Frühwarnung statt Zugverspätung

Datenbasierte Anwendungen können Mobilität in vielerlei Weise fördern – durch Verspätungsprognosen, durch spielerische Anreize und durch individuell maßgeschneiderte Angebote. Doch es muss transparent bleiben, welche Daten gesammelt werden und wofür.

Von Ursula Jungmeier-Scholz

Ein Pendelzug kann wegen eines umgestürzten Baumes nicht weiterfahren. Kein Problem, angemeldete Fahrgäste, die den Zug regelmäßig nutzen, werden per Smartphone früher geweckt, damit sie ein Alternativangebot erreichen, das sie trotzdem pünktlich ans Ziel bringt. Noch ist das Zukunftsmusik. Erste Schritte in diese Richtung gehen die Stockholmer Verkehrsbetriebe, die mittels App aus aktuellen Daten Verspätungen bis zu zwei Stunden im Voraus errechnen und veröffentlichen. „Durch diese Transparenz werden öffentliche Verkehrsmittel verlässlicher“, erklärt Markus Raunig, Geschäftsführer von „Austrian Startups“. Bevorzugt für jene, die Einsicht in ihre Wege gewähren.

Auch durch individuelle Routenplanung, realitätsnahe Verkehrsplanung, spielerische Elemente oder Zusatzinformationen via Mobiltelefon fördert Digitalisierung klimaverträgliche Mobilität. Oder sie erschließt neue Einnahmequellen für den Öffentlichen Verkehr. So fährt im Düsseldorfer Stadtverkehr gratis, wer Zeit schenkt und sich über die App WelectGo mit Werbung berieseln lässt – am Ende der Werbezeit erscheint am Smartphone-Display der QR-Code für das „verdiente“ Ticket. „Wichtig ist, dass die dahinter liegenden Geschäftsmodelle verstanden werden und so ein Bewusstsein geschaffen wird“, betont Raunig. In Zukunft kann es auch reichen, wenn Ortsunkundige mit dem Ticket-Chatbot, einer künstlichen Intelligenz, ein eingehendes Gespräch führen.

Fahrradkilometer für gemein-nütziges Projekt spenden
Auch durch Gamification, also Motivieren durch spielerische Anreize, kann Gehen und Radfahren gefördert werden. Das bekannteste Beispiel ist Pokémon Go. Beim Projekt -Bike‘N‘Play in Östereich wurden bestehende Computerspiele analysiert und aufgezeigt, wo im Spiel beim Designen der Spiele Anreize zum Radfahren hätten untergebracht werden können.

Reale Belohnungen werden beim Projekt „Space Tech for Cyclists“ an die Bike Citizens vergeben, deren App bereits in 430 Städten beim Radfahren den Weg weist. In Kooperation mit Unternehmen werden etwa Radfahrten mit Kaffee-Gutscheinen belohnt – oder gefahrene Fahrradkilometer werden an ein gemeinnütziges Projekt „gespendet“, das reparierte Altfahrräder an Bedürftige vergibt.

Die dabei verwendete App setzt auf individuelle Routenplanung – bei Ausfahrten per Rennrad kann beispielsweise Kopfsteinpflaster ausgeschlossen werden. Die Daten werden anonymisiert auch für die Verkehrsforschung verwendet. Oberste Priorität genießt dabei der Datenschutz. „Fahrten werden freiwillig und ohne User-ID registriert. Zudem rechnen wir die ersten und letzten hundert Meter heraus“, erklärt -Bike Citizens-Geschäftsführer Daniel Kofler.

Apps für Wege zu Fuß bieten Leistungsdokumentation oder attraktive Strecken – die App Walkonomics errechnet etwa den baumreichsten Weg. Nach einer Untersuchung von Wearables (am Körper getragene Minicomputer) und Fitness-Apps durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wurden neun Anbieter allerdings abgemahnt. Kern der Kritik ist, dass zahlreiche teils sensible Daten gesammelt werden, deren Verwendung unklar bleibt. Kritische Fachleute argwöhnen, dass auf diesem Weg das solidarische Krankenversicherungs-system ausgehöhlt werden könnte, weil Versicherungen die dauerhafte Verfügbarkeit von Fitnessdaten fordern und ihre Tarife so individuell festlegen könnten.

Mit Pragmatismus gegen Datenmissbrauch
Das Potenzial der Digitalisierung ist riesig – im Portfolio der neu eingerichteten „Urbanen Mobilitätslabore UML“ des Verkehrsministeriums (bmvit), die Forschungsergebnisse praktisch umzusetzen helfen, finden sich Pilotprojekte zu CO2-neutralen Formen der Stadtlogistik, bis hin zu Shared Mobility Services. Sie alle nutzen die Vorteile der Digitalisierung. Walter Wasner, Verantwortlicher für die UML-Initiative beim bmvit, plädiert bei der Frage nach möglichem Datenmissbrauch für Pragmatismus: „Durch privacy by design, ein vorausschauendes Design von neuen Anwendungen, können viele datenschutzrechtliche Probleme von Anfang an ausgeschlossen und kann einem potenziellen Datenmissbrauch in vielen Fällen vorgebeugt werden. Trotzdem wird sich die Forschung im Mobilitätsbereich – ebenso wie in allen anderen Gesellschaftsbereichen – auch in Zukunft in einem Spannungsfeld von neuen Möglichkeiten durch datenbasierte Anwendungen und der Gefahr des Missbrauchs bewegen müssen.“

 

>>Zur Autorin: Ursula Jungmeier-Scholz ist freie Journalistin in Graz. 

Walter Wasner, Verantwortlicher für die Initiative Urbane Mobilitätslabore beim bmvit

 „Durch ein vorausschauendes Design von neuen Anwendungen können viele datenschutzrechtliche Probleme von Anfang an ausgeschlossen werden.“

Daniel Kofler, Bike Citizens-Geschäftsführer

„Bei der Bike Citizens App hat Datenschutz oberste Priorität. Fahrten werden freiwillig und ohne User-ID registriert. Zudem rechnen wir die ersten und letzten hundert Meter heraus.“

 

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