Die Verkehrswende EU-weit rascher voranbringen

Bild des Metropa Liniennetzes

Die Mobilitätswende ist nur durch internationale Zusammenarbeit möglich. Die EU hat große Hebel, um eine rasche Ökologisierung des Verkehrssystems zu erreichen. Eine Chance, die genutzt werden muss.

von Jutta Berger

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich im Jahr 2021 auf einen Green Deal geeinigt. In den nächsten sieben Jahren will die EU die klimaschädlichen Emissionen um 55 Prozent reduzieren. Klimaneutralität soll bis zum Jahr 2050 erreicht werden – beispielsweise durch das weitgehende Aus für Verbrennungsmotoren oder die Möglichkeit, CO2- Abgaben einzuführen. Ohne das Netzwerk der Verkehrsinitiativen wäre der Green Deal für den Verkehrssektor nicht zustande gekommen, sagt William Todts, Executive Director von Transport & Environment (T&E), dem europäischen Dachverband nationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Mobilitätsbereich.

NGOs liefern bei der Umsetzung neuer Verordnungen und Richtlinien wichtige Inputs. Mitsprache in der Europapolitik funktioniert aber nur, wenn die einzelnen NGOs zusammenarbeiten. Das hat der VCÖ früh erkannt und er kooperiert daher seit Beginn mit T&E. Die NGOs bringen bei neuen Verordnungen und Richtlinien Vorschläge ein, versuchen zu verbessern und negative Auswirkungen zu verhindern.

Großteils sei die EU ja eine positive Kraft für Klima und Umwelt, sagt William Todts. In der Verkehrspolitik habe es aber das Pariser Abkommen und ‚Dieselgate‘, die Abgas- und Manipulationsskandale gebraucht, „damit die Entscheidungsverantwortlichen auf EU-Ebene realisieren, dass sich etwas ändern muss“. Mit dem Green Deal geschehe das nun, die Klimakrise zeige jedoch, dass die Veränderung schneller gehen müsse. Dabei ist die positive Rolle von NGOs nicht zu unterschätzen: „Wir stehen zwischen Politik und Transportlobby. Ohne uns hätte die Lobby freie Fahrt für ihre Deals mit der Politik. Ohne die NGOs gäbe es keine unabhängigen Daten und Studien, um auf einseitige Informationen der Lobbys zu reagieren.“

Mehr Tempo beim Klimaschutz

„Ambitioniert“ nennt die deutsche Ökonomin Helen Lückge das Reduktionsziel des Green Deals, die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrssektors bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent zu senken. Lückge, die als selbständige Beraterin an der Schnittstelle von Klima-, Umwelt- und Verkehrspolitik tätig ist, sieht in der Smart Mobility Strategy zur Umsetzung dieses Zieles wichtige Eckpunkte für die Länder des Alpenraums festgelegt: „Beispielsweise soll der Schienengüterverkehr bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent erhöht und faire Wettbewerbsbedingungen für den intermodalen Verkehr geschaffen werden.“ Bereits umgesetzte Initiativen aus dem Fit-für-55-Package und auch neue Initiativen wie das Greening Freight Package würden aber noch nicht genügen, um das Ziel zu erreichen: „Insgesamt fehlt es bei der Umsetzung an Ambition und Konsistenz“, kritisiert Helen Lückge.

Europa braucht mehr Bahn

Todts wie Lückge fordern von der EU die Stärkung des Schienenverkehrs. William Todt: „Die neue EU- Kommission muss einen neuen
Eisenbahn-Plan für Europa vorschlagen.“ Für Lückge hat der Schienenverkehr vor allem für die Alpenländer, „die sich ja gemeinsam einer ambitionierten Verlagerungspolitik verschrieben haben“, eine besondere Relevanz: „Die Belastung durch den Personen- und Güterverkehr ist im sensiblen Alpenraum überproportional hoch, Straßennetze und Infrastruktur kommen an ihre Grenzen. Daher müssen auf EU-Ebene ganz klare Leitplanken für eine Stärkung der Schiene gesetzt werden.“ Die Schiene sei der effizienteste Verkehrs- träger, sagt Lückge. Notwendige Maßnahmen zur Stärkung der Bahn, wie Infrastruktur-Ausbau und verbesserte Anreize für den kombinierten Verkehr, müssten Priorität erhalten. William Todts nennt ein alltägliches Beispiel für die (noch) geringe Bedeutung der Bahn in der EU-Verkehrspolitik: „Es ist einfach unglaublich, dass der Kauf eines grenzüberschreitenden Bahntickets im Jahr 2023 immer noch so mühsam ist.“

Mehr Kooperation

„Europäische Verkehrspolitik braucht starke Allianzen“, sagt Helen Lückge. Sie verweist auf Erfolge des Netzwerkes „iMonitraf!“ bei Verhandlungen zur EU-Wegekosten-Richtlinie, die nun eine CO2-Abgabe ermöglicht. William Todts erinnert an den gemeinsamen Sieg im Kampf gegen Mega-Trucks und betont, dass der VCÖ durch seine Expertise zum Aus für Palmöl in Agro-Treibstoffen beigetragen hat. Helen Lückge: „Im Schulterschluss von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren mit gleichen Zielen lässt sich viel bewirken. Daher haben Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zwischen den NGOs große Bedeutung für mich.“

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Infrastrukturpolitik an Klima- und Energieziele anpassen

Im Jahr 2030 darf der Verkehr höchstens 15,7 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase ausstoßen – so das Ziel der Klima- und Energiestrategie von Österreichs Bundesregierung: „Im Mobilitätsbereich sind aufgrund massiver Emissionssteigerungen um 66 % seit 1990 besondere Reduktionen gefordert.“ Verkehrsinfrastrukturen wirken langfristig. Was heute gebaut wird, wird auch in 20 oder 30 Jahren genutzt werden. Umso wichtiger ist es, dass die heute geplanten Infrastrukturen mit den Klimazielen übereinstimmen.

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Welche Faktoren über den Wechsel zwischen Auto und Bahn entscheiden

In keinem anderen EU-Staat werden pro Kopf so viele Kilometer mit Bahn, Straßenbahn und U-Bahn gefahren wie in Österreich. Im Jahr 2016 wurden in Österreich pro Kopf 2.265 Kilometer auf der Schiene zurückgelegt. In Europa sind es nur beim Spitzenreiter Schweiz, dank dessen dichten Bahnnetzes, noch mehr Schienenkilometer.
Auf der Westbahn-Strecke weist Österreich bereits Schweizer Niveau auf. Viele haben die Vorteile des Bahnfahrens gegenüber dem Auto erkannt. Damit die Personenmobilität in Österreich auf Klimakurs kommt, sind allerdings flächendeckend noch weitaus mehr Autofahrten auf die Bahn zu verlagern.

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