Hoffnung für das Sorgenkind Verkehr?

Intermodal mobil: Elektro-Carsharing- Angebote, die bereits viele Gemeinden anbieten, ersetzen Zweit- und Drittautos in der Region.

Um die Auswirkungen der globalen Erwärmung in den Griff zu bekommen, ist es zentral, das Verbrennen von Erdöl für Mobilität deutlich zu reduzieren und bis zum Jahr 2050 zu beenden. Elektro-Mobilität kann und muss dabei eine wichtige Rolle spielen.

>> von Doris Neubauer

Minus 36 Prozent Treibhausgas-Emissionen in jenen Bereichen, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind, gegenüber dem Jahr 2005, so lautet das EU-Klima-ziel Österreichs bis zum Jahr 2030. Der Verkehr hat dabei neben Gebäuden, Land- und Abfallwirtschaft einen entscheidenden Beitrag zu leisten. „In der EU ist der Verkehrsbereich für etwa 32 Prozent des Endenergieverbrauchs und für zirka 24 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich“, sagte Magda Kopczynska von der Generaldirektion für Mobilität und Transport der Europäischen Kommission anlässlich einer Konferenz in Wien. Hierzulande sieht es ähnlich aus. „Der Verkehr hat sich in Österreich zum größten Sorgenkind entwickelt“, bestätigt Günter Lichtblau, Verkehrsexperte beim Umweltbundesamt: Mit 45 Prozent stammen die meisten CO2-Emissionen außerhalb der vom Emissionshandel erfassten Bereiche (das sind vor allem die Stromerzeugung und einige Sektoren der Industrie) aus diesem Sektor. Während sich Treibhausgas-Ausstöße laut Klimaschutzbericht des Umweltbundesamts seit dem Jahr 2005 rückläufig entwickeln, stiegen jene aus dem Verkehr seit dem Jahr 1990 um 58 Prozent. Dabei liege im Verkehrssektor großes Potenzial. „Hier ist die von der EU vorgeschriebene Treibhausgas-Reduktion von 67 Prozent bis zum Jahr 2050 zu wenig ambitioniert“, erklärt Lichtblau, „wir haben über die Elektrifizierung das technologische Potenzial für eine Umstellung auf alternative Energien.“ Zumindest auf Straße und Schiene. Bei Schifffahrt und Flugverkehr werden noch Lösungen gesucht.
 

Job-Motor E-Mobilität

Gerade für Österreich birgt Elektro-Mobilität enorme Chancen zur CO2-Reduktion: Kommen global drei Viertel des Stroms aus fossilen Energieträgern und in Europa etwa die Hälfte, stammen hierzulande rund drei Viertel aus Wasser-, Wind- und Solarkraft. Damit verursacht ein Elektro-Fahrzeug in Österreich um bis zu 80 Prozent weniger Treibhausgase als ein Diesel- oder Benzinauto. Außerdem könnte ein Wechsel zur Elek-tro-Mobilität Energieimporte von 13 Milliarden Euro jährlich ersparen. Zusätzlich würden laut einer Studie des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der Technischen Universität Wien und des Fraunhofer-Austria-Instituts bis zum Jahr 2030 in der Elektro-Branche sowie bei Zulieferfirmen, etwa bei der Batterieherstellung, rund 57.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. „Wir sollten aber nicht glauben, dass das bloße Ersetzen von Autos mit Verbrennungsmotoren durch Elek-tro-Autos die Aufgabe der Dekarbonisierung löst“, stellt EU-Expertin Kopczynska klar, „wir müssen das gesamte Mobilitätssystem ändern.“ Etwa durch „intermodale Mobilitätsangebote“, die verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, Carsharing-Konzepte und Infrastrukturinvestitionen, die Rad-, Fuß- sowie Öffentlichen Verkehr fördern. Letzteres hätte nicht nur positive Auswirkungen auf die CO2-Bilanz, sondern würde darüber hinaus gesellschaftliche Probleme wie Bewegungsmangel und Platzknappheit im öffentlichen Raum lösen. 

Durch Anreize Mobilitätsgewohnheiten ändern

„Die Technologie wird uns in der Mobilität nicht retten“, bekräftigt Michael Meschik, Leiter des Instituts für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur, „Dekarbonisierung muss mit einer Verhaltensänderung einhergehen.“ Damit Alternativen zum Auto genutzt werden, ist aber ein Umdenken notwendig. „Noch ist motorisierter Individualverkehr in unseren Köpfen selbstverständlich“, beschreibt Meschik ein tief verankertes Denken, dass etwa öffentlicher Raum unhinterfragt fürs Fahren und Parken mit Kfz genutzt wird. Oder dass zwar Verkehrslärm nachweislich gesundheitsschädlich ist, aber die entstehenden medizinischen Kosten nicht vom verursachenden Autoverkehr bezahlt werden. „Laut einer Studie an der Technischen Universität Dresden wird so jeder Pkw jährlich mit 2.300 Euro subventioniert“, erklärt Meschik und nennt die Aufteilung dieser Kosten nach dem „Verursacherprinzip“ als Anreiz, Gewohnheiten zu verändern. Letzteres versprechen auch Infrastrukturinvestitionen: Wird Parken teurer, während der Öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird, kann das zum Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel motivieren. „Da müssen auf politischer Ebene klare Signale gesetzt werden“, fordert auch Günter Lichtblau, nicht durch Pendelpauschale oder niedrige Mineralölsteuer umwelt- und gesundheitsschädliches Verhalten weiter subventionieren. Auch die steuerliche Regulierung der Preise für Benzin und Diesel sei notwendig, damit diese Treibstoffe nicht allzu günstig und somit attraktiv sind. „Wir brauchen eine solide Klima- und Energiestrategie, die ein Bild der Zukunft unserer Mobilität zeichnet, das umweltfreundlicher, leiser, angenehmer und gesünder ist.“ Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung im Frühjahr 2017 im geplanten Weißbuch eine solche Strategie präsentiert. Nur mit vereinzelten Klimaschutzmaßnahmen ist das Emissions-Reduktionsziel nicht zu erreichen.

Magda Kopczynska, Generaldirektion für Mobilität und Transport der Europäischen Kommission: „Wir sollten nicht glauben, dass das bloße Ersetzen von Autos mit Verbrennungsmotoren durch Elektro-Autos die Aufgabe der Dekarbonisierung löst, wir müssen das Mobilitätssystem ändern, etwa durch intermodale Mobilitätsangebote.“

Günter Lichtblau, Verkehrsexperte beim Umweltbundesamt: „Wir brauchen eine solide Klima- und Energiestrategie, die ein Bild der Zukunft unserer Mobilität zeichnet, das umweltfreundlicher, leiser, angenehmer und gesünder ist.“

Michael Meschik, Universität für Bodenkultur/Institut für Verkehrswesen: „Laut einer Studie an der Technischen Universität Dresden wird jeder Pkw jährlich mit 2.300 Euro subventioniert.“

 

 

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