten Pendelnden vor allem bei kürzeren Gesamtreisezeiten (54 Prozent), häufigeren Bahnverbindungen (47 Prozent) und einer besseren Anbindung des Bahnhofs mit Öffentlichem Verkehr (40 Prozent).
Der VCÖ-Bahntest zeigt, dass vor allem für Pendlerinnen und Pendler die Anbindung von Bahnhöfen mit guter Geh- und Radinfrastruktur zentral ist – rund die Hälfte kommt per Muskelkraft zum Zug. Potenzial gibt es bei der Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Derzeit nutzen unterdurchschnittlich viele Pendelnde Öffis, vier von zehn sehen in einer besseren Anbindung jedoch Potenzial für eine Verlagerung von Autofahrten auf die Bahn.
Was sich auch zeigt: Das Klimaticket wirkt – es wurde generell und vor allem von Pendelnden als wichtigster Grund für die Verlagerung von Autofahrten auf die Bahn genannt. Auffallend: Nicht einmal ein Drittel der pendelnden Fahrgäste kennt das Angebot des Öffi-Jobtickets – obwohl das Interesse daran sehr hoch wäre. Durch die Ausweitung von betrieblichem Mobilitätsmanagement können Betriebe ihren Beschäftigten nicht nur Öffi-Jobtickets anbieten, sondern auch gezielt den Neubeginn in einem Unternehmen nutzen, damit mehr Arbeitswege vom Auto auf die Bahn verlagert werden – und damit dazu beitragen, dass der Pendelverkehr auf Klimakurs kommt.
Der VCÖ ist gemeinnützig und setzt sich für eine ökologisch verträgliche und sozial gerechte Mobilität mit Zukunft ein. Wir sind auf Spenden von Privatpersonen angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer steuerlich absetzbaren Spende.
Bis zum Jahr 2030 sind die CO2-Emissionen des Verkehrs in Österreich um ein Drittel zu reduzieren. Und bis zum Jahr 2050 soll das Verkehrssystem zur Gänze dekarbonisiert sein. Diese beiden Ziele hat Österreichs Bundesregierung in ihrer Klimastrategie beschlossen. Um sie zu erreichen, muss der Anteil des Öffentlichen Verkehrs deutlich zunehmen. Wie sind Menschen zu motivieren, öffentliche Verkehrsmittel statt des Autos zu nutzen? Welche Maßnahmen sind in Städten, Ballungsräumen und in den Regionen nötig? Diese und weitere Fragen diskutierten die rund 50 Gäste des VCÖ-World Café, das am 15. Mai 2019 in der Diplmatischen Akademie Wien stattfand.