Carola Strobl-Unterweger - direkt gefragt
„Für Verhaltensänderung ist es wichtig, dass man für sich selbst einen inneren Grund findet, eine Motivation“
Carola Strobl-Unterweger ist renommierte Verkehrspsychologin, Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie, klinische Psychologin und Universitätslektorin. Sie lebt und arbeitet in Graz.
VCÖ-Magazin: Aus Ihrer Erfahrung und Ausbildung als Verhaltenstherapeutin und Psychologin, was bewirkt bzw. löst Veränderung aus?
Carola Strobl-Unterweger: Jeder weiß, dass rauchen ungesund ist, trotzdem rauchen viele. Jeder weiß, dass ungesunde Ernährung schlecht ist, trotzdem ernähren sich viele Menschen ungesund. Das zeigt: Wissen allein führt zu keiner Verhaltensänderung. Generell ist es für Verhaltensänderung wichtig, dass man für sich selbst einen inneren Grund findet, eine Motivation.
VCÖ-Magazin: Helfen ökonomische Anreize?
Carola Strobl-Unterweger: Ökonomische Anreize, Incentives, Belohnungssysteme helfen, Menschen dazu zu bringen sich mit einem Thema zu beschäftigen ihr Verhalten in Frage zu stellen. Für langfristige Veränderungen sind sie aber nicht ausreichend. Dazu ist es notwendig, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum es für mich wichtig ist, dieses Verhalten zu zeigen. Für eine Veränderung ist es dann wichtig, für sich ein neues Ziel zu entdecken. Wir müssen dieses Ziel gut finden, es mögen. Es geht um positive Auseinandersetzung auf individueller Ebene.
VCÖ-Magazin: Wie kann eine dauerhafte Veränderung gelingen?
Carola Strobl-Unterweger: Am Anfang ist es wichtig, sich ein konkretes Ziel zu setzen, eine Vision zu haben. Zum Beispiel: Ich will mit den Enkelkindern spielen und bewege mich mehr, mache Sport, um fit zu werden. Zu Beginn ist es nicht angenehm, es geht schwer, es fehlt die Lust an der Bewegung, sonst hätte man sich ja schon bisher mehr bewegt. Deshalb ist es gut, wenn man sich auf dem Weg zum Ziel für die kleinen Schritte selbst belohnt. Das ist auch beim Mobilitätsverhalten möglich. Ich entwickle eine Vision, was ist möglich, was kann ich persönlich dazu beitragen, dass die Situation besser wird. Ich überlege mir konkrete Schritte und setze Schritt um Schritt und belohnen mich selbst, zum Beispiel, indem ich mir etwa ein Eis gönne, nachdem ich eine Woche mit den Öffis gefahren bin.
VCÖ-Magazin: Was verhindert umgekehrt Veränderung?
Carola Strobl-Unterweger: Gerade beim Klima gibt es eine Diskussion, die sehr oft spaltet, in der viel Negativmotivierung passiert. Zu zeigen, welche Klimakatastrophe passiert, das ist psychologisch gesehen sehr ungünstig. Je dramatischer das Szenario ist, desto stärker werden unangenehme Gefühle geweckt. Das führt dazu, dass sich viele mit dem Thema nicht auseinandersetzen wollen, es verdrängen. Negative Szenarien lösen Angst aus und führen zu Verdrängung. Sich nicht immer gegenseitig vorzuwerfen, wer als Klimasünder tätig ist: der eine fährt mit dem Auto in die Arbeit, weil es in seiner Region mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig ist. Der andere fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit, fliegt aber in den Urlaub. Anstatt sich gegenseitig den klimaschädlichen Teil der Mobilität vorzuwerfen, wäre es besser, die positiven Beiträge gegenseitig wertzuschätzen.
VCÖ-Magazin: Welche Rolle spielen Peer Groups wie Arbeitskolleginnen und -kollegen und der Freundeskreis?
Carola Strobl-Unterweger: Die Peer Group spielt eine ganz große Rolle bei Veränderungen des Verhaltens. Veränderung passiert oft unbewusst, weil wir uns an Vorbildern orientieren. Soziale Anerkennung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Es ist mir am wichtigsten, dass ich in meinem Bezugsrahmen positives Feedback bekomme. Damit wird ein Wertesystem aufgebaut.
VCÖ-Magazin: Wie hängen individuelles Wertesystem und allgemeiner Wertewandel zusammen?
Carola Strobl-Unterweger: Es gibt in vielen Bereichen Wertewandel. Lange Zeit war es beliebt mit dicken Autos in der Stadt spazieren zu fahren, es verlieh soziales Prestige, weil man damit zeigen konnte, man kann sich ein teures Auto leisten. Jetzt ist eher klimafreundliches Verhalten positiv aufgeladen. Das hat immer auch mit individuellen Wertesystemen und Selbstwertbestätigung zu tun.
VCÖ-Magazin: Beispiel Alkohol am Steuer, helfen Abschreckungen oder Strafen?
Carola Strobl-Unterweger: Beim Alkohol sieht man tatsächlich, dass Abschreckung und Strafen allein nichts bringen. Wird es mit Nachschulung in psychologischen Gruppensettings kombiniert, halbiert sich die Rückfallgefahr. Viele würden gerne mehr Strafe zahlen, wenn sie dafür den Führerschein behalten könnten oder keine psychologische Nachschulung machen müssten. Beim Thema Alkohol hat man gesehen, dass sich über den Stufenführerschein ein Wertewandel und eine Verhaltensänderung ergeben haben. Bei den Jüngeren ist Alkohol am Steuer kaum ein Thema, das betrifft fast nur mehr ältere Semester.