Entspannte Exoten: Mit Kind, aber ohne Auto mobil

Sind Windelpakete oder Wochenendeinkäufe zu transportieren, „sitzen“ bei autolosen Familien schon einmal die Waren neben den Kindern im Cargobike oder Radanhänger.

>> Von Ursula Jungmeier-Scholz

Der erste Schrei und die erste Autofahrt liegen bei einem österreichischen Durchschnittsbaby nur wenige Tage auseinander. Ob ins Grüne, zur Spielgruppe oder vom abendlichen Kinobesuch heim, das Elterntaxi bleibt im Einsatz. Aber lassen sich Windelvorräte, Essen für sechs Leute oder die Badesachen für den Großfamilienausflug überhaupt ohne Auto transportieren? Pionierinnen und Pioniere von Wolfurt bis -Wien zeigen, wie‘s geht.

So lebt Andreas P. mit Carolina F. und zwei Kindern autofrei in Oberfeld bei Wolfurt. An der konsequent auto-losen Lebensweise – weder er noch seine Frau besitzen einen Führerschein – hat auch der Nachwuchs nichts geändert. Iason geht zu Fuß, Melia wird mit dem Radanhänger geführt, und zur Arbeit nach Dornbirn pendeln die Eltern per Rad oder Öffis. Als Kindertheatermacher transportieren sie sogar das Bühnenbild für ihr neues Stück Emillio & Ellie mit Bus und Zug.

Kind im Cabrio: Diese Form niederländischer Radkultur ist auch in Österreich immer öfter zu sehen.

Wer wie Andreas P. nie Auto gefahren ist, dem geht nichts ab. Conrad B. und seine Frau hingegen waren an Automobilität gewöhnt, bis sie im Jahr 2005 nach London zogen. Zurück in Österreich diskutierten sie monatelang den neuerlichen Autokauf. Daraus schlossen sie, sie kämen auch in Innsbruck gut ohne aus. Als Felix und dann Mira zur Welt kamen, unkten Freundinnen, Freunde und Verwandte: „Jetzt braucht Ihr wieder ein Auto.“ Mitnichten. Kindersitz am Rad und Anhänger, Kinderwagen sowie Öffi-Jahreskarten und Freizeittickets für das Umland sorgen für ausreichende Mobilität. Großeinkäufe erledigt Conrad ohnehin am liebsten mit dem Kinderanhänger: „Ich packe die Vorräte im Geschäft ein und bringe sie direkt in meine Wohnung.“

Urlauben mit Carsharing

Ines S. trennte sich erst von ihrem Auto, als Tochter Charlotte vier Jahre alt war. Heute kutschiert sie zwei Kinder samt Gepäck im Kinderlastenrad durch Wien. Dieses hat sie sorgfältig ausgewählt – leicht, schmal und gut zu manövrieren. Außerdem verfügt es über einen Elektro-Motor, denn Wendelins Kindergarten liegt auf einem Hügel.

Ihr Mann fährt per Rad und U-Bahn zum Job; sie selbst arbeitet und wohnt im selben Haus. Für -Ines bedeutet Autofreiheit nicht Verzicht, sondern Komfortgewinn: „Kein Stress im Stau – dafür Lesen in der U-Bahn.“ Etwa einmal alle zwei Monate steigt die Familie in ein Carsharing-Auto, um beispielsweise in die Therme zu fahren.

Auch privates Carsharing hilft: So borgte Silja T. das Auto der Nachbarn für einen Urlaub mit Mann und zwei Kleinkindern aus. Ansonsten ist sie mit Doppelkinderwagen sowie Bus und U-Bahn unterwegs, die verlässlich barrierefrei sind. Ihre Wohnung in der autoarmen Wiener Seestadt Aspern hat sie bewusst gewählt – samt Option auf siedlungseigenes Carsharing. Wie Ines möchte Silja vor allem für Ausflüge und Urlaube darauf zurückgreifen. Im Alltag nicht: „Voluminöses wie Windel-Großpackungen lassen wir uns einfach liefern.“

Wenn die Kids groß werden…

Was aber geschieht, wenn die Zeit der Windel-Großpackungen vorbei ist? Fünf Führerscheine und nur ein geteiltes Auto – so sieht die Bilanz in Maria L.s sechsköpfiger Familie in Graz derzeit aus. „Wir teilen das Auto mit Fast-Nachbarn, das hat sich bewährt.“ Auch wenn Maria schon mit Skiern und Gepäck für sechs Leute per Zug nach Innsbruck gefahren ist, möchte sie das Auto für Urlaube und Ausflüge nicht missen. Ferienzeiten und verlängerte Wochenenden teilen die beiden Sharing-Familien daher vorab untereinander auf.

Abwechslung gefällt: Es gibt viele Möglichkeiten und Anlässe ohne Auto mobil zu sein.

Auch in Martin M.s autofreier Familie macht sich das Heranwachsen der drei Kinder bemerkbar: Anna ist ins Führerscheinalter gekommen; die 13-jährige Sophie bemängelt die elterliche Autolosigkeit. Mit Sophie diskutiert Martin. Auch für Anna gibt es eine klare Antwort: „Lieber bezahlen wir mehr Fahrstunden als uns wieder ein Auto anzuschaffen.“ Selbst mit seinem Kontrabass am Rücken nutzt der Hollabrunner das Fahrrad – und zur Arbeit nach Wien die S-Bahn. Nur in Einzelfällen, wenn eines seiner Kinder abends nach dem Kino zwar mit Top-Ticket, aber ohne zumut-bare Bahnverbindung dasteht, borgt er sich ein Auto aus.

Zwar verzeichnet Wien mit 40 Prozent österreichweit den größten Anteil autofreier Haushalte, Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, zu denen Wolfurt inklusive Oberfeld gehört, nur 13 Prozent. Autolose Familien leben aber hier wie dort.

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>> Zur Autorin:
Ursula Jungmeier-Scholz ist freie Journalistin in Graz.

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