Den Mobilitätswandel im Pendelverkehr umsetzen
Arbeiten im Zug als Arbeitszeit, Firmen-Elektro-Fahrräder, Parkplatzgebühren, die den Öffentlichen Verkehr finanzieren, Tourismusangebote, die auch das Pendeln ohne Auto attraktiv machen. Viele Lösungen ermöglichen den klimaverträglichen Arbeitsweg.
Von Christian Höller
Rund 98 Millionen Personenkilometer werden in Österreich jeden Werktag zurückgelegt, um in die Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. 70 Millionen Personenkilometer davon mit dem Pkw selbstfahrend oder mitfahrend.
Beliebte Firmenfahrräder
Rahmenbedingungen, wie Förderungen und Steuervorteile, beeinflussen wie der Weg zur Arbeit zurückgelegt wird. So macht seit 1. Jänner 2020 eine neue steuerliche Regelung Firmen- Fahrräder attraktiv. Firmen können seither bei Anschaffung von Fahrrädern und Elektro-Fahrrädern durch Kauf oder Leasing für ihre Beschäftigten Vorsteuerabzug geltend machen und es fällt kein Sachbezug bei privater Nutzung an. „Das hat Anschub geleistet“, bestätigt Christian Mussnig von JOBike.at, der interessierten Unternehmen zu diesem Zweck ein Gesamtpaket anbietet, mit hochwertigen (Elektro-)Fahrrädern, Beratung und jährlichem Fahrradservice direkt in den Unternehmen. Die Beschäftigten, die das Angebot nutzen, können beispielsweise in monatlichen Raten das Fahrrad abzahlen und danach geht es in ihr Eigentum über. Der Transport- und Logistik-Konzern Gebrüder Weiss wird für seine neun Standorte in Österreich 100 Elektro- Fahrräder anschaffen. „Mit unseren qualitativ hochwertigen Fahrrädern wollen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überzeugen, die noch nie mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren sind. Eine Prognose des Verbandes der Sportartikelerzeuger VSSÖ sah das Potenzial vor der Covid- 19-Pandemie für solche Firmen- Fahrräder für Österreich bei 32.000 Stück. Die aktuelle Situation hat die Nachfrage zusätzlich erhöht. Nach unserer Erfahrung sind mittelfristig österreichweit bis zu zehn Prozent der Beschäftigten auf das Fahrrad zu bringen, sofern die weiteren geplanten steuerlichen Maßnahmen umgesetzt werden“, so Mussnig.
Nutzbare Arbeitszeit im Zug
Während der Bahnfahrt zur Arbeit bereits E-Mails am Laptop erledigen und das auch als Arbeitszeit verbuchen zu können, wird an der Alpe-Adria-Universität Klagenfurt für das allgemeine Personal voraussichtlich noch im September 2020 Realität. „Damit setzen wir nach E-Carsharing und einem Mietrad-Angebot einen weiteren wichtigen Impuls für mehr klimaverträgliche Mobilität am Arbeitsweg“, erzählt Vizerektor Martin Hitz, zuständig für Personal und Umweltmanagement an der Klagenfurter Uni. „Das Modell ´Bahnfahrt ist gleich Arbeitszeit` schafft den nötigen starken Anreiz, der die Bequemlichkeit der Pkw-Nutzung für die Fahrt zur Arbeit egalisiert“, ist Hitz überzeugt.
Parkplätze finanzieren den Öffentlichen Verkehr
Im Schweizer Kanton Tessin müssen Unternehmen ab dem Jahr 2022 ebenso wie Einkaufszentren mit 50 Parkplätzen und mehr pro Parkplatz und Tag 3,50 Schweizer Franken für Parkplätze ihrer Beschäftigten sowie 1,50 Schweizer Franken für Parkplätze für Kundinnen und Kunden an den Kanton bezahlen. Es wird mit Einnahmen von 16 Millionen Schweizer Franken im Jahr gerechnet. Die Gebühr ist im kantonalen Gesetz für den Öffentlichen Verkehr verankert und das eingehobene Geld wird für den Öffentlichen Verkehr eingesetzt werden. Beschlossen wurde das Gesetz im Jahr 2015, mit dem Ziel, so zur vermehrten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu animieren. Handel und Wirtschaftsverbände liefen gegen die Parkplatzgebühr Sturm. Doch weder das Referendum dagegen – das Tessiner Stimmvolk stimmte mit 50,7 Prozent knapp dafür –, noch Einsprüche vor dem Bundesgericht – sie wurden im April 2020 alle abgelehnt –, brachten die beschlossene Gebühr zu Fall. Nun hat der Kanton wegen der Covid-19-Pandemie entschieden, die Gebühr noch einmal auf- zuschieben, doch im Jahr 2022 soll sie endgültig eingeführt werden. In Kalifornien schreibt bereits seit Mitte der 1990er-Jahre das Parking Cash-Out Law vor, dass Unternehmen, die Parkplätze zur Verfügung stellen und 50 oder mehr Beschäftigte haben, anstelle eines Parkplatzes auch eine Bargeldzulage anbieten müssen, um anzuregen, zu Fuß, mit dem Fahrrad, im Öffentlichen Verkehr oder in Fahrgemeinschaften zur Arbeit zu kommen. Anders formuliert: Wer keinen Parkplatz beansprucht, bekommt „Cash“ ausbezahlt.
Tourismus-Shuttle macht Pendelverkehr klimaverträglich
Die Gemeinde Werfenweng hat mit dem Projekt „wirSamo Werfenweng“ nach mehreren Mobilitätsdienstleistungen mit Fokus auf den touristischen Verkehr nun auch mehrere klimaverträgliche Mobilitätspakete für die lokale Bevölkerung geschnürt. „Die Gemeinde schließt mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern Verträge ab. Diese verpflichten sich etwa beim Auspendelpaket, für den Arbeitsweg klimaverträgliche Mobilität zu nutzen. Im Gegenzug stellt die Gemeinde kostenlos eine Jahreskarte für das W3-Shuttle, das örtliche – regionale Anrufsammeltaxi, zur Verfügung. Es bringt sie etwa zum Arbeitsplatz, wenn der im W³-Shuttle-Bediengebiet liegt, oder zum nächsten Bahnhof, wenn er außerhalb liegt. Weiters sind 15 vergünstigte Fahrten mit dem E-Carsharing inkludiert“, erklärt Svea Lauterjung, die Betriebsleiterin des W3-Shuttle. Mittlerweile nutzen viele Einpendelnde, die in den Tourismusbetrieben arbeiten, das W3-Shuttle für den Arbeitsweg und stellen so bereits etwa ein Drittel der Fahrgäste.