Isabella Uhl-Hädicke - direkt gefragt
Lernen, mit der Klimakrise als existenzieller Bedrohung umzugehen
Das VCÖ-Magazin sprach mit der Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke darüber, warum es so schwer ist, bei der Klimakrise vom Wissen ins Handeln zu kommen, wie es gelingt, Mobilitätsgewohnheiten klimaverträglich zu ändern – einerseits bei Routinewegen wie dem Arbeitsweg, andererseits für den Wochenendausflug.
VCÖ-Magazin: Warum ist es so schwer, vom Wissen um die existenzielle Bedrohung durch die Klimakrise ins Handeln zu kommen?
Isabella Uhl-Hädicke: Die Klimakrise ist kein klarer Einschnitt, wie etwa ein Unfall. Unser Verhalten wird am stärksten gesteuert von Konsequenzen, die unmittelbar auftreten. Wenn wir Menschen existenziell bedroht sind, fallen wir erst einmal in eine Schockstarre. Da müssen wir wieder raus. Das kann ich proaktiv lösen, indem ich sage, gehen wir es an, ich ändere meinen Lebensstil, ich setze mich für klimaverträgliche Verhaltensweisen ein. Oder ich finde eine andere Methode, um das für mich ungute Gefühl zu lösen. Da zeigen Personen oft total irrationale Handlungen. Die Erklärung dahinter ist, dass existenzielle Bedrohungen, wie der Klimawandel eine ist, in uns einen extremen Kontrollverlust, Ohnmachtsgefühle und Hilflosigkeit auslösen. Unsere Werteinstellungen, unsere Gruppenzugehörigkeit, unsere Weltanschauungen – das sind Dinge, die uns Kontrolle geben. Darauf fokussieren wir uns dann, mit der Bedrohung umzugehen, weil wir so subjektiv wieder ein Gefühl von Kontrolle bekommen. Das Problem ist natürlich, es ändert nichts am Klimawandel selbst. Nur den Personen geht es besser, wenn sie für sich das Angstgefühl gelöst haben.
VCÖ-Magazin: Wie können Menschen, und letztlich auch wie kann ich mich selbst, aus der bequemen, klimaschädlichen Normalitätsfalle holen?
Isabella Uhl-Hädicke: Unser Verhalten wird auf verschiedenen Ebenen gesteuert. Ganz wichtig sind die Rahmenbedingungen - etwa die Infrastruktur. Dabei spielt die Politik eine entscheidende Rolle. Die muss Öffentlichen Verkehr bereitstellen, damit ich ihn nutzen kann, oder Instrumente anwenden, die klimaschädliches Verhalten schwieriger und teurer machen, und klimaverträgliches leichter und billiger. Und dann spielt natürlich die Psychologie eine große Rolle. Die Forschung zeigt, dass uns das Verhalten, das wir im Umfeld beobachten, extrem beeinflusst, nach dem Motto, warum soll ich nicht auch machen, was die anderen tun – auch wenn es klimaschädliches Verhalten ist.
VCÖ-Magazin: Sie legen in Ihrem Buch die große Bedeutung von Gewohnheiten bei der Mobilitätswahl dar. Was hilft am ehesten, um Mobilitätsgewohnheiten zu ändern?
Isabella Uhl-Hädicke: Wichtig sind Anreize wie das Klimaticket. Da geht es gar nicht nur um das Finanzielle, sondern darum, dass die Leute wenig Aufwand haben, sich nicht jedes Mal überlegen müssen, wo kaufe ich jetzt das Ticket, sondern einfach in den nächsten Zug, den nächsten Bus steigen können. Bei der Mobilität spielen die Rahmenbedingungen auch aus psychologischer Sicht eine große Rolle. Auf Ebene des Individuums wirkt, wenn jemand Vorbild ist, einfach das Positive aufzeigt und vorlebt, etwa indem sie oder er mit dem Rad zur Arbeit fährt und da etwa einfach den Fahrradhelm auf den Schreibtisch legt, sodass Kolleginnen und Kollegen anknüpfen können: Du kommst mit dem Rad, geht das gut? Das geschieht automatisch, ohne Zeigefinger. So können andere interessiert und mitgenommen werden.
VCÖ-Magazin: Wie weit sind finanzielle Anreize hilfreich, etwa eine Gratis-Monatskarte für den Öffentlichen Verkehr?
Isabella Uhl-Hädicke: Aus psychologischer Sicht ist die Antwort nicht so einfach. Es zeigt sich, dass finanzielle Anreize, wenn sie eher bei Alltagsverhalten ansetzen und eher gering sind, wenig Wirkung zeigen. Finanzielle Anreize machen eher Sinn, wenn sie groß genug sind. Und auch eher bei Einmal-Anschaffungen, also wenn etwa der Kauf eines E-Autos oder einer Photovoltaik-Anlage gefördert wird. Bei Gratis-Tickets für den Öffentlichen Verkehr zeigen Studien, dass dieser Ansatz alleine nicht ausreicht. Solange der Anreiz da ist, steigen die Leute zwar um, aber sobald er wieder wegfällt, fallen viele wieder ins alte Verhalten zurück. Außer sie konnten im Förderzeitraum ihre Einstellung gegenüber der Nutzung von Öffis positiv verändern, etwa indem sie feststellten, dass das gar nicht so stressig oder die Züge nicht so voll sind und es viel angenehmer ist, als im Stau zu stehen. Es ist ein sinnvolles Instrument, den Leuten Anreiz zu geben, die Öffis mal zu probieren, aber es ist als Einzelmaßnahme kein Allheilmittel.
VCÖ-Magazin: Wie thematisieren Sie etwa bei Freunden unangenehme Wahrheiten, etwa aus Klimagründen in den Urlaub mit der Bahn zu fahren, statt zu fliegen?
Isabella Uhl-Hädicke: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Das eine ist sicherlich vorleben und Dinge ansprechen. Allerdings etwa beim Fleischessen, wenn Sie in einem Restaurant sitzen und die andern haben alle ein Steak bestellt, würde ich in dem Moment nicht aufzeigen, wie stark sich die Produktion von Fleisch auf den Klimawandel auswirkt. Ich lebe es vor, indem ich anderes bestelle, und wenn wer Interesse hat, rede ich gerne drüber. Jemand mit den Fakten konfrontieren, eine Diskussion, wird in so einem Moment wahrscheinlich wenig fruchten. Das würde eher eine Abwehrreaktion auslösen und vielleicht sogar das Gegenteil erreichen, weil die Person sich rechtfertigten muss und sich in ihrer Meinung bestärkt.
VCÖ-Magazin: Arbeitswege sind Routine, Ausflugswege immer wieder neu. Braucht es hier unterschiedliche Maßnahmen, um zu klimaverträglicher Mobilität zu motivieren?
Isabella Uhl-Hädicke: Definitiv! Denn Gewohnheitsverhalten, wie etwa das Pendeln, läuft automatisch ab. Es zu verändern ist extrem herausfordernd. Hier ist es gut anzusetzen, wenn sich im eigenen Leben etwas verändert, wenn Leute aus ihren gewohnten Mustern herausgerissen werden, etwa durch einen neuer Job oder eine neue Wohnung. Das sind Zeitpunkte, wo es helfen kann, mit Interventionen zu arbeiten. Also etwa Leuten, die neu zugezogen sind, Info-Material zum Öffentlichen Verkehr zu schicken.
Wer einen Ausflug macht, setzt sich hingegen bewusst mit der Mobilität auseinander. Da braucht es andere Anreize. Etwa die entsprechende Infrastruktur, so dass ich Wahlmöglichkeiten habe. Und dass es leicht gemacht wird, diese zu erkennen. Vielleicht haben sie es noch gar nicht am Schirm, dass sie auch ein Bus ganz leicht an das gewünschte Ziel bringt. Da motivieren Aktionen, die Aufmerksamkeit wecken. Etwa, dass an bestimmten Tagen gratis mit dem Zug oder dem Bus zu dem Ausflugsziel gefahren zu werden kann. Oder ein Angebot neu und attraktiver gestaltet wird. Oder einen Eventcharakter daraus gemacht wird, zum Kennenlernen. In der Schweiz, wurden beispielsweise zu Ostern Ostereier für die Kinder im Zug versteckt. So etwas macht Sinn, vor allem bei so bewussten Entscheidungen, wie eben der Entscheidung einen Ausflug zu machen.
VCÖ-Magazin: Sie legen Ihr Buch auch stark als konkrete Handlungsanleitung an – welchen Tipp würden Sie an erster Stelle nennen?
Isabella Uhl-Hädicke: Wenn eine Person prinzipiell zu Veränderungen bereit ist, würde ich ihr raten, nicht gleich alle Bereiche anzugehen. Sondern sich einen Bereich auszusuchen. Und sich bereits bevor eine konkrete Entscheidung nötig wird, Gedanken über mögliche klimaverträgliche Verhaltensalternativen zu machen. Dass ich mir etwa in Ruhe anschaue, mit welchem Bus genau komme ich zu meiner Arbeit, an welcher Haltestelle steht er? Erinnerungshilfen unterstützen bei der Umsetzung. Also etwa, wenn ich mit dem Fahrrad fahren will, dass ich den Fahrradhelm über den Autoschlüssel lege. Das schafft Unterbrechungen, durch die ich aus der automatisierten Situation rausgenommen und erinnert werde – stimmt, eigentlich wollte ich ja etwas ändern. Wichtig ist auch, Ziele immer messbar festzulegen. Also nicht nur zu sagen, ich möchte mehr Öffi oder Fahrrad fahren. Sondern konkret, ich möchte dreimal in der Woche mit dem Bus, dem Fahrrad in die Arbeit fahren. Das lässt keinen Raum für Ausreden.
Das Gespräch führte Christian Höller
Isabella Uhl-Hädicke ist Umweltpsychologin an der Uni Salzburg. Ihr kürzlich erschienenes Buch: „Warum machen wir es nicht einfach. Die Psychologie der Klimakrise“ Molden Verlag, 2022, 173 Seiten, erklärt die psychologische Seite klimaverträglichen Lebens und Handelns – wissenschaftlich fundiert, anschaulich und mit vielen Handlungstipps.