Sithara Pathirana - direkt gefragt

Es gibt eine spürbare Dringlichkeit für eine gesellschaftliche Transformation

Porträtfoto Sithara Pathirana

Sithara Pathirana ist Projekt- und Kulturmanagerin sowie Co-Leiterin der Klima Biennale Wien, die vom 5. April bis 14. Juli 2024 das erste Mal stattfindet. https://biennale.wien

VCÖ-Magazin: Warum bekommt Österreich eine Klima Biennale?

Sithara Pathirana: Es gibt eine spürbare Dringlichkeit für eine gesellschaftliche Transformation. Mit der Kraft der Kunst möchte die Klima Biennale Wien möglichst viele Menschen erreichen und für die Klimakrise sensibilisieren. In einem breiten Bündnis gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft wollen wir mit dem Festival neue Wege der Partizipation und Bewusstseinsbildung erkunden.

VCÖ-Magazin: Warum sind Partizipation, globale Vernetzung und Kooperation beim Thema Klimawandel wichtig?

Sithara Pathirana: Ganz einfach: Eine gesellschaftliche Transformation, die das langfristige Wohlergehen aller steigert, kann nur durch Partizipation, Vernetzung und Kooperation geschehen. Eine gute Zukunft für alle ist nur durch gemeinschaftliches Engagement möglich.

VCÖ-Magazin: Welche künstlerischen Perspektiven für eine nachhaltig lebenswertere Zukunft zeigt die Klima Biennale Wien auf?

Sithara Pathirana: Wir wollen einen Diskurs anstoßen, abseits von Katastrophenbildern und Verzichtsvorstellungen. Die Klimakrise ist real, die Veränderung unserer Lebenswelt unumgänglich. Aber wie können wir über eine Zukunft sprechen, die es so noch nicht gibt? Wie kann ein gutes Leben für alle aussehen und was braucht es dafür? Die künstlerischen Projekte der Klima Biennale drehen sich genau um diese Fragestellungen.

VCÖ-Magazin: Wie sieht das in der konkreten Umsetzung aus?

Sithara Pathirana: Zwei Beispiele: Die Schau „Design with A Purpose“ vereint Beispiele verantwortungsvoller und zukunftsweisender Gestaltung – von der strategischen Beratung hin zum Handwerk, den Produkten, dem Lebens-mittelbereich bis hin zu Social Design. Über diese Projekte aus der österreichischen Designlandschaft sucht die Ausstellung nach Perspektiven für eine besser gestaltete Zukunft. Oder als „Mobile Zukunftsschule“ erarbeiten wir prototypisch gemeinsame Strategien zur Umkehrung der vorherrschenden linearen Denk- und Handlungsweise in eine zirkuläre. In alltagspraktischen Workshops werden Ankerpraktiken für den sozialen, ökologischen und ökonomischen Wandel erprobt.

VCÖ-Magazin: Wo ist in unserem Zugang zu unserer Umwelt radikales Umdenken nötig?

Sithara Pathirana: Wir müssen weg von einer linearen, leistungsorientierten Gesellschaft hin zu einer zirkulären, gemeinwohlorientierten Welt. Und damit meine ich auch das radikale Umdenken unseres Verständnisses von „Umwelt“ hin zu einer „Mitwelt“. Wir Menschen sehen uns als Mittelpunkt von allem, dabei sind auch wir nur ein kleiner Teil des ganzen Systems. Und damit dieses System lange und gut für Mensch und Natur „funktionieren“ kann, müssen wir weg von einer zentristischen Haltung kommen. Alles ist von allem abhängig, wir sind aufeinander angewiesen. Daher sind Wertschätzung und Achtsamkeit auf allen Ebenen Grundvoraussetzung für ein gutes Leben für alle. Das kapitalistische System, in dem wir uns heute bewegen und agieren, ist nicht auf Fürsorge aufgebaut und ausgelegt. Hier gilt es einen neuen Zugang zu finden und neue Perspektiven zu schaffen.

VCÖ-Magazin: Spielt auch klimaverträgliche Mobilität eine Rolle?

Sithara Pathirana: Klimaverträgliche Mobilität spielt sowohl in Hinsicht auf die Reisetätigkeit als auch in den Produktionsprozessen eine große Rolle. Von uns geladene Personen werden etwa dazu angehalten, vor allem innereuropäische Strecken mit der Bahn statt mit dem Flugzeug zurückzulegen. Aber auch abseits von Personenbeförderung sind wir bemüht, unseren Abdruck möglichst klein zu halten, indem wir zum Beispiel nach Möglichkeit bei Kunsttransporten von Direktfahrten absehen und versuchen, über Sammeltransporte Synergien zu schaffen. Für das Ausstellungsprojekt „Songs for the Changing Seasons“ haben wir deshalb keine Kunstwerke in die Auswahl genommen, die einen aufwändigen Überseetransport per Flugzeug bedingt hätten, sondern auf Arbeiten fokussiert, die sich bereits in Europa befinden. Das erfordert viel Planung und Flexibilität und vor allem auch viel Verständnis und Kooperation von allen Beteiligten. Wir sind ständig dran, unser Mobilitätsverhalten kritisch zu hinterfragen und auf der Suche nach Optimierungspotenzial.

VCÖ-Magazin: Wir nehmen an, Sie fahren selbst viel Bahn? Welche Erfahrungen haben Sie mit Bahnfahrten durch Europa gemacht?

Sithara Pathirana: Ich fahre sehr viel Bahn. Als ich bei der Klima Biennale Wien angefangen habe, bin ich das erste halbe Jahr mit dem Zug zwischen Hamburg, meinem damaligen Wohnort, und Wien gependelt. Meistens mit dem Nachtzug. Ich habe gute, aber auch schlechte Erfahrungen gemacht. Aber ich finde, es lohnt sich trotzdem immer wieder in den Zug zu steigen. Zum Arbeiten oder zum Entspannen. Das ist für mich der größte Vorteil, ich bewege mich nicht nur physisch fort, sondern kann die Zeit auch gut nützen. Einfach Musik in die Ohren und den Panoramablick nach draußen schweifen lassen, da lässt es sich gut träumen oder nachdenken.

VCÖ-Magazin: Was wünschen Sie sich für den Bahnverkehr der Zukunft?

Sithara Pathirana: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass sich wirklich jede und jeder Bahnfahren leisten kann. Es sollte keine Option sein, mit dem Auto oder Flieger günstiger wohin zu kommen als mit der Bahn. Wir müssen Bahnverkehr viel, viel attraktiver für die Masse machen. Das heißt auch, dass viel mehr in die Bahn investiert werden muss: Ausbau des Schienen-netzes, gut bezahlte Jobs bei der Bahn (nicht nur auf Vorstandsebene), schnellere und moderne Züge und ganz wichtig: eine häufigere Taktung. Das Innenleben der Waggons könnte kreativ umgestaltet werden: Rückzugsorte für Arbeitende, Schlafräume für Müde, mehr Platz und Komfort für Familien mit Kindern und ältere Personen – alles in einem Zug. Im Bahnverkehr liegt die Zukunft und es gibt viele großartige Ideen da draußen, wie Zugfahren noch besser gestalten werden kann.

Das Gespräch führten Petra Sturm und Bernhard Hachleitner.

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