Buchbesprechungen

Autokorrektur.
Mobilität für eine lebenswerte Welt

Katja Diehl

Katja Diehl macht die blinden Flecken der Automobilität bewusst, die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeit verursachen, durch die Menschen – dabei vorrangig Frauen – zu Schaden kommen. Ihr Hinterfragen von Automobilität sieht sie als Hinterfragen von Privilegien, die als Recht missdeutet werden. Die Fakten sind bekannt. Das Buch fasst sie zusammen und macht deutlich: In Sachen Verkehrswende haben wir längst kein Erkenntnisproblem mehr,  sondern ein Umsetzungsproblem. Es gehe darum, mit den bekannten Möglichkeiten eine Mobilität zu ermöglichen, die wahlfrei, barrierefrei, inklusiv und klimaschonend ist. Katja Diehl formuliert ihr Ziel klar: „Jede:r sollte das Recht haben, ein Leben ohne eigenes Auto führen zu können.“ Dazu müssen einzelne Produkte als System gedacht, der Stadtraum als Wert geschätzt und der ländliche Raum wieder mobil gemacht werden. Die Lust zu wecken auf die Gestaltung dieses Pfades hin zur kindgerechten Stadt, zum autofreieren, mobilen ländlichen Raum ist ihr Ansinnen. Und sie weist Wege zur Umsetzung – auch über das Buch hinaus: So kann per QR-Code eine „Liste von Projekten, die bereits wichtige Schritte in Sachen Verkehrswende unternehmen“ geöffnet werden und ermöglichen zahlreiche Quellenangaben vertiefende Lektüre.

>> S. Fischer-Verlag, 2022, 266 Seiten, 18,50 Euro

Feminist City

Leslie Kern

Leslie Kern lehrt in Kanada über urbane, soziale und feministische Bewegungen. Im Buch „Feminist City“ macht sie die sozialen Ungleichheiten, die in unsere Städte, Häuser und Wohnvierteln eingebaut sind, sichtbar. Anhand geschichtlicher Rückblicke und persönlicher Erfahrung macht sie sie anschaulich. Angsterfahrungen, Mutterschaft, Freundschaft, Aktivismus und Alleinsein sind Erfahrungen, die Kern für neue Blickwinkel auf die Stadt nutzt. So wird deutlich, was wir in Städten für selbstverständlich halten, es aber nicht ist – wie der Mangel an öffentlichen WC – speziell für Frauen. Kern liefert zahlreiche Denkanstöße, wie wir gemeinsam gerechtere, nachhaltigere öffentliche Räume und Städte gestalten können, die weibliche Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigen und wie wir die „Stadt der Männer“ in eine Stadt für alle verwandeln könnten. Ein Ort, an dem Frauen sich ohne Unsicherheiten und ohne Belästigung aufhalten können.

>> Unrast Verlag, 2020, 192 Seiten, 15,30 Euro

Die Rebellion der Alfonsina Strada

Simona Baldelli

Alfonsina Strada schrieb im Jahr 1924 Geschichte, als sie sich als erste Frau in eine reine Männerdomäne vorwagte und beim Giro d'Italia an den Start ging und die komplette 3.613 Kilometer lange Rundfahrt – in 12 Etappen – bewältigte. Auch bei anderen Rennen bewies sie über Jahre ihr großes Talent und ihren Kampfgeist. Die italienische Autorin Simona Baldelli nimmt sich das außergewöhnliche Leben Stradas, die 1891 im Norden Italiens in ärmlichen Verhältnissen geboren wurde, als Grundlage für den biografischen Roman eines bewegten Frauenlebens.  Darin verwebt sie drei Erzählstränge: Die unbeirrbare und ehrgeizige junge Alfonsina, die auf die Teilnahme am Giro d’Italia hinarbeitet. Die alte Alfonsina an ihrem Todestag im Jahr 1959, als der Ruhm vergangener Tage fast erloschen ist. Und die Gedanken einer Frau, die in der Gegenwart, im Jahre 2017, die Leistungen dieser Wegbereiterin und Pionierin des Frauenradsports im Kontext der Geschichte der Gleichberechtigung Revue passieren lässt, die mit ihrem Fahrrad, dem völlig konträren Frauenbild ihrer Zeit zum Trotz, unbeirrt neue Möglichkeitsräume für Frauen eröffnete.

>> Eichborn Verlag, 2021, 336 Seiten, 22,90 Euro

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