Richtig packend – Aufbruch zu neuen Geschäftsmodellen
Das Potenzial von Transportfahrrädern als umweltverträglicher Wirtschaftsverkehr ist groß, die Anwendungsbereiche sind vielfältig, wie die Europäische Fahrradlogistik-Konferenz in Wien am 20. und 21. März 2017 zeigen wird.
Europäische Fahrradlogistik-Konferenz in Wien
Die Konferenz wird von der European Cycle Logistics Federation (ECLF) und dem Cycle Logistics-Projekt veranstaltet und durch die Stadt Wien und das klimaaktiv mobil-Programm des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich unterstützt. Hier wird durch internationale Fachleute aus der Logistik- und Transportbranche sowie aus Politik und Forschung das weltweit wachsende Know-how zum Transportfahrrad-Einsatz für die alltäglichen wirtschaftlichen Anforderungen gebündelt und in Vorträgen und Workshops vorgestellt.
Transportkultur im Wandel
Mit bis zu 25 Prozent erheben zwei Studien – die eine vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für das deutsche Verkehrsministerium, die andere im Rahmen des von der EU geförderten Projekts Cycle Logistics erstellt – das theoretische Substitutionspotenzial des Fahrradeinsatzes im Wirtschaftsverkehr. Werden die privaten Transportfahrten mit einbezogen, kommt die Cycle Logistics-Studie auf etwa 50 Prozent der Transporte, die auch mit einem Fahrrad, einem Rad-anhänger oder einem Transportfahrrad getätigt werden könnten. Theoretisch, denn sie berücksichtigt keine weiteren Faktoren, die das Potenzial in der Praxis reduzieren, wie etwa eine negative Einstellung gegenüber dem Radfahren, das Fehlen von Radfahrinfrastrukturen, die Witterung etc. Aber auch nicht das durch stetig verbesserte E-Antriebe zunehmende Potenzial.
In den Schweizer Städten Bern, Basel, St. Gallen und Vevey bietet das E-Cargobike-Sharing-Angebot „carvelo2go“ Privathaushalten die Möglichkeit, bei Bedarf ein Transportfahrrad auszuleihen. Im Wiener Stadt-erweiterungsgebiet Seestadt Aspern wurde als Teil der umweltfreundlichen Mobilitätsangebote ein Lastenrad-Verleih von Anfang an mitgeplant – auch für die privaten Mobilitätsbedürfnisse finden Transportfahrräder immer weitere Verbreitung. Hier eröffnen Sharing-Angebote mittlerweile in vielen Städten Möglichkeiten, Transporte größerer Güter und Einkäufe ohne Auto kostengünstig zu lösen, ohne gleich selber ein Transportfahrrad oder einen Fahrradanhänger kaufen und unterbringen zu müssen.
Förderungen sind Anstoß für Kauf von Transportfahrrädern
Graz, Linz, Salzburg, Basel, München Bologna – immer mehr Städte schaffen durch Förderungen finanzielle Anreize zur Anschaffung von Transportfahrrädern und helfen so, die Anfangsinvestition zu senken. Seit März 2017 fördert auch Wien den Kauf von Transportfahrrädern mit bis zu 800 Euro, Elektro-Cargo-Bikes mit bis zu 1.000 Euro.
Unter den Betrieben, die Transportfahrräder einsetzen, gibt es viele Start-Ups, für die das Transportfahrrad integrativer Bestandteil der Geschäftsidee ist, etwa beim Bio-Catering von -„Rita bringt‘s“ in Wien: „Für mich sind die Transportfahrräder Teil unseres nachhaltigen Unternehmenskonzepts – nachhaltig, bio, vegetarisch. An Grenzen stoßen wir nur bei weiten Distanzen, etwa wenn wir außerhalb Wiens liefern, bei mehrtägigen Veranstaltungen und großen Menschenmengen über 150 Personen. 98 Prozent der Aufträge liefern wir mit unseren Transportfahrrädern. Diese haben viele Vorteile, etwa auch in Stoßzeiten, weil sie wendiger sind, Radwege, für Fahrräder geöffnete Einbahnen und Schleichwege besser nützen können“, fasst Rita Huber ihre Praxiserfahrung zusammen.
Ausprobieren ermöglichen
Ein anderer Ansatz, das Potenzial von Transportfahrrädern stärker auszuschöpfen, ermöglicht Unternehmen, das unbekannte Wesen Transportfahrrad ohne finanzielles Risiko zu testen. Beim Pilotprojekt „Mir sattlä um!“ konnten in Bern in der Schweiz neun kleinere und mittelgroße Unternehmen von Juni bis November 2016 kostenlos den Einsatz von Elektro-Cargo-Bikes für ihre betrieblichen Logistikprozesse testen. Mit dabei waren so unterschiedliche Betriebe wie Bäckerei, Brauerei, Gastronomie, Hauswartdienst, Siruperie, Werbemittelerzeugung, Kindertagesstätte und Elektroinstallation.
Als stärkstes Motiv neben einem erwarteten Zeitgewinn durch direktere Routenführung und den Wegfall der Parkplatzsuche wurde der Image-gewinn als ökologisch verantwortungsbewusstes Unternehmen genannt, was sich auch durch zahlreiche positive Reaktionen auf der Straße und bei Kundinnen und Kunden bestätigte. Auch der erwartete Beitrag zum Klimaschutz trat ein: 77 Prozent der Fahrten, die vorher mit -Autos, Lieferwagen oder motorisierten Zweirädern erledigt wurden, konnten auf das Elektro-Cargo-Bike verlagert werden. Nach der Testphase waren einige der Betriebe von den Elektro-Cargo-Bikes so überzeugt, dass sie das Fahrzeug zu einem vergünstigten Preis von der Stadt Bern übernahmen. Ermutigt durch die positiven Erfahrungen wird das Projekt ab Frühling 2017 mit neuen Betrieben fortgesetzt.
>> „Europäischer Fahrradlogistik-Kongress“ 20. und 21. März 2017 in Wien
>> Cyclelogistics Final Public Report – Baseline-Study, 2016
>> Untersuchung des Einsatzes von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr
>> „Mir sattlä um! eCargobikes im Berner Wirtschaftsverkehr. Abschlussbericht“, Amt für Umweltschutz der Stadt Bern, 2017, 30 Seiten, www.bern.ch/mediencenter (Suche: „Abschlussbericht Mir sattlä um!“)
>> Zum Autor: Christian Höller, Redakteur des VCÖ-Magazines, schreibt als freier Journalist vor allem zu den Themen Mobilität und Trinkwasser.
Rita Huber
„Für mich sind die Transportfahrräder Teil unseres Unternehmenskonzepts – nachhaltig, bio, vegetarisch.“
Essenszustellung Rita bringt's www.ritabringts.at
Pilotprojekt in Bern
Neun kleinere Unternehmen – darunter eine Bäckerei, eine Kindertagesstätte und ein Elektro-Installationsbetrieb – testeten sechs Monate kostenlos den Einsatz von Elektro-Cargo-Bikes.