Nachgefragt - Andreas Knie
„Die Anzahl der Autos könnte auf die Hälfte reduziert werden“

VCÖ-Magazin: Welche Rolle können automatisierte Fahrzeuge bei der Transformation des Mobilitätssystems spielen, vor allem in Hinblick auf Öffentlichen Verkehr?
Andreas Knie: Sie können eine strategische Rolle bei der Verkehrswende spielen, denn sie sind genau das, was wir schon immer gesucht haben. Ich spreche dabei von automatisiertem On-Demand-Verkehr mit Fahrzeugen für ein bis sieben Personen, also maximal Kleintransportern. Sie bestellen in einer App ein batterieelektrisches Auto, das Sie an ihrer Adresse abholt und an das gewünschte Ziel bringt, vorzugsweise einen Hub. Durch den Wegfall der Personalkosten, die heute 60 Prozent vom Gesamtaufwand ausmachen, können solche Dienste weit billiger werden als etwa Taxis. Darin sehen wir einen strategischen Vorteil, weil es dann ein Angebot gibt, das so bequem ist, wie es die Menschen gerne haben – und für das kein eigenes Auto mehr notwendig ist.
VCÖ-Magazin: Sind dabei nicht Rebound-Effekte zu erwarten? Also, dass Strecken mit dem automatisierten Fahrzeug statt mit dem Fahrrad oder im Öffentlichen Verkehr zurückgelegt werden?
Andreas Knie: Ja, aber die sind im Gesamtbild vernachlässigbar, die positiven Auswirkungen sind weit größer. Wir wissen aus Untersuchungen, dass Menschen, die die letzte Meile mit dem Rad fahren, aber wenn es kalt ist gerne eine andere Option hätten, sich über kurz oder lang wieder ein Auto kaufen. Die wären begeistert, wenn stattdessen ein automatisiertes Shuttle käme. Es geht aber nicht um einzelne, es geht um die große Zahl, darum, dass es nicht fünf-, sechs-, siebenhundert Autos pro 1.000 Personen gibt, sondern maximal die Hälfte. Das autonome Fahrzeug könnte die Anzahl der Autos in ländlichen Gebieten auf die Hälfte reduzieren.
VCÖ-Magazin: Wie sieht es mit größeren automatisierten Bussen aus?
Andreas Knie: Diese Fahrzeuge werden sicher kommen, Fahrerlosigkeit ist in diesem Bereich aber kein Game-Changer. Ob ein gut gefüllter Linienbus fahrerlos unterwegs ist oder nicht, macht bezüglich der Kosten keinen großen Unterschied aus – anders als bei den On-Demand-Angeboten für die erste und letzte Meile.
VCÖ-Magazin: Wie steht es um die Akzeptanz selbstfahrender Vehikel?
Andreas Knie: In Berlin testen wir seit dem Jahr 2017, machen genaue Untersuchungen der Akzeptanz und die ist durchwegs hoch. Das gilt nicht nur für städtische Gebiete, sondern auch für ländliche Regionen. Ein Problem ist, dass wir in Europa zu konservativ sind, zu wenig Trial-und-Error wagen. Wir blicken sehnsüchtig nach Kalifornien und China und werden dann wahrscheinlich gezwungen sein, die Fahrzeuge von dort zu kaufen.