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Unternehmen als Schlüsselakteure für die Mobilitätswende gewinnen
Von Michael Schwendinger (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), Juli 2023
Arbeitswege sind werktags der wichtigste Mobilitätszweck, mit rund zwei Dritteln werden überdurchschnittlich viele davon im Auto zurückgelegt – zumeist alleine, der Anteil an Fahrgemeinschaften ist mit lediglich fünf Prozent unterdurchschnittlich. Arbeits- und Dienstwege zusammen verursachen in Österreich mehr als die Hälfte des Auto-Verkehrs der privaten Haushalte und bringen Straßen regelmäßig an die Kapazitätsgrenze – mit dem Ergebnis von Pendelstaus in der Früh und am Abend.1 Das ist nicht nur zermürbend für Beschäftigte, sondern auch belastend für Gesellschaft und Umwelt. Dazu kommt, dass die regelmäßig eingeübte Praxis am Arbeitsweg auch das restliche Mobilitätsverhalten prägt – Stichwort „Gewohnheitsverallgemeinerung“.
Auch Dienstreisen haben eine schlechte Klimabilanz
In Österreich werden drei von vier Dienstreisen mit dem Auto erledigt.2 Auf europäischer Ebene sind Geschäftsflüge für rund 25-30 Prozent der CO2-Emissionen des Flugverkehrs verantwortlich.3 Die Internationale Energieagentur schätzt, dass durch häufigere Nutzung von Video-Konferenzen umgehend auf rund 40 Prozent der Geschäftsflüge verzichtet werden könnte.4 Zudem gibt es für rund die Hälfte der 150 meistgenutzten innereuropäischen Flugverbindungen eine gute Zugverbindung etwa via Direkt- oder Nachtzug, für die Top 30 Kurzstreckenflüge aus Österreich sogar für 80 Prozent.5 Doch gerade bei Geschäftsflügen gibt es viel Handlungsbedarf. Laut Travel Smart-Ranking, bei dem weltweit 322 Unternehmen (darunter neun aus Österreich) im Hinblick auf Dienstreise-Richtlinien befragt wurden, verfügen 85 Prozent der Unternehmen nicht über glaubhafte Pläne zur Reduktion ihrer Flugverkehrs-Emissionen.6
Good News: Es gibt bereits die Lösung
Trotz herausforderndem Kontext gibt es zur Steigerung der Nachhaltigkeit und Effizienz von Arbeits- und Dienstwegen ein praxiserprobtes und äußerst effektives Instrument: betriebliches Mobilitätsmanagement. Dass dem so ist, sehen auch mehr als 90 Prozent der rund 340 Fachleute so, die der VCÖ im Rahmen einer Umfrage befragt hat. Zahlreiche große Unternehmen in Österreich beweisen, dass betriebliches Mobilitätsmanagement längst erfolgreich in der Praxis angekommen ist – vom Beschlägehersteller Blum, über den Halbleiterproduzenten Infineon, die Asfinag, den ORF, Siemens, bis hin zur Einzelhandelskette M-Preis in Tirol und dem Filterwerk Mahle im südlichen Kärnten.
Die Ausgangslage für die Umsetzung von betrieblichem Mobilitätsmanagement in Österreich ist prinzipiell gut. Neben Bundesförderungen für Mobilitätsmaßnahmen im Bereich E-Fahrzeuge sowie bewegungsaktive Mobilität gibt es mit klimaaktiv mobil ein kostenloses Beratungsprogramm für Unternehmen inklusive Unterstützung bei Fördereinreichungen. Mit dem Öffi-Jobticket, dem Jobrad und der Möglichkeit Carsharing sowie das Laden von E-Pkw abgabenfrei zu fördern, bieten sich für Unternehmen bereits mehrere Maßnahmen im Bereich Mobilitätsmanagement an. Auch an umsetzungsorientierten Leitfäden mangelt es nicht – so hat etwa das Energieinstitut Vorarlberg in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz einen „Werkzeugkoffer“ mit 35 praxiserprobten Maßnahmen zusammengestellt.
Eine Hürde bei der Umsetzung von betrieblichem Mobilitätsmanagement stellt vor allem der administrative Aufwand in Kombination mit steuerrechtlichen Graubereichen und Unklarheiten bei der Abwicklung dar. So ist etwa ein zur Verfügung gestellter E-Scooter mit Firmenlogo steuerrechtlich anders zu behandeln, als ohne Firmenlogo. Die Nutzung von kommerziellem Carsharing kann – sofern emissionsfreie Fahrzeuge im Einsatz sind – abgabenfrei unterstützt werden, ein Zuschuss für betriebsinterne Fahrgemeinschaften nicht. Ein Jobrad kann Beschäftigten sachbezugsfrei angeboten werden, ein Gutschein für Fahrradservice, Helm oder Regenjacke muss jedoch versteuert werden – sofern die pauschale Sachzuwendungsgrenze von 186 Euro pro Person und Jahr überschritten wird. Eine Lösung des Problems wäre die Einführung einer steuer- und abgabenfreien Mobilitätspauschale von 50 Euro pro Person und Monat zur Unterstützung gesunder und klimaverträglicher Arbeits- und Dienstwege, analog und zusätzlich zu den bereits bestehenden Modellen Öffi-Jobticket und Jobrad. In Frankreich wurde eine solche Regelung bereits im Jahr 2020 gesetzlich fixiert, wobei pro Person jährlich 800 Euro an Mobilitätszuschüssen ausbezahlt werden können, 500 Euro davon steuerfrei.7
Grüner wird’s nicht, Mobilitätsmanagement zum Standard machen
Betriebliches Mobilitätsmanagement hat großes „win-win-win“-Potenzial: Für Beschäftigte reduziert sich die Auto-Abhängigkeit sowie daraus entstehende Kosten und sie bekommen ein Angebot, gesund und klimaverträglich zum Arbeitsplatz zu kommen. Arbeitgeber punkten im Wettbewerb um Fachkräfte und zeigen, dass sie soziale Verantwortung übernehmen und das Umfeld profitiert von einer reduzierten Verkehrsbelastung. Zudem ist der Verkehrssektor das größte Sorgenkind beim Klimaschutz. Wäre betriebliches Mobilitätsmanagement nicht bereits vielfach und erfolgreich praxiserprobt, man könnte kaum ein effektiveres Instrument für die Verkehrswende erfinden. Bleibt also eine möglichst rasche und flächendeckende Umsetzung. In Italien sind größere Unternehmen und die öffentliche Verwaltung seit Anfang 2022 verpflichtet, einen jährlich zu aktualisierenden Maßnahmenplan für Arbeitswege zu erstellen und eine mobilitätsbeauftragte Person zu ernennen.8 Hierzulande wird oft der Grundsatz „fördern und fordern“ angewandt, was in diesem Kontext heißen könnte: einerseits steuerrechtliche Rahmenbedingungen verbessern und Beratung anbieten, andererseits Mobilitätsmanagement zum verpflichtenden Standard für Unternehmen ab 50 Beschäftigten machen. Damit könnte es gelingen, dass Unternehmen zu Schlüsselakteuren der Mobilitätswende werden.
Der VCÖ ist gemeinnützig und setzt sich für eine ökologisch verträgliche und sozial gerechte Mobilität mit Zukunft ein. Wir sind auf Spenden von Privatpersonen angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer steuerlich absetzbaren Spende.