Bewegung ist Leben
Es wird mehr gegangen und Rad gefahren. Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie ist Bewegung ein Aspekt, der zusätzlich an Aufmerksamkeit gewinnt. Es gilt die Alltagswege für bewegungsaktive Mobilität fit zu machen – damit sie uns fit machen.
Von Susanne Wolf
Seit einem Jahr hat uns die Covid-19-Pandemie fest im Griff, die Bewegungsfreiheit wurde zum Teil stark eingeschränkt. Um dennoch in Bewegung zu bleiben, steigen immer mehr Menschen auf das Fahrrad um oder gehen zu Fuß. In Wien wurde im April 2020 um 20 Prozent mehr mit dem Rad gefahren als im Vergleichszeitraum des Jahres 2019, im Gesamtjahr 2020 waren trotz allgemeinen Mobilitätsrückgangs um zwölf Prozent mehr Radfahrende unterwegs. Regelmäßige Bewegung hilft dabei, Stress abzubauen und gesund zu bleiben. Bewegungsmangel steht in Zusammenhang mit Übergewicht und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems oder Diabetes, und auch mit Demenz.
Mehr öffentlicher Raum fürs Gehen und Radfahren
Allerdings erfordert Bewegung im Freien auch die nötige Infrastruktur in Form von Geh- und Radwegen, und die ist vor allem in Städten nicht immer gegeben. Die Initiative „Platz für Wien“ setzt sich für eine Umgestaltung des öffentlichen Raumes zugunsten von Gehenden und Radfahrenden ein. Gefordert werden attraktive Straßen zum Gehen und Verweilen oder eine durchgängige und sichere Radinfrastruktur. Auch in ländlichen Gebieten bräuchte es mehr Anreize, um das Fahrrad statt das Auto zu benutzen. „Wer rund 10 bis 20 Minuten mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, sammelt sehr gut Bewegungsminuten“, rät die Sportwissenschafterin Sylvia Titze. „Vor allem auf dem Weg nach Hause kommt der Körper in Bewegung und der Geist beruhigt sich.“ Titze erforscht die Einflussfaktoren auf das Bewegungsverhalten an der Karl-Franzens-Universität in Graz. „Bei der Frage, ob das Fahrrad als Verkehrsmittel verwendet wird, spielt neben der Distanz auch die Durchgängigkeit der Radwege eine Rolle.“ Immerhin scheint durch die Covid-19- Pandemie auch bei den Verantwortlichen in der Politik das Bewusstsein für sichere Fahrradinfrastruktur gestiegen zu sein: Pop-Up-Radwege oder Tempobeschränkungen für den Autoverkehr werden europaweit vermehrt umgesetzt. In Berlin wurden innerhalb weniger Wochen zehn Kilometer Pop-Up-Radwege geschaffen, ein Großteil davon soll dauerhaft bleiben.
E-Fahrrad als Fitnessgerät
Auch Alltagswege können bewegungsaktiv gestaltet werden, ein E-Fahrrad vergrößert den Radius erheblich und ermöglicht auch leichte Steigungen einfacher zu bewältigen. Forscherinnen und Forscher der Universität Basel zeigten in einer Studie, dass ein E-Fahrrad einen vergleichbaren Nutzen für die Gesundheit und Fitness hat, wie das Fahren mit einem herkömmlichen Fahrrad, weil E-BikeNutzende im Durchschnitt mit höherer Geschwindigkeit unterwegs sind und auch mehr Höhenmeter absolvieren. Die Fitness der Teilnehmenden verbesserte sich, dazu wirkte die Bewegung sich positiv auf den Blutdruck und die Psyche aus. Davon profitieren insbesondere übergewichtige und untrainierte Menschen. Das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt KlimaEntLaster bietet die Möglichkeit, E-Transporträder kostenlos zu testen. Ein sogenannter „Radlgeber“ ist der Blumenhändler Oliver Habersohn aus Amstetten: Bis Ende dieses Jahres beherbergt er das Transport-Fahrrad namens „Alex“, das er gegen eine Kaution von 50 Euro an Interessierte verleiht, die Nutzung selbst ist kostenlos. „In der Stadt ist das Transport-Fahrrad unschlagbar“, meint Habersohn, „es ist schneller und billiger als das Auto, ich zahle keine Parkgebühren – und das Klima wird geschont.“
Gesundheitsvorteil durch Stiegen steigen
Noch häufiger im Alltag verbreitet ist das Gehen. Vor allem für Ältere oder Menschen mit Gewichts- und Gesundheitsproblemen ist Gehen ideal, um die Ausdauer zu verbessern und die Leistung zu steigern. Dass Stufen steigen, und damit körperliche Anstrengung, gut für die Gesundheit ist, fand der britische Epidemiologe Jerry Morris bereits im Jahr 1953 heraus: Er untersuchte die Fitness der Londoner Busschaffner im Vergleich zu den Busfahrern. Die Schaffner hatten halb so viele Herzkrankheiten wie die Fahrer – weil sie in den Doppeldeckerbussen mindestens 500 Stufen pro Schicht steigen mussten. Regelmäßige Bewegung hält nicht nur körperlich gesund, sondern auch geistig fit, wie die Neurowissenschafterin Manuela Macedonia in ihrem Buch „Beweg dich und dein Gehirn sagt danke“ erklärt. „Besonders Gehen und Laufen, aber auch Radfahren und Schwimmen wirken sich positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit aus“, erklärt Macedonia. „Auch Alterungsprozesse werden durch regelmäßige Bewegung verzögert.“