Bahnhof als Wohlfühlfaktor
Bahnhöfe und Haltestellen sind nicht nur Punkte des Ankommens und Abfahrens. Sondern auch Orte des Aufenthalts. Das beginnt bereits am Vorplatz und mit der Erreichbarkeit. Bahnhöfe attraktiv und funktional zu gestalten, ist grundlegend für eine Aufwertung des Öffentlichen Verkehrs.
Von Susanne Wolf
Von der U-Bahn sind es nur wenige Minuten bis zur großen Bahnhofshalle des Wiener Hauptbahnhofs. Schnell noch ein Kaffee und ein Kipferl beim Bäcker, dann eine Zeitung im Presseshop. Wer mehr Proviant für die Reise braucht, findet ihn in einer kleinen Supermarkt-Filiale. Zahlreiche Geschäfte laden zum Bummeln ein – und gehetzte Reisende finden Entspannung im Raum der Stille. Wer mit dem Fahrrad anreist, findet am Wiener Hauptbahnhof eine Radstation mit überwachten Kurz- und Dauerparkplätzen vor. Der Hauptbahnhof ist gut an das Wiener Radverkehrsnetz angebunden.
Gesamtkonzept Bahnfahren
Wer heute das umweltverträgliche Verkehrsmittel Bahn benutzt, wünscht sich auch einen Bahnhof, der mehr ist als nur Ein- und Ausstiegsstelle. So wurde der Wiener Hauptbahnhof im Vorjahr beim VCÖ-Bahntest zum dritten Mal in Folge in der Kategorie der großen Bahnhöfe am besten bewertet. Vor allem die Erreichbarkeit mit dem Öffentlichen Verkehr, Barrierefreiheit und das Bahnhofsgebäude insgesamt kommen bei den Befragten sehr gut an. Weitere Kriterien, die für Fahrgäste zählen, sind Aufenthaltsräume, Sicherheit und Sauberkeit. Bahnhof beginnt am Vorplatz Auch in der Schweiz wird jährlich ein Verkehrsknoten ausgewählt, der sowohl aus Sicht der Fahrgäste als auch aus betrieblicher Sicht überzeugt. Im vergangenen Jahr war es der Bahnhof St. Gallen, der mit dem Mobilitätspreis «FLUX – Goldener Verkehrsknoten » ausgezeichnet wurde. Der Bahnhofsvorplatz in St. Gallen war früher oft Schauplatz von Konflikten und chaotischen Verkehrsverhältnissen, nun wurde der Autoverkehr vom Platz verbannt. Den neu gestalteten Platz queren heute täglich durchschnittlich etwa 1.800 Busse und 50 Straßenbahnen. Zwischen 25.000 und 30.000 Reisende nutzen diesen Ort für den Umstieg vom Bus auf den Zug. Beide Seiten des Bahnhofs wurden als Begegnungszonen gestaltet. Der Bahnhof wurde hervorragend in den Stadtraum von St. Gallen integriert. Zudem ist der Bahnhof St. Gallen zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Personen abgestimmt. „Bei der Umgestaltung war die Verlegung des Autoverkehrs weg vom Bahnhofplatz eine der wichtigsten Entscheidungen“, sagt Andreas Budliger, Post- Auto Schweiz, Mitglied der FLUXJury. „So konnte die nötige Ruhe für einen leistungsfähigen und auch für Menschen zu Fuß attraktiven Verkehrsknoten erreicht werden.“
Grünfläche am Bahnhof
Auch die Immobilienentwicklung rund um Bahnhöfe spielt bei deren Gestaltung eine Rolle. In Wien setzt sich die Initiative Westbahnpark für eine Grünfläche auf und entlang des Westbahngeländes ein. Die Gürtelfrische West – ein Swimmingpool mitten am Wiener Gürtel – war erst der Anfang. Wenn es nach den Initiatoren geht, soll angrenzend an den Westbahnhof schon bald ein Park entstehen – mit einem 1.000 Meter langen Pool. „Der zukünftige Westbahnpark ist als Frischluftachse unabdingbar, um die innerstädtischen Hitzeinseln abzukühlen und ein erträgliches Stadtklima zu gewährleisten“, sagt Markus Modre, Klimaschutzbeauftragter im 15. Wiener Gemeindebezirk. „Zusätzlich braucht es im dicht bebauten und mit Grünräumen unterversorgten 15. Bezirk einen großen Park, um die Bedürfnisse der Bevölkerung abzudecken.“
Licht als Mehrwert
Der Salzburger Architekt Udo Heinrich hat mit den Stationen der Salzburger Lokalbahn Ostermiething und Lamprechtshausen zwei prämierte Bahnhofsbauten von schlichter Schönheit und Effizienz geschaffen. „Neben den Basisfunktionen sollte eine angenehme Atmosphäre durch die Raumkomposition an sich und die wertige Bearbeitung der eingesetzten Materialien entstehen“, sagt Heinrich. „Vor allem in Lamprechtshausen sind Pflanzen ein wichtiges Element. Im Inneren ranken hier an skulptural geformten Wänden Kletterpflanzen, außen wachsen großvolumige Stadtbäume.“ Auch das Spiel mit dem Licht ergebe einen Mehrwert. „Tageslicht und die Sonne kommen ins Gebäude herein. Die wechselnden Stimmungen sind im Raum spürbar.“ Diese vermeintlichen Kleinigkeiten werden unterbewusst als stimmig und damit als Mehrwert wahrgenommen.