Mobilitätswende: Unternehmen auf der Überholspur

Umweltverträglich, gesundheitsfördernd, mit Spaßfaktor und handfeste betriebswirtschaftliche Gründe – zahlreiche kleine und große Unternehmen haben die Vorteile von klimaverträglichem Transport bereits erkannt.

Der Botendienst „Veloce“ setzt genauso darauf wie der Wiener Essenszusteller „Rita bringt´s”. In Bremen verlässt sich „Der radelnde Installateur“ seit dem Jahr 2001 auf die trainierten Wadeln seiner Mitarbeitenden, um Sanitäranlagen und Heizkessel – sicher vom Großhandel verpackt – per Transportrad oder Dreirad mit Anhänger zu seinen Kundinnen und Kunden zu bringen. Das Austrian Institute of Technology (AIT) hat mit 14 Logistikpartnerunternehmen in der Wiener Seestadt Aspern einen „City Hub“ errichtet, von dem Pakete mit Elektro-Transportrad verteilt werden. Es zeigt sich: Viele Branchen setzen bereits auf Pedalkraft.

Essen auf Fahrrädern

Essen auf Fahrrädern: Mittlerweile beliefert der Samariterbund Wien mit elf Transporträdern täglich zwischen 330 und 350 Personen.

Um acht Uhr morgens ist Treffpunkt für die „Essen auf Räder“-Zustellung an den Stützpunkten des Samariterbundes Wien. In dreieinhalb Stunden wollen 1.200 Menschen in Wien mit Mahlzeiten versorgt sein. Seit Februar 2016 werden die Mahlzeiten auch per Transportrad zugestellt. „Die Zahl der Essensbestellungen hat stark zugenommen“, erklärt Geschäftsführer Oliver Löhlein. „Die zunehmende Zahl an geparkten Fahrzeugen hat dazu geführt, dass die Zustellung mit dem Auto besonders in den inneren Bezirken immer länger gedauert hat.“ Für den Samariterbund lag der Gedanke nah, mit Transporträdern effizienter zuzustellen und gleichzeitig CO2 einzusparen.

Mit dem Transportrad- Spezialisten „Heavy Pedals“ wurde ein Transportrad konzipiert, das 40 Essensportionen transportieren kann. „Die Investitionskosten sind überschaubar, außerdem gibt es vergleichsweise geringe Folgekosten“, machte sich der „Sprung ins kalte Wasser“ laut Löhlein bezahlt. „Wesentlich ist, dass wir nicht mehr im Stau stecken.“ Mittlerweile beliefert der Samariterbund mit elf Transporträdern täglich zwischen 330 und 350 Personen. „Ziel ist, dass wir kontinuierlich deren Einsatz erweitern“, meint Löhlein, „deshalb spielen wir immer wieder die Routenplanung durch und prüfen, welches Fahrzeug am effizientesten ist.“

Das Ausbaupotenzial der Radlogistik ist gewaltig, bestätigt eine Studie im Auftrag des deutschen Bundesverkehrsministeriums: 23 Prozent des Wirtschaftsverkehrs könnten auf das Fahrrad verlagert werden. In Großstädten wären es sogar über 50 Prozent. Warum Betriebe dennoch zögern, ist für Samariterbund Wien-Geschäftsführer Löhlein leicht erklärt: „Der Umweltgedanke ist das eine. Vielfach werden aber die wirtschaftlichen Faktoren, die dafür sprechen, außer Acht gelassen. Viele sehen es zu Unrecht als Spielerei.“

Jeder Betrieb braucht etwas anderes

Dass ein Umdenken notwendig ist, bestätigt auch Sabine Wolfsgruber, Geschäftsführerin des unabhängigen Vereins „umwelt service salzburg“, der Unternehmen zu Energie, Abfall, Ressourcen und Mobilität berät. Der Erstkontakt findet oft über eine allgemeine Beratung statt, bei der auch der Gesamtenergieverbrauch für Mobilität zur Sprache kommt. „Da reden wir nicht über CO2-Ausstoß“, erklärt Wolfsgruber, „sondern primär über die Kosten für das Unternehmen. Das hat einen Aha-Effekt, denn eine große Gruppe der Betriebe ist sich der Kostenwahrheit für Treibstoffe nicht bewusst.“ Wo genau das Einsparungspotenzial liegt, ergibt eine Analyse des Fuhrparks, von Dienstfahrten und Arbeitswegen. Die Kosten sind aber nicht immer die treibende Kraft: „Eine zweite Gruppe kommt zu uns, wenn sie der Schuh drückt“, erzählt Wolfsgruber, „wenn zum Beispiel bei Beginn des Schichtbetriebs um 5 Uhr morgens 100 Pkw den Standort verlassen und Anrainerinnen und Anrainer wegen Lärmbelästigung klagen.“ Eine weitere Gruppe sei technik-affin und möchte E-Fahrzeuge ausprobieren, andere wiederum wollen aktiv etwas für die Gesundheit ihrer Beschäftigten tun.

Bunt wie die Motive sehen auch die Mobilitätskonzepte aus, die die Beraterinnen und Berater des umwelt service salzburg betriebsspezifisch entwickeln. Während es dem Verein im ländlichen Raum Hallein etwa gelang, mehrere Unternehmen zusammenzubringen und den Öffentlichen Verkehr auf deren Schichtzeiten abzustimmen, erledigt die Salzburger Tischlerei Schwab heute innerstädtisch rund 80 Prozent der Fahrten zur Kundschaft mit einem Elektro-Auto, das mit Energie aus den eigenen Photovoltaikanlagen betrieben wird.

Begrenzter Parkraum macht mobil

Gemeinsam fahren, CO2 sparen: Die Infineon Technologies Austria AG in Villach unterstützt durch eine kostenlose Mitfahr-App und reservierte Parkplätze die Bildung von Fahrgemeinschaften.

Breit ist das Mobilitätsangebot der Infineon Technologies Austria AG für die mehr als 3.000 Beschäftigten am Hauptstandort Villach. Vor allem die bis zum Jahr 2020 geplante Erhöhung der Zahl der Beschäftigten – bei gleichbleibendem, begrenztem Parkraum – machte laut Finanzvorstand Oliver Heinrich ein „kluges und gelebtes Mobilitätsmanagement“ notwendig. Unter dem Motto „Green Way“ hat ein abteilungsübergreifendes Team seither neue Bushaltestellen und eine attraktive Busverbindung zur Stadt ermöglicht. Eine kostenlose Mitfahr-App und eigene Parkplätze fördern Fahrgemeinschaften. Hochwertige Fahrradabstellplätze sorgen dafür, dass bei gutem Wetter etwa 600 Personen mit dem Rad zur Arbeit kommen.

„Wir organisieren Sammelkäufe von E-Bikes und sind Partner bei Events zu Themen der nachhaltigen Mobilität“, ergänzt Heinrich das Gesamtkonzept, „wir bauen auch die Ladestationen für E-Autos aus.“ Heinrich ist überzeugt, so den Standort für potenzielle Beschäftigte attraktiver zu machen: „Angebot schafft Nachfrage. Aktivitäten greifen, sie müssen aber langfristig verfolgt und Akzente konsequent gesetzt werden. Letztlich macht es eine Kombination aus unterstützenden Maßnahmen und Bewusstseinsbildung des Unternehmens und der öffentlichen Hand aus“, fasst es Heinrich zusammen.

Von Doris Neubauer

Oliver Löhlein
Geschäftsführer
Samariterbund Wien

"Die Investitionskosten beim Umstieg auf Transporträder sind überschaubar, außerdem gibt es vergleichsweise geringe Folgekosten. Wesentlich ist, dass wir nicht mehr im Stau stecken."

Sabine Wolfsgruber
Geschäftsführerin
umwelt service salzburg

"Wir reden primär über die Kosten für das Unternehmen. Das hat einen Aha-Effekt. Viele Betriebe sind sich der Kosten für Treibstoffe nicht bewusst."

Oliver Heinrich
Finanzvorstand
Infineon Technologies Austria

"Mobilitätsangebot schafft Nachfrage. Aktivitäten greifen, sie müssen aber langfristig verfolgt und Akzente konsequent gesetzt werden."

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