Mobilität trifft Immobilie

Sandgrubenweg in Bregenz: Durch gute Wohnbau- Planung den motorisierten Individualverkehr reduzieren.

Das Wohnumfeld hat sehr großen Einfluss auf unser Mobilitätsverhalten. Wer beim Wohnen Energie sparen will, plant die Mobilität mit. Wie das geht, zeigen viele Siegerprojekte aus 25 Jahren VCÖ-Mobilitätspreis.

>> von Doris Neubauer

Welchen Beitrag kann das Wohnen der Zukunft zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs leisten?“ Diese Frage stand schon im Jahr 2006 im Zentrum des Projekts „inkl Wohnen“, mit dem Rhomberg Bau GmbH beim VCÖ-Mobilitätspreis als Gewinnerin hervorging. Dabei wurden einerseits Komfort- und Energieverbrauch in Passiv- und Niedrigenergiehäusern untersucht, andererseits der „Wohnpark Sandgrubenweg“ in Bregenz umgesetzt. „Wir wollten eine Siedlung schaffen, die den dort Wohnenden Mehrwert und damit eine höhere Zufriedenheit mit ihrer Wohnsituation bietet“, erklärt Geschäftsführer Martin Summer. Mobilitätsalternativen, waren selbstverständlich. „Immobilität und Mobilität sind untrennbar. Es hat keinen Sinn, ein Passivhaus weitab von Zentren zu errichten und die beim Haus eingesparte Energie in der zusätzlich notwendigen Mobilität wieder zu verbrauchen.“ Nicht alles war erfolgreich: „Die Fahrradräume und Fahrradservicestation sind gut angekommen. Das Carsharing wurde aber mangels Nachfrage wieder eingestellt.“ 
Mobilitätslabor Seestadt Aspern: Einkaufstrolleys, Carsharing, Lastenräder, „mitwachsende“ Kinderräder, Fahrräder – vielfältig leihweise mobil.

Standortqualität: Wohnen mit Bahnanschluss 

Bereits durch adäquate Standortauswahl den Autoverkehr zu reduzieren, lautete das Ziel eines Sieger-Projekts des VCÖ-Mobilitätspreis 2010. In einem mehrstufigen, GIS-basierten Verfahren analysierte das Land Salzburg, welche freien Flächen nahe der Regionalbahnen als Wohnbauland geeignet wären. Zusätzlich wurde die Anbindung an die Nahversorgung untersucht. „Je näher diese Flächen zu den Einrichtungen lagen, desto höher war ihre standörtliche Qualität“, berichtet Johannes Lebesmühlbacher vom Land Salzburg. Durch die Analyse konnten nicht nur ausreichende Flächen für den Wohnbaubedarf der nächsten 20 Jahre geortet werden, sie wirkte für Gemeinden außerdem als „Katalysator, schneller auf dieses Potenzial zuzugreifen“, weiß Lebesmühlbacher.

Ähnliche Kriterien spielten im Jahr 2010 auch beim Gesamtsieger des VCÖ-Mobilitätspreises „Energieausweis für Siedlungen“ der Nieder-österreichischen Landesregierung eine Rolle. Aufgrund des neu eingeführten Energieausweises für Gebäude entstand die Idee, auch Entscheidungen wie Standortwahl oder Bebauungsform nach ihren energetischen Auswirkungen zu beurteilen. „Das Null-Energie-Haus am Waldesrand, ohne entsprechende infrastrukturelle Anbindung, darf energietechnisch nicht allein aufgrund seiner Wärmedurchgangs-Kennwerte als positiv beurteilt werden“, so Entwickler Hans Emrich, Emrich Consulting. „Für eine nachhaltige energetische Betrachtung sind Fragen nach den Distanzen zum sowie die Anbindung an den Öffentlichen Verkehr entscheidend.“ Mit dem Planungstool können Stand-orte in Energielevels eingestuft und so miteinander verglichen werden. Eine Möglichkeit, die über 50 Gemeinden nutzten und die mittlerweile als überarbeiteter Energieausweis 2.0. zur Verfügung steht. 

Bahn in Reichweite: „GIS-basiert wurden im Land Salzburg bahnnahe Flächen für den Wohnbaubedarf der nächsten 20 Jahre geortet“, erklärt Johannes Lebesmühlbacher.

Mobilität in neuen Stadtteilen

Auf energiesparende Mobilität wurde auch beim neuen Stadtteil „aspern. Die Seestadt“ im 22. Wiener Gemeindebezirk, mit rund 20.000 Menschen eines der größten urbanen Entwicklungsprojekte der Gegenwart, Wert gelegt. Schon für die ersten 6.000 Menschen, die im Jahr 2014 ihre Wohnungen bezogen, stand ein Mix an Mobilitätsmöglichkeiten zur Verfügung: So ist mit dem Raddepot eine sichere Radabstellanlage in Betrieb, über das Verleihsystem SeestadtFLOTTE können nicht nur Fahrräder, sondern – weltweit einmalig – auch E-Lastenräder ausgeliehen werden. Um das Einkaufen vor Ort zu fördern, stehen den Menschen, die hier wohnen, gratis Einkaufstrolleys zur Verfügung. Zusätzlich werden in Kürze ein Zustelldienst sowie ein Carsharing-
System starten und auch ein Bikesharing-System für „mitwachsende“ Kinderräder ist geplant, in dem sich hier wohnende Kinder immer ein Fahrrad in der richtigen Größe ausleihen können.

Mobilitätsfonds statt Garagen

Es soll nicht das letzte Mobilitäts-angebot bleiben: „Mit einem Wettbewerb haben wir auch die Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Ideen für eine nachhaltige Mobilität in der Seestadt einbezogen“, berichtet Lukas Lang, Projektmanager bei Wien 3420 Aspern Development AG von 71 Einreichungen. Finanziert werden die Mobilitätsangebote aus einem Fonds, der sich aus Einsparungen beim Garagenbau und Abgaben aus deren Betrieb speist. Ein Ansatz, der nicht nur beim VCÖ-Mobilitätspreis 2014 punktete, sondern auch als Best-Practice-Beispiel unter anderem ins Fachkonzept Mobilität in den Stadtentwicklungsplan Wien 2025 aufgenommen wurde.

>> Weitere vorbildliche Projekte: www.vcoe.at/projektdatenbank

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