Kompakt wohnen - besser leben

Das Auto machte flächige Zersiedelung möglich. Diese Siedlungen verursachen hohe Kosten für die Gemeinden und die Menschen, die dort wohnen. Die Bemühungen nehmen zu, durch Verdichtung von Wohngebieten und bessere Raumplanung umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen und die Lebensqualität zu erhöhen.

>> Von Sonja Bettel

Seit dem Jahr 2008 muss jedes Haus bei Verkauf oder Übergabe einen Energieausweis haben. Dieser sagt aber nur etwas über die zukünftigen Heizkosten aus – und nicht, welchen Gesamtenergiebedarf inklusive Mobilität die Bewohnerinnen und Bewohner aufgrund der Lage haben werden. Ein Nullenergiehaus am Waldrand kann so einen höheren Gesamtenergiebedarf haben als ein schlecht isoliertes Haus in der Nähe des Bahnhofs. Nicht berücksichtigt sind auch die Zeit und die Kosten, die den dort Wohnenden für den Kauf und Betrieb von einem oder gar mehreren Autos entstehen.

„Wir haben die Stadt Graz und das Umland verglichen und festgestellt, dass das Umland die doppelten Mobilitätskosten der Stadt hat“, sagt der Grazer Raumplaner Günther Tischler. Die Gemeinden müssten die Bürgerinnen und Bürger darüber aufklären, fordert Tischler.

Verkehrsaufkommen steuern

Gemeinden, Länder und Bund haben einige Möglichkeiten, die Auswirkungen von Wohnen und Siedlungsentwicklung auf den Verkehr zu steuern. Das Kernelement ist die Raum-planung. „Die Raumordnungsgesetze sind nicht schlecht, es traut sich nur niemand, sie konsequent umzusetzen“, beobachtet Günther Tischler. Obwohl es österreichweit viel mehr gewidmetes Bauland gibt, als benötigt wird, lassen sich die Politikerinnen und Politiker in den Gemeinden immer wieder dazu hinreißen, Grünland am Ortsrand für Einfamilienhäuser oder Firmen umzuwidmen. Sie vergessen dabei offenbar, dass es auch enorme Folgekosten für die Kommune bedeutet, wenn dafür Straßen, Wasserleitung, Kanal, Beleuchtung etc. gebaut und erhalten werden müssen.

Die Gemeinde Zwischenwasser in Vorarlberg hat das schon im Jahr 1980 erkannt und begonnen, Bauland in Randlagen in Grünland rückzuwidmen. Der Rückbau hat die Gemeinde langfristig aufgewertet und gemeinsam mit vielen anderen Maßnahmen Lebensqualität und Energieeffizienz erhöht.

Im Vorarlberg wird die Bebauungsdichte und damit die Eindämmung des motorisierten Individualverkehrs mittlerweile auch über die Wohnbauförderung gesteuert. Für Fahrradabstellplätze, Anschlüsse für Elektro-Autos und Carsharing gibt es Ökopunkte, Wohnbauten, die eine Baunutzungszahl von 54 und höher erreichen, also mehr Wohnfläche pro Grundfläche bauen, erhalten einen „Verdichtungsbonus“ von zusätzlichen 50 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche. Im Burgenland gibt es einen „Ortskernzuschlag“ zur Wohnbauförderung von 50 Euro pro Quadratmeter (maximal 10.000 Euro bei Eigenheimen).

Die Vorarlberger Gemeinde Lauterach, eine der am schnellsten wachsenden Gemeinden, hat ein „Räumliches Entwicklungskonzept“ erstellt, in dem verschiedene Maßnahmen für eine Flächen und Autoverkehr sparende und gleichzeitig Lebensqualität hebende Ortsgestaltung angeführt sind.

Aktiv für weniger Verkehr

Bei größeren Wohnanlagen oder Siedlungen sind auch individuelle Konzepte für umweltfreundliche Mobilität möglich. Bei der Wohnanlage Messequartier der Wohnungsgesellschaft ENW in Graz zum Beispiel gibt es neben den 170 Wohnungen und 90 Wohnplätzen für Studierende auch Platz für Gewerbe, einen Kindergarten, ein Café, eine Sauna, eine Dachterrasse mit Schwimmbecken und einen begrünten Hof. Viele tägliche Bedürfnisse können in diesem Verkehrsparhaus also vor Ort erledigt werden. Wer trotzdem weg muss, findet Bus und Straßenbahn in unmittelbarer Nähe, kann sein Fahrrad beim Haus überdacht abstellen oder ein Carsharing-Elektro-Auto nützen, für das der Strom am Dach des Hauses per Photovoltaik erzeugt wird.

Dass Verdichtung und bessere Anbindung an bestehenden Öffentlichen Verkehr mehr Lebensqualität bringt, hat die Schweizer Bevölkerung bereits erkannt. Im Frühjahr 2013 beschloss sie bei einer Abstimmung eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, die die Zersiedlung begrenzen und die Siedlungsentwicklung nach innen lenken soll. Einen interessanten Beitrag dafür liefert das Schweizer Planungs- und Architekturbüro Metron AG mit seiner Forschungsarbeit „ 7 Tools zur Innen-entwicklung: die Metron Dichtebox“. Sie zeigt, wie eine bestehende Siedlung mit Einfamilien- und Reihenhäusern durch Aufstocken, Anbauen und Umgestalten mehr Wohnraum erhalten und trotzdem ausreichend Freiraum bieten kann.

 

>> Zur Autorin:
Sonja Bettel ist freie Journalistin
http:/bettel.at

 


>> Das Umland von Graz hat doppelt so hohe Mobilitätskosten wie die Stadt. <<

- Günther Tischler, Raumplaner in Graz

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