Frauen machen mobil – Frauen mobil machen
Frauen in der männerdominierten Verkehrsbranche sind derzeit noch berichtenswerte Erfolgsgeschichten – doch sie sollten Normalität sein. Dass Frauen in Planungsgremien und in der Verkehrswirtschaft und -wissenschaft noch in der Minderheit sind, das ist den Mobilitätsangeboten anzusehen.
Von Susanne Wolf
Eine durchschnittliche Familie in Österreich, ein Auto. Der Mann arbeitet Vollzeit und nimmt das Auto, die Frau kümmert sich neben ihrem Teilzeitjob um die Kinder. In Österreich sind 62 Prozent der Autos auf Männer zugelassen. Frauen übernehmen nach wie vor den größeren Teil von Sorgearbeit – sprich Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. Auf ihren Wegen gehen sie jedoch öfters zu Fuß – dementsprechend sind sie auf eine gut ausgebaute Infrastruktur angewiesen. Eine Umfrage des VCÖ aus dem Jahr 2018 zeigt, dass österreichweit zwei Drittel der Männer mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren, bei den Frauen nur die Hälfte.
Mädchen für Technik begeistern
Auch wenn bereits vereinzelt Frauen wie Klimaministerin Leonore Gewessler oder die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo wegweisende Maßnahmen für klimaverträgliche Mobilität setzen, bleibt noch viel zu tun. So haben Frauen als Pkw-Insassinnen im Fall eines Autounfalls ein rund 70 Prozent höheres Risiko, dabei verletzt zu werden. Der Grund: Angebote sind nicht auf sie zugeschnitten. „Die Crash-Dummies etwa sind der männlichen Anatomie nachempfunden“, kritisiert die Mobilitätsexpertin Nadin Brunnhofer von „Punkt vor Strich“. Puppen mit typisch weiblichen Attributen würden häufig nur auf der Beifahrerinnen- Seite eingesetzt. „Auch Halteggurte in öffentlichen Verkehrsmitteln sind meist auf die Körpergröße von Männern ausgerichtet.“ Als Grund dafür sieht Brunnhofer die fehlende Präsenz von Frauen in Planungsgremien. „Oft gibt es dort nur eine Frau, und die hat es meist schwer, sich Gehör zu verschaffen.“
Die Gründerinnen von Punkt vor Strich sind auch Initiatorinnen des Netzwerks Women in Mobility in Österreich, das sich für eine bessere Sichtbarkeit von Frauen in der Mobilitätsbranche einsetzt. Brunnhofer, die ihre Ausbildung unter anderem an der Technischen Universität Hamburg absolviert hat, weiß aus eigener Erfahrung, dass Frauen in technischen Berufen oft als weniger kompetent wahrgenommen werden. Es müsse schon in der Schule begonnen werden, mehr Mädchen für Zahlen und Technik zu begeistern. „Bei mir war es der Vater, der mich in meinem technischen Interesse unterstützt hat.“ Zudem hält die Mobilitätsexpertin verpflichtende Frauenquoten für sinnvoll.
Gendergerechte Planung ins Bewusstsein bringen
Beatrix Rauscher gehört zu den Frauen, die sich erfolgreich in der männerdominierten Verkehrsbranche durchgesetzt haben. Im Dezember 2021 übernahm sie die Leitung des Kompetenzzentrum „Bahninfrastruktur, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen“ der Stadt Wien, davor war sie bei den Wiener Linien tätig. „Gendergerechte Verkehrsplanung ist heute viel stärker ins Bewusstsein gerückt“, sagt Rauscher. „Das liegt auch daran, dass mehr Jungväter in Karenz gehen und für die Bedürfnisse von Eltern bei der Verkehrsplanung sensibilisiert werden.“ So gebe es heute ein wachsendes Angebot an Niederflurstraßenbahnen und -bussen. Rauscher ist überzeugt, dass von gendergerechter Stadt- und Verkehrsplanung nicht nur Frauen profitieren, sondern die gesamte Bevölkerung. Auch wenn die Zahl von Frauen in Planungsgremien zu niedrig sei, sieht die Verkehrsplanerin dennoch Verbesserungen bei der Gleichbehandlung von Frauen. „An der U-Bahn-Baustelle vor dem Wiener Rathaus sehe ich täglich weibliches Personal – das war vor zehn Jahren noch undenkbar.“
Drei Frauen an der Spitze der Wiener Linien
Auch Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Linien, unterstützt Frauen in der Technik. „Wir vernetzen uns aktiv mit Frauenkarrierenetzwerken, ermutigen am Töchtertag Mädchen, technische Berufe zu erlernen“, so Reinagl. „Seit eineinhalb Jahren gibt es gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice die Möglichkeit, eine Umschulung im Programm FiT (Frauen in der Technik) zu machen.“ Wenn sich bei Ausschreibungen keine Frauen bewerben, werde aktiv weitergesucht. „Die Begründung, `In dem Bereich gibt es halt keine Frauen´ lassen wir so einfach nicht gelten.“
Ab November 2022 werden gleich drei Frauen an der Spitze der Wiener Linien stehen: Neben Alexandra Reinagl übernehmen Petra Hums und Gudrun Senk die Geschäftsführung des größten städtischen Verkehrsunternehmen Österreichs. Barrierefreiheit hilft allen: Vom wachsenden Angebot an Niederflurstraßenbahnen und -bussen profitieren nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern etwa auch Frauen, die immer noch vorrangig Sorgearbeit, wie Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen, übernehmen.