Aufholbedarf im regionalen Schienenverkehr

Zukunftsmusik für den Bahnhof Hartberg: Den starken Pendelverkehr zwischen Hartberg und Graz durch eine neue Regionalbahn auf die Bahn verlagern, fordert die Klima- und Energie-Modellregion Hartberg.

Der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs soll vorangetrieben werden, um die Mobilität effizienter und klimaverträglicher zu machen. Für eine Verkehrswende ist das Investieren in Regionalbahnen notwendig, doch diese „Trendwende“ ist in Österreich noch längst nicht auf Schiene.

Von Doris Neubauer

Gute Nachrichten für diejenigen, die vom Bezirk Innsbruck Land in die Tiroler Hauptstadt pendeln: 36,2 Millionen Euro werden Bund und Bundesland bis zum Jahr 2023 in den Ausbau der Innsbrucker Straßenbahn zu einer Regionalbahn nach Rum investieren. Es ist eines von vielen Projekten zur Stärkung des Öffentlichen Verkehrs, betonte Verkehrsministerin Leonore Gewessler.

Petition für neue Regionalbahn

Geht es nach Anton Schuller könnte auch eine neue Regionalbahn vom steirischen Hartberg bis Graz dazu zählen. „Vor zwei Jahren haben wir eine Petition vorgelegt“, erklärt der Manager der Klima- und Energie-Modellregion Hartberg. Er ortet Potenzial für den Standort, wachse doch der Speckgürtel um Graz. Zudem gäbe es starken Pendelverkehr zwischen Hartberg und der Hauptstadt der Steiermark. Die Bahn braucht aktuell über zwei Stunden, während das Auto in nur 50 Minuten das Ziel erreiche. „Wir wollen eine neue Bahnlinie, die 33 Kilometer von Hartberg entlang der A2 bis Gleisdorf führt, wo sie an die bestehende Bahntrasse anknüpft “, möchte Schuller das Bahnfahren wettbewerbsfähig machen, „so ist es möglich, von Hartberg und den anderen Bahnhöfen auf der Strecke schneller nach Graz zu kommen.“ 67 Gemeinden der Oststeiermark setzen sich für den Neubau ein und fordern bis Mitte des Jahres 2022 Konzeptstudien zur weiteren Vorgehensweise. „Wichtig ist die Aufnahme der neuen Bahnverbindung ins zukünftige Zielnetz“, erklärt Schuller, „und bis dahin die Attraktivierung der bestehenden Bahnverbindung.“

Modernisierung und Elektrifizierung

Um Attraktivierung der Regionalbahnen sind auch die ÖBB bemüht. In den nächsten Jahren investieren die ÖBB, die etwa die Hälfte des 2.000 Kilometer langen Regionalbahn-Netzes in Österreich betreiben, etwa 1,8 Milliarden Euro in dessen Modernisierung und Elektrifizierung. Auch Haltestellen sollen aufgewertet werden. „Kann ich den Bahnhof fußläufig erreichen? Fahrräder abstellen, das E-Bike aufladen und versperren und ist der Bahnhof beleuchtet und barrierefrei?“, nennt Harald Frey von der Technischen Universität Wien, Fachrichtung Verkehrswesen und Infrastrukturplanung Kriterien, mit denen Verkehrsunternehmen und Gemeinden Regionalbahnen zum Erfolg verhelfen können. „Denn wenn investiert und der Schienenverkehr attraktiv gestaltet wird, wird das in der Bevölkerung angenommen“, weiß Frey, „der Verkehr verlagert sich auf die Bahn.“ Sogar eingestellte Regionalbahnen können durch Investition in die Qualität wieder belebt werden, wie etwa die Erfolgsgeschichte der Vinschgaubahn in Südtirol zeigt. 15 Jahre nach der Stilllegung nahm sie im Jahr 2005 mit Taktverkehr, abgestimmter Bahn-Bus-Verbindung, einem Radverleihsystem, kurzen Fahrzeiten und modernisierten Bahnhöfen erneut Fahrt auf. Anstatt der erhofften 500.000 einheimischen wie touristischen Fahrgäste jährlich, wurde mittlerweile die Zwei-Millionen-Grenze überschritten. Eine Reaktivierung von Strecken werde auch in Deutschland diskutiert. In Österreich kann Harald Frey diese „Trendwende“ nicht erkennen: „Im Gegenteil, bei uns muss darauf geachtet werden, dass die Regionalbahnen nicht weiter abgebaut werden.“

Weinviertel an Wien anbinden

Die Diskussion Bus statt Bahn läuft durchaus kontrovers. Im Dezember 2019 wurde die Linie „Schweinbarther Kreuz“ durch die Bezirke Mistelbach und Gänserndorf von den ÖBB sowie dem Land Niederösterreich stillgelegt und durch eine Busverbindung ersetzt. Ab Sommer 2022 sollen E-Busse der ÖBB-Postbus AG zum Einsatz kommen. Teile der Bevölkerung, allen voran die Initiative „Regionalbahn statt Bus“, bemühen sich hingegen um die Wiederbelebung des Zugverkehrs. Rückhalt bekommen sie durch die Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH (GKB). Das Verkehrsunternehmen hat im Februar 2020 den Verantwortlichen der Gemeinden entlang der Strecke ein Konzept zur Revitalisierung präsentiert. Dieses sieht vor, die Züge zu modernisieren und die Streckenführung zu erweitern. „Da sich das Weinviertel in 20 Kilometer Distanz zum Großraum Wien befindet, geht es darum, einen Zubringer zur Schnellbahn zu schaffen“, erklärt Harald Frey, der für die GKB eine Potenzialanalyse zu Fahrgastzahlen durchgeführt hat. Dafür soll eine Schleife in Obersdorf mit der Laaer Ostbahn verbinden und eine direkte Anbindung an die Wiener U-Bahn in Leopoldau/Floridsdorf schaffen.

Bestandstrecken revitalisieren

Fahrgast-Potenzial für die Regionalbahn ortet die Studie auch angesichts der Siedlungsentwicklung in den Gemeinden. Statt auf kilometerlangen Umwegen Fahrgäste aufzusammeln, sollten Busse diese vielmehr schnell zur Schiene bringen. „Bei einem ehrlichen Bekenntnis den Regionalverkehr zu stärken, ist es ein naheliegender Schritt, Bestandstrecken, wo noch Gleise liegen, zu revitalisieren“, empfiehlt Frey. Georg Huemer vom Verkehrsverbund Ost-Region hingegen verteidigt die Umstellung auf Busse und weist auf das nötige Ineinandergreifen verschiedener Verkehrsmodi hin: „Bahn, Bus, Mikro-ÖV und andere Formen der Mobilität haben je ihre spezifischen Stärken und auch Schwächen. Moderne Verkehrsplanung hat die Aufgabe, den jeweils besten Mobilitätsmix zu unterstützen. Die Einstellung der Bahnlinie für den Personenverkehr erfolgte durch die ÖBB aufgrund sehr geringer Fahrgastzahlen. Deshalb haben wir hier ein Regionalbussystem umgesetzt, welches bereits im ersten Jahr mit Fahrgaststeigerungen im Vergleich zur Bahn aufwarten konnte. Die Haltestellen liegen heute näher an den Menschen, entsprechend sehen wir auch hohes Potenzial in dieser Lösung. Mit der Umstellung auf ein E-Bussystem wird hier eine Zukunftstechnologie eingesetzt.“

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VCÖ und WWF: Mehr als 17.000 Hasen pro Jahr Opfer des Straßenverkehrs

Wien, am 28. März 2024 – Osterzeit ist Reisezeit. Das bedeutet auch eine besondere Gefahr für Hasen und andere Wildtiere: Jährlich werden in Österreich mehr als 17.000 Hasen von Kraftfahrzeugen niedergefahren und getötet. Darauf machen VCÖ und WWF jetzt aufmerksam. Insgesamt wurden zuletzt pro Jahr mehr als 70.000 Wildtiere zum Opfer des Straßenverkehrs, wie die von der Statistik Austria erfassten Meldungen an die Bezirkshauptmannschaften zeigen. VCÖ und WWF kritisieren angesichts dieser Zahlen den starken Bodenverbrauch in Österreich. In den letzten zehn Jahren wurde täglich eine Fläche von drei Fußballfeldern für Verkehr verbaut. Insgesamt gibt es heute bereits 128.300 Kilometer an Straßen in Österreich.  VCÖ und WWF fordern daher eine deutliche Reduktion des Bodenverbrauchs und ein Ende der Zersiedelung. Zentraler Bestandteil hierbei ist ein Bodenschutzgesetz, in dem insbesondere eine verbindliche Obergrenze für den Bodenverbrauch festgelegt wird.

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Japan zeigt, wie Bahntickets auch bei hoher Nachfrage erschwinglich bleiben

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