Öfter über die eigenen Grenzen gehen

Ob Radfahren in Kopenhagen oder Superblocks in Barcelona – in vielen Ländern warten wegweisende Mobilitätsbeispiele auf Nachahmung.

Von Susanne Wolf

Autos spielen in Kopenhagen eine Nebenrolle: 43 Prozent der Arbeits- und Ausbildungswege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt. „Die Menschen in Kopenhagen fahren gerne mit dem Rad, weil es die weitaus effizienteste Möglichkeit der Fortbewegung in der Stadt ist“, sagt Klaus Bondam, früherer Bürgermeister für Technik und Umwelt und nun Geschäftsführer der dänischen Radfahrorganisation Dansk Cyklistforbund. Als Hauptgrund nennt Bondam den starken politischen Willen der letzten 15 Jahre, die Fahrradinfrastruktur in der Stadt auszubauen. Die Resultate dieses andauernden, zielorientierten Transformationsprozesses in Kopenhagen sind bemerkenswert. Weltweit bekannt sind etwa die „Super Cycle Highways“ für den Pendelverkehr aus dem Umland. Auch in der Stadt gibt es breite Radwege, oft mit Überholspuren, und eine „Grüne Welle“ für Radfahrende bei 20 Stundenkilometern. Fahrräder können gratis in der Bahn transportiert werden. „Dazu kommt ein landesweiter Fokus darauf, das Radfahren von Kindesbeinen an zu fördern“, so Bondam. Beispiele wie Kopenhagen zeigen, dass die Entwicklung gesellschaftlich etablierter Verkehrssysteme weder unbeeinflussbar noch unumkehrbar ist, wenn Mobilität als soziale Praxis verstanden wird und so unterschiedliche Bereiche wie das alltägliche Mobilitätsverhalten, Kultur, politisch gesetzte Rahmenbedingungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Fahrräder werden in Dänemark von allen sozialen Gruppen genutzt – sogar Kronprinz Frederik bringt seine Zwillinge im Transportrad zum Kindergarten.

Superblocks als fußwegfreundliche Zonen
Zonen Immer mehr Politikerinnen und Politiker erkennen, dass eine Verkehrswende in den Städten eine Chance für eine CO2-freie Zukunft ist. In Barcelona wurde in den vergangenen Jahren der Autoverkehr schrittweise reduziert. Die katalanische Stadt hat mit den sogenannten Superblocks einen ambitionierten Plan umgesetzt: Straßenblöcke aus etwa neunmal neun Straßen wurden zu fußwegfreundlichen Zonen umfunktioniert. Innerhalb der Zonen sind keine Autos erlaubt, einzige Ausnahme bilden Bewohnerinnen und Bewohner und Lieferverkehr, die allerdings höchstens zehn Stundenkilometer fahren dürfen. Die Grenzen der Superblocks sind Durchfahrtsstraßen, auf denen der Autoverkehr verläuft. Ein ausgeklügeltes System von Einbahnstraßen verhindert, dass die Straßen innerhalb dieser Zonen zur Durchfahrt genutzt werden. „Wir wollten in Barcelona den öffentlichen Raum den Menschen zurückgeben. Das ist nur möglich, indem wir den Mobilitätsplan der Stadt drastisch verändern“, erklärt Salvador Rueda, von BCNecologia, der Behörde für urbane Ökologie in Barcelona, in einem Interview mit dem britischen „Guardian“.

Öffentlicher Verkehr für alle
Die Schweiz ist bekannt für den konsequenten Ausbau der Bahn. Im Zuge des Projektes „Bahn 2000“ wurde seit den 1980er-Jahren ein Bahntaktsystem umgesetzt und das Angebot laufend verbessert. An wichtigen Knotenpunkten warten die Züge aufeinander – dadurch entfallen lange Wartezeiten beim Umsteigen. Die Investitionen der vergangenen Jahre bringen langfristig auf vielen Strecken einen Halbstundentakt bei den Zugverbindungen, in städtischen Gebieten sogar einen Viertelstundentakt. Die Basis dafür ist eine optimierte Bahninfrastruktur, die längere Züge, mehr Doppelstockwagen sowie häufigere Verbindungen ermöglicht. Rund zwei Drittel aller Verkehrsausgaben investiert der Bund in den Öffentlichen Verkehr – und die Schweizer  Bevölkerung hat die nachhaltige Verkehrspolitik des Landes in mehreren Volksabstimmungen bestätigt. Im Jahr 2014 wurde mit 62 Prozent der Stimmen ein Gesetzespaket für die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI) angenommen, das für den Ausbauschritt 2025 rund 6,4 Milliarden Franken und den Ausbauschritt 2035 rund 11,5 Milliarden Franken bereitstellt. „Neben dem Geld für den Bahnausbau, der sowohl kantonale Interessen berücksichtigt, als auch nationale Nadelöhre beseitigt, ist das große Plus im Öffentlichen Verkehr in der Schweiz, dass praktisch alle Bahnen, Busse, Stadtverkehre, auch Seilbahnen und Schiffe, rund 250 Verkehrsunternehmen, im Generalabonnement tariflich zusammengefasst sind, von dem jährlich rund 500.000 Stück verkauft werden. Die günstige Familienformel beim Generalabo macht es auch für Familien sehr attraktiv, Bus und Bahn zu nutzen“, bringt es Sabine Krähenbühl von ch-direkt, der nationalen Tariforganisation der Schweiz, auf den Punkt.

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