Es kommt einiges in Gang

Geh- und Radbrücke mit Signalwirkung: Zirl in Tirol hat jetzt zwei Radbeauftragte – Mike Winkler, Alltagsradfahrer, ist einer davon.

Trotz kurzer Distanzen wird in kleineren Städten und Gemeinden viel Auto gefahren. Denn Gehen und Radfahren wurden über Jahrzehnte von der kommunalen Verkehrspolitik vernachlässigt. Geld und fachliche Unterstützung durch die Bundesländer lösen hier ein Umdenken aus.

Von Christian Höller

In der Marktgemeinde Wildon südlich von Graz mit 5.500 Einwohnerinnen und Einwohnern gab es Verkehrsprobleme mit der stark befahrenen Straße durch den Ort, mit 9.000 Kfz pro Tag. Etwa die Hälfte dieses Autoverkehrs war hausgemacht, von Menschen, die hier wohnen – vor allem Einkaufsverkehr und Freizeitverkehr zu den Sporteinrichtungen, viele Fahrten im Bereich von ein bis drei Kilometer. Die Initiative ging vom Gemeinderat aus. „Im Jahr 2017 haben wir daher ein Radwegkonzept erstellen lassen, als strategische Planung für zehn Jahre“, erklärt Hermann Ofner von der Marktgemeinde. „Es wurden sieben Hauptradrouten festgelegt. Dabei wurde auch die bestehende Radinfrastruktur entlang der Mur eingebunden. Jedes Jahr werden die Umsetzungsschritte für das kommende Jahr festgelegt und auch budgetiert. Und das Planungsbüro Verkehr plus, das wir als Beratungsfirma beauftragt haben, macht den Umsetzungsplan.“ Umsetzungsmaßnahmen werden zu zwei Drittel vom Land Steiermark gefördert. „Diese Förderung ist sehr wichtig – ohne sie wäre das für uns nicht finanzierbar.“

Blockaden im Land

Einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss gibt es auch in Gallneukirchen, Oberösterreich, berichtet Bernhard Berger, Gemeinderat: „Ein Teil der Landesstraße durch den Ort soll eine Begegnungszone oder zumindest Tempo-30-Zone werden, um die Lebensqualität und Verkehrssicherheit im Ort zu erhöhen. Doch bei der Straßenverkehrsabteilung im Land sind wir mit diesem Wunsch bisher abgeblitzt.“ Die Straßenabteilungen der Bundesländer, die jahrzehntelang nur für den Autoverkehr geplant haben, samt der in ihrem Regime stehenden Landesstraßen sind neben dem Geld ein wesentlicher Knackpunkt bei der Förderung von Gehen und Radfahren. Sie blockieren in vielen Gemeinden immer noch Begegnungszonen und andere verkehrsberuhigende Maßnahmen auf den durch den Ort führenden Landesstraßen.

Geplanten Umbau genützt

Bereits seit 20 Jahren setzt die 4.300-Seelen-Gemeinde Bad Schallerbach auf das Gehen und Radfahren. „Damals stand der Umbau der Bahnstrecke Wels-Passau im Ortsgebiet mit neuem Bahnhof an“, erzählt Markus Humer, Leiter der Bau- und Verkehrsabteilung in Bad Schallerbach. Die eingesetzte Planungsgruppe sei sich rasch einig gewesen, den großen Umbau der Bahn auch als Impuls für das Gehen und Radfahren zu nutzen – nicht nur für den Tourismus, sondern auch in der Alltagsmobilität. Im Zuge des Umbaus seien viele Flächen neu gestaltet worden. So sei es möglich geworden, Radweg-Anbindungen und Ruhezonen für zu Fuß Gehende zu bauen sowie Grünanlagen und den Hauptplatz umzugestalten. „Statt der drei Bahnübergänge wurden fünf Unterführungen errichtet“, erinnert sich Humer. „Wichtig war uns eine Nord-Süd-Verbindung zu schaffen – die Therme liegt südlich der Bahn, die Stadt nördlich. Das wurde durch eine breite Unterführung verbunden. Breit genug, dass eine Blasmusik-Kapelle durchmarschieren kann und mit zwei großen Radabfahrten“, beschreibt Humer die Bad Schallerbacher Maßeinheit. Die Radwege vor allem an heiklen Kreuzungen und der Radweg gegen die Einbahn in der Badstraße, der zentralen Verbindung durch den Ort, seien rot gefärbt worden. „Wichtig war uns dabei auch die Querung des Radwegs über die durch den Ort führende Landesstraße auffällig rot zu färben“, schildert Markus Humer einen zähen Kampf mit dem Land Oberösterreich. „Wir konnten das durchsetzen und es bewährt sich – es erhöht die Aufmerksamkeit und die Vorsicht der Autofahrenden. Diese roten Radwege signalisieren, dass Radfahrende viel wert sind und Platz haben – auch auf der Landesstraße.“ Die Gemeinde setze jedes Jahr neue Schwerpunkte. So wurden im ganzen Ort die „Felgenkiller“-Radständer – auch jene der Geschäfte – auf Gemeindekosten gegen gute Bügelständer ausgetauscht.

Gleich zwei Radbeauftragte

In der 8.000-Menschen-Gemeinde Zirl in Tirol hatte die mit Landesförderung über den Inn gebaut Rad- und Fußgängerbrücke Signalwirkung, die das nördlich des Inns gelegene Zirl mit dem am Südufer verlaufenden Innradweg verbindet. Durch diesen Lückenschluss ist jetzt der Inntalradweg direkt und sicher, vom Autoverkehr entkoppelt, erreichbar. „Ich pendle die etwa zehn Kilometer nach Innsbruck per Fahrrad. Dabei habe ich mich öfter über Missstände geärgert. Im Ort war ich als Radfahrer ständig auf Gehsteigen unterwegs, wenn ich gefahrlos mit den Kindern einkaufen oder zum Sportplatz wollte“, schildert Mike Winkler die Ausgangssituation. „Ich sprach dann den Bürgermeister an und habe mich als Alltagsradfahrer bereit erklärt mich auch einzubringen. Ich habe zu meiner Überraschung offene Türen vorgefunden.“ Gleichzeitig eröffnete sich im Jahr 2018 die Chance im Zuge des Euregio-Projekts Pro-Byke des Klimabündnisses die Einrichtung eines Radbeauftragten in Zirl zu etablieren. Entwickelt wurde die Idee eines Zweierteams. Mike Winkler als unabhängiger Bürger und Alltagsradler und David Grissmann, als Sachbearbeiter Infrastruktur und Hochbau in der Gemeinde, der weiß, was und wie etwas in der Gemeinde läuft. Das größte Projekt war bisher die Planung eines Radroutennetzes. Mit diesem Konzept wurde eine professionelle Firma beauftragt und das Land hat es gefördert. Im Frühjahr 2021 sollte es fertig sein und das Gerüst für die Verbesserungen in den nächsten Jahren bilden. Derzeit ist noch wenig sichtbar – aber die Sache hat Schwung aufgenommen. „Als wir im Jahr 2008 anfingen, sahen die Gemeinden die Ursache für wenig Radverkehr oft in einem bestimmten fehlenden Infrastrukturprojekt. Es hieß dann schnell: zu teuer, kein Platz, geht halt nicht“, erinnert sich Robert Stögner vom Klimabündnis Oberösterreich, „sie sahen nicht, was auch einfacher zu machen ist, etwa Bewusstseinsbildung, zu überlegen, welche Signale sende ich an Radfahrende aus.“ Daher wurde in Oberösterreich die Fahrrad-Beratung Öberösterreich für Gemeinden und Regionen durch das Land Oberösterreich und das Klimabündnis Öberösterreich etabliert, um über die breite Palette der Möglichkeiten zu informieren.“ Wichtig sei immer auch, dass der Wunsch aus der Bevölkerung kommt – dann gehe es leichter. Und dass es in der Gemeinde Leute gibt, die dahinterstehen.

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Foto: Spencer Imbrock, unsplash