Urbane Hitze

Auch wenn der Sommer des Jahres 2020 kein Rekordsommer war, bestätigt er den Trend zu einem immer wärmer werdenden Klima in Österreich. Denn: 12 der 15 wärmsten Sommer in den vergangenen 250 Jahren waren in den letzten 30 Jahren.17
Der Sommer im Jahr 2019 war der zweitwärmste Sommer der Messgeschichte, nur das Jahr 2003 war wärmer. Der Juni im Jahr 2019 war mit Temperaturen von über 37 Grad der wärmste in Österreichs Messgeschichte. In der Innenstadt von Wien gab es im Juni im Jahr 2019 dreizehn Tropennächte (in der Nacht bleiben die Temperaturen auf über 20 Grad). Die Zahl der Hitzetage nahm in den Landeshauptstädten in den vergangenen Jahrzehnten um rund 50 Prozent zu.
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Hitze ist tödlich. Im Jahr 2020 wurden keine Hitzetoten registriert. Allerdings gab es in den Jahren zuvor im Schnitt jährlich etwa 190 hitze-bedingte Todesopfer, wie das Hitze-Mortalitätsmonitoring der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) zeigt. Hohe Umgebungstemperaturen, insbesondere in Verbindung mit hoher Luftfeuchte, sind mit deutlichen Gesundheitsrisiken verbunden. Besonders anfällig dafür sind ältere Menschen, Kinder, Personen mit Herz-Kreislauf- und psychischen Erkrankungen sowie Personen mit eingeschränkter Mobilität.
Die Hitzetage nehmen zu, besonders in Städten. Die Hitzebelastung wird verstärkt durch die massive Versiegelung der Böden, zu wenig Grünflächen und die Ableitung des Niederschlagswassers in Kanäle und Sickerschächte, wodurch keine natürliche Verdunstung stattfindet. Die Abwärme des Kfz-Verkehrs verschärft diesen Effekt. In dicht bebauten Gebieten kann dadurch lokaler Hitze-Stau entstehen. Da aufgeheizte Flächen auch in der Nacht Wärme abgeben, können sich Anrainerinnen und Anrainer weniger gut erholen. Insbesondere Kinder, ältere oder kranke Menschen sind dadurch beeinträchtigt.2 Ergebnisse der VCÖ-Befragung zum Thema "Hitze in der Stadt".
Der menschenverursachte Klimawandel führt zu mehr Hitzetagen. Im Zeitraum der Jahre 1961 bis 1990 gab es in den meisten Landeshauptstädten Österreichs pro Jahr zwischen fünf und elf Hitzetage, also Tage mit mehr als 30 Grad Celsius. Die Rekorde lagen bei 20 Hitzetagen pro Jahr. Zwischen den Jahren 1991 bis 2020 gab es durchschnittlich zwischen 16 und 22 Hitzetage, die Höchstwerte lagen bei über 40 Hitzetagen.18
Für Wien wird gegenüber dem Jahr 1990 von einem Temperaturanstieg von 2,2 Grad Celsius bis 3,8 Grad Celsius im Jahresmittel bis zum Jahr 2100 ausgegangen. Für Kärnten wird sogar mit einem Anstieg bis zu 4,2 Grad Celsius im Jahresmittel gerechnet. Messdaten der letzten Jahrzehnte zu Tagen mit mindestens 30 Grad Celsius Außentemperatur zeigen bereits jetzt deutliche Veränderungen.
Begrünung leistet einen wesentlichen Beitrag zur natürlichen Abkühlung der Stadt. Erhaltung, Aufwertung und Ausweitung bestehender Grünflächen, etwa durch die Einbindung anliegender Straßen, verbessern die Kühlung. Entlang von Straßen braucht es vermehrt Bäume, die als Schattenspender und natürliche Klimaanlage wirken..1 Fassaden- und Dachbegrünung sowie Rasengleise für Straßenbahnen erhöhen den Grünflächen-Anteil und verbessern die Möglichkeit zur natürlichen Kühlung in Städten.3 Maßnahmen gegen urbanen Hitze-Stau helfen, gesundheitliche Folgen von großer Hitze zu lindern und steigern die Lebensqualität – es kommt mehr Grün in die Stadt und zusätzliche Freiräume entstehen.1
Asphalt und Beton führen an heißen Tagen in Städten zum sogenannten Hitze-Stau-Effekt. Wenn die Sonnenstrahlen auf den Boden treffen, wird viel dieser Energie im Asphalt und Beton der Straßen und in den Hausfassaden gespeichert. Sie strahlen diese dann am Abend und in der Nacht als Wärme ab. Das verhindert, dass sich solche Orte so abkühlen, wie sie es normalerweise tun würden. Wird beispielsweise eine Lufttemperatur von 25 Grad Celsius gemessen, so erwärmt sich eine Betondecke um 11,5 Grad und eine Asphaltdecke sogar um 18,5 Grad mehr als die Luft. Das heißt an Tagen mit 25 Grad hat eine Asphaltdecke mehr als 43 Grad Celsius.14 Versiegelung durch Straßen geht zusätzlich oft einher mit wenig Bäumen und Grünflächen, die eine Hitzereduzierende Funktion haben.

Der vom Menschen verursachte Klimawandel führt zu steigenden Temperaturen. Die Anzahl sehr heißer Sommertage nimmt zu.
Durch städtische „Hitzeinseln“ 6,7,8 werden im Sommer oft kritische Temperaturen erreicht, die zu gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung führen können. 5
Niederschläge werden in den kommenden Jahrzehnten um 10 bis 60 Prozent intensiver. Durch die hohe Versiegelung wirkt Starkregen in Städten besonders negativ. Die versiegelten Flächen können Niederschlag nicht aufnehmen, sodass Überschwemmungen wahrscheinlicher werden.4
Mit der Zunahme von Hitzetagen treten auch allgemeine gesundheitliche Risiken vermehrt auf. Hitzewellen können insbesondere bei älteren Personen, aber auch bei Kleinkindern oder chronisch Kranken zu Herz-Kreislaufproblemen führen.
Ab einer Temperatur von 25 Grad Celsius ist die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und ab 29 Grad Celsius auch die geistige. Auch die fehlende nächtliche Abkühlung während sogenannter „Tropennächte“, das sind Nächte in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius sinkt, beeinflusst das individuelle Wohlbefinden negativ. Die Schlafqualität und damit die Erholung während der Nacht werden durch die Hitze gemindert, was auch eine niedrigere Hitzetoleranz für den nächsten Tag bedeutet.22 Hinzu kommt, dass sich Luftschadstoffe bei einer größeren Hitzebelastung stärker auf die Gesundheit auswirken.
Abgesehen von der ortsabhängigen Temperatur nimmt die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todesfalls pro 1 °C Temperaturanstieg um 1 – 6 Prozent zu.
Die demografischen Prognosen sagen eine höhere Anzahl älterer Menschen für die Städte Österreichs voraus, das heißt für mehr Menschen wird Hitze lebensbedrohend.

Bei einem moderaten Klimawandel sind bis zum Jahr 2030 in Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Wien zusätzliche 195 Hektar Parkanlagen sowie 4.300 neu gepflanzte Bäume hypothetisch nötig, um den derzeitigen städtischen Temperaturkomfort zu erhalten.14
Insbesondere die Vernetzung der Grünräume sowie „grüne Schneisen“ in das Stadtinnere mindern den Hitze-Stau-Effekt in einer Stadt. 9 Am effektivsten kühlen Laubbäume, weil dadurch die Sonne den gesamten Straßenraum in viel geringerem Maße erwärmt.12,13 Im Schatten von Bäumen ist die Strahlungstemperatur um 30 Grad geringer als in der Sonne. Auch Rasengleise für Straßenbahnen erhöhen den Grünflächen-Anteil und verbessern damit die Möglichkeit zur natürlichen Kühlung in Städten.3 Eine begrünte Fassade mit 850 m2 Fläche schafft die Leistung von 75 Klimageräten mit 3 000 Watt Leistung und acht Stunden Betriebsdauer.
In Wien waren Grünflächen mit Bäumen im Sommer im Durchschnitt um elf Grad Celsius kühler und Grünflächen ohne Bäume um 5,5 Grad Celsius kühler als stark versiegelte Flächen. Ähnlich in Linz: Grünflächen mit Bäumen sind um 12,5 Grad Celsius und ohne Bäume um 4,5 Grad Celsius kühler als bebaute Gebiete. Besonders hohe Unterschiede wurden in Salzburg und Innsbruck festgestellt: Grünflächen mit Bäumen waren 14 beziehungsweise 15,5 Grad Celsius kühler, Grünflächen ohne Bäume waren um acht beziehungsweise sieben Grad Celsius kühler als versiegelte Flächen.23
Maßnahmen gegen Hitze in Straßenraum: In Städten in den Straßen Bäume für Beschattung und Verdunstung pflanzen
Mehr Pflanzen als Straßengestaltung einsetzen
Flächen entsiegeln, um Versickerung zu erhöhen - bis hin zur "Schwammstadt"
Begrünen von Fassaden und Straßenbahngleisen forcieren
Beispiele für konkrete Maßnahmen: Die Kühle Meile
Coolspotnetzwerk
Smart Water City
1 Pitha U. et al.: Leitfaden – Grüne Bauweisen für Städte der Zukunft. Optimierung des Wasser- und Lufthaushalts urbaner Räume mittels Gründächern, Grünfassaden, und versickerungsfähigen Oberflächenbefestigungen. Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt GrünStadtKlima. Wien, 2013
2 MA 22 – Wiener Umweltschutzabteilung (Hrsg.): Urban Heat Islands. Strategieplan Wien. Wien: 2015. URL https://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/pdf/uhi-strategieplan.pdf – Stand: 26.4.2018
3 Stiles R. u.a.: Urban Fabric Types and Microclimate Response – Assessment and Design Improvement (Urban Fabric + Microclimate). Endbericht. Wien: TU Wien, 2014.
4 Aromar R. et al.: IPCC-Bericht 2014, WGII AR5, Chapter 8: Urban Areas
5 Laschewski G., Jendritzky G.: Effects of the thermal environment on human health: an investigation of 30 years of daily mortality data from SW Germany. Climate Research 21, 2002, S. 91–103
6 Offerle B. et al.: Surface heating in relation to air temperature, wind and turbulence in an urban street canyon. Boundary-Layer Meteorology. 122, 2007.
7 Oke T.R.: Boundary Layer Climates. 1987
8 Steinhauser P., Eckel D., Sauberer D.: Klima und Bioklima von Wien – eine Übersicht mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Stadtplanung und des Bauwesens. Teil 3. Österreichische Gesellschaft für Meteorologie, 1959
9 Stadt Wien: UHI-Strategieplan. URL https://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/pdf/uhi-strategieplan.pdf - Stand 15.6.18.
10 VCÖ - Publikation 2014: Mehr Lebensqualität in Städten durch nachhaltige Mobilität. Seite 23.
11 Basierend auf einem Szenario mit unverändertem Treibhausgas-Emissionstrend.
12 Walz A., Hwang W.H.: Large trees as a barrier between solar radiation and sealed surfaces: their capacity to ameliorate urban heat if they are planted strategically to shade pavements. Seventh Symposium on the Urban Environment, American Meteorological Society, 9. bis 13. September 2007, San Diego/California.
13 Walz A., Hwang W.H.: Relating urban thermal patterns to vegetation distribution at various scales. American Meteorological Society, 2007.
14 Climate Change Center Austria (Hrsg.): Auswirkungen des Klimawandels auf den Temperaturkomfort in Österreichs Städten. 2014.
15 Berg M.:Organisierter und unorganiserter Sport in Deutschland. 2014. URL prezi.com/sltvjqmbcst2/organisierter-und-unorganisierter-sport-in-deutschland - Stand: 20.4.2016
16 Hallo Familie GmbH & Co KG: Jugendliche organiseren ihren Sport selbstständig. Berlin: 2016.
Grafik: Trimmel H.: Using Microscale Climatological Simulation in Landscape Planning – an ENVI-met3 User’s Perspective. Wien: Boku, 2008. URL http://zidapps.boku.ac.at/abstracts/download.php?dataset_id=6984&property_id=107 – Stand 31.7.2015
Grafik: ZAMG: Historical Instrumental Climatological Surface Time Series Of The Greater Alpine Region. URL www.zamg.ac.at/histalp - Stand: 20.6.2018.
17 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG)a: Sommer 2020: sehr warm und relativ feucht, 28. August 2020,
https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/sommer-2020-sehr-warm-und-relativ-feucht (abgerufen am 28. Juni 2021)
18 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Klimafakten Österreich kompakt. Wien: 2021. URL https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/klimafakten-oesterreich- kompakt – Stand: 15.2.2022
19 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wegener Center für Klima und globalen Wandel, Interfakultärer Fachbereich Geoinformatik der Universität Salzburg: ÖKS15 – Klimaszenarien für Österreich - Daten - Methoden - Klimaanalyse. Wien: 2016. URL https://hdl.handle.net/20.500.11756/06edd0c9 – Stand: 15.2.2022
20 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wegener Center für Klima und globalen Wandel, Interfakultärer Fachbereich Geoinformatik der Universität Salzburg: ÖKS15 Factsheets: Klimaszenarien für das Bundesland Wien. Wien: 2016. URL https://hdl.handle.net/20.500.11756/0218e9b1 – Stand: 15.2.2022
21 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wegener Center für Klima und globalen Wandel, Interfakultärer Fachbereich Geoinformatik der Universität Salzburg: ÖKS15 Factsheets: Klimaszenarien für das Bundesland Kärnten. Wien: 2016. URL https://hdl.handle.net/20.500.11756/122aadc7 – Stand: 15.2.2022
22 Austrian Panel on Climate Change (APCC): Österreichischer Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (ASR18). Verlag der Österreichische Akademie der Wissenschaften. Wien: 2018
23 Schwaab J., Meier R., et al.: The role of urban trees in reducing land surface temperatures in European cities. London: 2021. URL https://doi.org/10.1038/s41467-021-26768-w – Stand: 25.2.2022