Aktive Mobilität belebt die Wirtschaft

Belebte Verkehrsberuhigte Straße in Brügge

Gehen und Radfahren bringen zahlreiche volkswirtschaftlich positive Effekte. Die lokale Wirtschaft wird belebt, Geschäfte profitieren und Fahrradindustrie sowie Fahrradhandel stellen einen eigenen erfolgreichen Wirtschaftssektor.

Von Susanne Wolf

Gehen ist so selbstverständlich, dass seine Bedeutung leicht vergessen wird. Zu Fuß unterwegs zu sein ist die günstigste und zugleich gesündeste Art, sich fortzubewegen. Aber nur knapp ein Viertel der Bevölkerung in Österreich zwischen 18 und 65 Jahren erreicht das von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Maß an gesundheitsförderlicher Bewegung von wöchentlich 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität. Jährlich entstehen in Österreich durch körperliche Inaktivität Kosten von bis zu 2,4 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Ein Kostenfaktor ist die Anzahl der Krankenstandstage, die durch regelmäßige Bewegung sinkt. So sind Arbeitnehmende, die regelmäßig in die Arbeit gehen, jährlich etwa zwei Tage weniger krank als jene, die mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Gehen als Wirtschaftsfaktor

Eine Studie im Auftrag der Österreichischen Energieagentur hat erstmals die wirtschaftliche Bedeutung des Gehens – dies umfasst sowohl das Gehen im Alltag als auch das Wandern und Spazierengehen in der Freizeit – quantitativ erfasst. „Die Ergebnisse zeigen, dass das Gehen und Wandern bisher wohl deutlich unterschätzt wurde: Denn mehr als 4,2 Milliarden Euro werden jährlich an Umsätzen ausgelöst“, ordnet die Wirtschaftsforscherin Anna Kleissner die Ergebnisse ein. Die Umsätze fließen über den Wandertourismus vor allem in das Beherbergungswesen und die Gastronomie, aber auch in den Einzelhandel oder für den Ausbau der Infrastruktur in den Tiefbau. Über die Verflechtungen mit den Zulieferern, reinvestierte Gewinne und verausgabte Einkommen wird eine Vielzahl von Sektoren der heimischen Wirtschaft angeregt. Immerhin 0,93 Prozent der Wirtschaftsleistung sind so auf das Gehen und Wandern zurückzuführen. „Damit leistet das Gehen mehr Wertschöpfung als ganze Sektoren, wie beispielsweise die Papierindustrie“, ergänzt Kleissner. Durch das Gehen und Wandern werden unmittelbar rund 45.000 Arbeitsplätze geschaffen und gesichert. Werden die Effekte in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette hinzugerechnet, so sind es insgesamt sogar 56.000 Jobs. Allein das Gehen als Alltagsmobilität generiert eine Wertschöpfung von 564 Millionen Euro und sichert direkt, indirekt und induziert mehr als 6.000 Arbeitsplätze.

Insbesondere Einkaufsstraßen können zur Belebung der Wirtschaft beitragen: Wie eine Studie des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)unter 2.000 Einkaufenden ergab, waren Fußgängerinnen und Fußgänger für 91 Prozent der Gesamtumsätze verantwortlich. „Während Autofahrende mehr Geld pro Besuch ausgeben, besuchen Fußgängerinnen und Fußgänger die Läden viel häufiger und bringen daher mehr Umsatz“, erklärt Studienautor Dirk von Schneidemesser. Dennoch wird der Anteil der Kundschaft, die mit dem Auto zum Einkaufen kommt, überschätzt. „Das liegt daran, dass Geschäftsleute von sich auf andere schließen“, so von Schneidemesser. „Da sie viel häufiger als die durchschnittliche Kundschaft mit dem Auto in ihren Laden fahren, gehen sie davon aus, dass das Auto für ihre Kundschaft ebenfalls bedeutend ist.“

Fahrradland Österreich

Auch Radfahren zählt zur aktiven Mobilität, und die Zahl der radfahrenden Menschen in Österreich steigt kontinuierlich an: In Österreich nutzen fast fünf Millionen Menschen ab 15 Jahren das Fahrrad als Verkehrsmittel. Österreichs Haushalte besitzen deutlich mehr Fahrräder als Autos. Auch zahlreiche Kinder sind mit dem Fahrrad unterwegs, immer mehr mit einem Modell des Fahrradherstellers woom. Das österreichische Unternehmen hat Fahrräder speziell für Kinder entwickelt und „nicht bloß Erwachsenenräder kleingeschrumpft“, wie es auf der Homepage heißt. „Ein gutes Kinderfahrrad muss perfekt auf die Ergonomie von Kindern abgestimmt sein“, sagt woom Chief Operating Officer Johannes Kisslinger. „Ein zentraler Punkt ist das Gewicht: woom bikes sind bis zu 40 Prozent leichter als handelsübliche Fahrräder.“ Die Fahrräder werden in Wien entwickelt und designt, die Komponenten von ausgewählten Lieferanten in der ganzen Welt bezogen – größtenteils in Asien und Europa. „Wo es aus Qualitäts- und Kostengründen sinnvoll ist, produzieren wir in Europa“, erklärt Kisslinger. „Zum Beispiel wird woom UP in Polen zusammengebaut.“ Das Unternehmen wurde im Jahr 2013 von Marcus Ihlenfeld und Christian Bezdek gegründet und hat sich zu einem der erfolgreichsten Kinderfahrradhersteller Europas entwickelt. Heute ist woom in 30 Ländern weltweit präsent. „Jedes zweite neu gekaufte Kinderfahrrad in Österreich ist bereits ein woom bike, sowie jedes vierte neu gekaufte Kinderfahrrad in Deutschland“, so Kisslinger.

Radfahren als Wirtschaftsfaktor

Nicht nur die Herstellung von Fahrrädern, auch der Fahrradhandel trägt zur Wertschöpfung des Sektors bei: Im Jahr 2023 wurden insgesamt 421.000 Fahrräder in Österreich verkauft, davon 220.490 E-Bikes, der Umsatz betrug 1,18 Milliarden Euro. Das Wertschöpfungsnetzwerk reicht aber über die Produktion und den Handel von Fahrrädern weit hinaus und umfasst unter anderem auch den Bau von Radwegen oder den Beitrag des Rad-Tourismus. Dies zeigt eine vom Umweltministerium in Auftrag gegebene Studie zum „Wirtschaftsfaktor Radfahren“. Insgesamt sind in der ganzen Wertschöpfungskette – von Zulieferern bis zum Einzelhandel – mehr als 46.000 Arbeitsplätze vom Fahrrad abhängig. Rund zwei Drittel des gesamten Effekts sind dem Rad-Tourismus zurechenbar, was auch die besondere Bedeutung des Fahrrads für den Tourismus unterstreicht. 2,9 Milliarden Euro Wertschöpfung erwirtschaftet der Radverkehr, wobei sich die direkte und indirekte Bruttowertschöpfung im Vergleich zum Jahr 2009 mehr als verdoppelt hat.

Gesundheitsfaktor Radfahren

Wenig überraschend trägt Radfahren auch maßgeblich zur Gesundheit bei – nicht nur mit dem herkömmlichen Fahrrad, sondern auch per E-Bike. Dies zeigt eine Studie des deutschen Bundesverkehrsministeriums, der Medizinischen Hochschule Hannover und der Leibnitz-Universität Hannover. So können Menschen, die regelmäßig mit dem E-Bike fahren, das Herzinfarkt-Risiko um 40 Prozent und das Krebsrisiko um 30 Prozent senken. Die positiven gesundheitlichen Effekte des Radfahrens sind nicht nur von individuellem Nutzen – sie helfen auch der Wirtschaft. Das zeigt sich etwa an der Anzahl der Krankenstandstage. Beschäftigte, die zur Arbeit radeln, sind seltener im Krankenstand, als Beschäftigte, die mit dem Auto zur Arbeit fahren. Mehr als die Hälfte der Arbeitswege in Österreich sind kürzer als zehn Kilometer und damit in Radfahrdistanz. Wichtig ist, österreichweit eine sichere Infrastruktur zu schaffen, damit all jene, die wollen, sicher zur Arbeit radeln können. Die kommende Bundesregierung ist gefordert, gemeinsam mit den Bundesländern ein bundesweites Radzielnetz zu erarbeiten.

Zurück zur Übersicht

VCÖ: Fast die Hälfte der Neuwagen waren im Vorjahr SUV

VCÖ (Wien, 24. Jänner 2025) – 113.304 SUV und Geländewagen wurden laut Statistik Austria im Vorjahr neu zugelassen, so viele wie noch nie, informiert die Mobilitätsorganisation VCÖ. Im Bundesländer-Vergleich wurden in Wien die meisten SUV neu zugelassen. Bei den Antriebsformen ist der SUV-Anteil bei Plug-In Hybrid-Pkw am höchsten und bei E-Pkw am zweithöchsten. Der VCÖ warnt davor, bei Elektroautos die gleichen Fehler zu machen wie bei Diesel-Pkw. Insgesamt ist der durchschnittliche Spritverbrauch der neuzugelassenen Benzin- und Diesel-Pkw mit rund sechs Liter nach wie vor hoch.

Mehr dazu

VCÖ: Radverkehr in Graz ist im Vorjahr erneut gestiegen

VCÖ (Wien, 20. Jänner 2025) – Der Radverkehr ist im Vorjahr in Graz leicht, aber doch gestiegen. Der Rekordwert des Jahres 2023 wurde von den Radfahrerinnen und Radfahrern in Graz im Jahr 2024 übertroffen, nämlich um knapp mehr als zwei Prozent, wie eine VCÖ-Analyse auf Basis der Daten der Radzählstellen der Stadt Graz zeigt. Insgesamt waren bei den fünf Zählstellen im Vorjahr 6,23 Millionen Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs. Radfahren ist individuelle Mobilität, die kostengünstig, gesund, platzsparend und klimaverträglich ist. Das Potenzial für mehr Radverkehr ist in Graz groß, betont die Mobilitätsorganisation VCÖ.

Mehr dazu