Manuela Macedonia - direkt nachgefragt

Ich laufe für mein Gehirn, nicht für meine Figur

Mit der Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia sprach das VCÖ-Magazin darüber, wie Bewegung das Gehirn anregt, leistungsfähig hält und dem altersbedingten Abbau des Gehirns entgegenwirkt.

VCÖ-Magazin: Sie sagen, Sie laufen für Ihr Gehirn undnicht für Ihre Figur. Wie wirkt Bewegung auf das Gehirn?

Manuela Macedonia:  Regelmäßige Bewegung setzt Mechanismen im Gehirn in Gang, die es anregen und leistungsfähig halten. Darunter ist die Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktor: Diese Substanz stärkt die Gehirnzellen und ihre Verbindungen. Sie ist extrem wichtig, für Kinder genauso wie für erwachsene Menschen, die anspruchsvollen geistigen Tätigkeiten nachgehen, und auch für ältere Menschen, deren Gehirnmasse altersbedingt schrumpft.  Haben wir zu wenig davon, ist unser Gedächtnis nicht so gut und ein Mangel an Nervenwachtumsfaktor kann zur Entstehung von Krankheiten psychischer Art beitragen, wie Depression und Essstörungen. Bewegung ist auch die beste Pflege für die Psyche:  Die Ausschüttung wichtiger Botenstoffe wird bereits durch das Spazierengehen angeregt, es muss nicht einmal Sport sein. Unter diesen Botenstoffen finden wir Serotonin, welches uns in der Balance hält: Ist zu wenig davon vorhanden, sind wir depressiv. Ein weiterer Botenstoff ist Dopamin, das Glückshormon: Es trägt dazu bei, dass wir uns wohlfühlen. Bewegung regt aber auch unseren Hippocampus an, den Sitz des Kurzzeitgedächtnisses, wodurch wir uns Inhalte besser merken. Im Hippocampus findet aber auch die Neurogenese statt, die Entstehung neuer Gehirnzellen.  Ist der Hippocampus „fit“, kann er regelmäßig Gehirnzellen „produzieren“, welche abgestorbene ersetzen und auch gewisse Regionen stärken, dort, wo zum Beispiel gelernt wird.  

VCÖ-Magazin: Heißt das, wir sollten jede Chance, auch unserer Alltagswege, für aktive Mobilität und Bewegung nutzen – dem Gehirn zuliebe?

Manuela Macedonia: Damit Bewegung ihre Wirkung entfaltet, soll sie regelmäßig stattfinden, damit jene Prozesse, die ich im Buch genauer beschreibe, auch angeregt werden. Fünf Minuten von der Haustür zum Auto und fünf Minuten vom Auto zur Haustür reicht  nicht aus, das sagt uns schon der Hausverstand. Ich empfehle, jede Möglichkeit zu nutzen, etwa, wenn möglich, in die Arbeit zu Fuß zu gehen oder zu radeln. Mein Rezept für alle, die ein neues Kapitel in ihrem Leben aufschlagen wollen: Gehen Sie eine  Stunde spazieren, im eigenen Tempo, sieben Tage in die Woche. Dann steigern Sie Ihr Tempo oder die Entfernung. Ihr Gehirn wird es Ihnen danken.

VCÖ-Magazin: Gehen, Radfahren, Laufen  – welche Bewegungsart trainiert das Hirn am besten?

Manuela Macedonia:  Daten aus seriösen vergleichenden Studien zeigen, dass alles, was mit Fortbewegung zu tun hat, das Gehirn anregt - sprich Gehen, Walken, Laufen, Wandern, ist sehr gut, und ist nachweislich erprobt. Radfahren und Schwimmen haben aber auch eine positive Auswirkung.

VCÖ-Magazin: Das Gehirn baut ab dem 20. Lebensjahr an Gehirnmasse ab. Was kann ich dem entgegensetzen?

 Manuela Macedonia: Auch hier: Bewegung!  Sie regt, wie erwähnt die Neurogenese an. Wenn Neuronen altern und sterben, können sie durch neue Stammzellen, die vom Hypocampus generiert werden, ersetzt werden. Im Alter findet dieser Prozess nicht im gleichen Ausmaß wie in der Kindheit oder in der Jugend statt, aber es ist nachgewiesen, dass sowohl die grauen Zellen, also die Oberfläche des Gehirns, die Neuronen, als auch die weiße Substanz, das Innere des Gehirns über die Neurogenese repariert werden und dass diese Masse nachweislich weniger schnell abgebaut wird bei Menschen, die sich bewegen.

VCÖ-Magazin: Auch Übergewicht wirkt sich negativ auf das Gehirn aus – wie das?

 Manuela Macedonia:  Vereinfach gesagt, führt Fett im Körpergewebe zu kleinen Entzündungen des Gehirns. Die kleinen Entzündungen summieren sich Tag für Tag, Jahr für Jahr, und führen zu minimalen Beeinträchtigungen der kognitiven Funktionen. Und mit den Jahren sind diese minimalen Beeinträchtigungen auch in Summe spürbar. Wer betroffen ist, merkt das nicht. Man denkt vielleicht, im Lauf der Zeit ein bisschen vergesslich geworden zu sein. Die wenigsten Menschen bringen das in Zusammenhang mit Übergewicht.

Manuela Macedonia ist Neurowissenschaftlerin an der Universität Linz. Ihr aktuelles Buch: „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke! Wie wir schlauer werden, besser denken und uns vor Demenz schützen“, Brandstätter Verlag, 2018.

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