Städtisch – elektrisch – gut?
Im urbanen Bereich ist Elektro-Mobilität längst etabliert. Das Zukunftspotenzial liegt hier allerdings noch im Bereich Elektro-Bus – ob selbstfahrend oder mit Fahrerin oder Fahrer – sowie in der Verknüpfung mit Angeboten für die erste und letzte Meile
>> von Ursula Jungmeier-Scholz
Innerstädtischer Öffentlicher Verkehr und Elektro-Mobilität gehen schon seit Jahrzehnten Hand in Hand: S-Bahnen, U-Bahnen, Straßenbahnen und O-Busse gehören zum Alltag. Ihre Nachhaltigkeit wird durch erneuer-baren Strom verstärkt, automatisch fahrende Modelle eröffnen neue Möglichkeiten. Ein vollelektrischer Öffentlicher Verkehr in der Stadt ist ein ganz wesentlicher Beitrag zur Dekarbonisierung. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, gibt es verstärkt Bemühungen, durch batteriebetriebene Elektro-Busse den ohne Schienen und Oberleitung fahrenden Teil des Öffentlichen Verkehrs umzurüsten.
Bus tankt über Oberleitung
In Wien wurden vor vier Jahren die Linien 2A und 3A auf mittelgroße Elektro-Busse umgestellt – das sind vorerst nur rund 4,5 Kilometer des 870 Kilometer langen Liniennetzes. „Im Jahr kommen da aber doch viele Tausend Kilometer zusammen“, betont Günter Steinbauer, Geschäftsführer der Wiener Linien. Derzeit werden Angebote für 12-Meter-Normalbusse eingeholt. Die zunehmende Elektrifizierung der Bus-Flotte ist erklärtes Ziel. Einzigartig ist das Wiener Betriebssystem der Elektro-Bus-Ladung über die Oberleitung der Straßenbahn. Dabei steht der Bus an den Endhaltestellen unter zwei stromführenden Schienen, fährt seinen Strom-abnehmer hoch – ähnlich wie bei der Straßenbahn, nur zweigeteilt – und tankt dort den Strom für die gesamte Strecke. Zahlreiche Städte und Verkehrsunternehmen haben sich bereits nach diesem Konzept erkundigt. „Insgesamt – auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit – sind wir sehr zufrieden“, resümiert Steinbauer.
In Graz, wo derzeit rund 28 Prozent der Wagenkilometer per Straßenbahn elektrisch gefahren werden, nehmen im Herbst die ersten vier Elektro-Busse auf zwei Linien ihren Betrieb auf: zwei 18 Meter lange Gelenkbusse aus China und zwei 12-Meter-Busse, Produkt einer israelisch-bulgarisch-chinesischen Kooperation, wie sie schon durch Sofia fahren. Ein Jahr lang sollen sie getestet werden. Geladen werden die Elektro-Busse jeweils an der Endhaltestelle drei bis vier Minuten lang und an einer Haltestelle dazwischen 30 Sekunden lang – für eine Strecke von fünf Kilometern. Auch in Vorarlberg sowie in und um Innsbruck wurde bereits ein Elektro-Bus getestet – mit positiver Resonanz.
80 Prozent weniger Treibhausgase durch Elektro-Bus
Weniger Emissionen vor Ort und wesentlich weniger Lärm: Damit punkten Elektro-Busse. Ihr „ökologischer Reifenabdruck“ korreliert mit dem Energieträger, aus dem der Strom gewonnen wird. „Beim Einsatz von Erdgas ist die Treibhausgasbilanz gleich wie beim modernen konventionellen Bus, wird Kohle verbrannt, ist sie schlechter. Mit allen erneuerbaren Energieträgern bringt der Elek-tro-Bus Verbesserungen, wenn dafür zusätzlicher Ökostrom gewonnen wird“, erklärt Gerfried Jungmeier von Joan-neum Research, Leiter der Arbeitsgruppe „Battery Electric Busses“ der Internationalen Energieagentur. „Unter dieser Voraussetzung sind über den gesamten Lebenszyklus Treibhausgas-Einsparungen von mehr als 80 Prozent möglich.“
Was den Umstieg von Dieselbussen auf Elektro-Busse bremst, ist aber nicht nur die Tatsache, dass Busflotten nur alle zehn bis zwölf Jahre erneuert werden. „Ein Kilometer mit batterie-elektrischem Bus kostet rund ein Drittel mehr als einer mit Dieselbus“, quantifiziert Jungmeier. Finanziell ins Gewicht fällt dabei vor allem die Investition in die Busse und die Lade-infrastruktur: Ladepunkte mit hoher Leistung, Gleichrichter, Transforma-toren und die Sicherheitstechnik.
Neben dem Newcomer Elektro-Bus setzen die Städte weiterhin auf Verbesserungen bei bewährten elektrischen Verkehrsmitteln. Salzburg mit seiner Lokalbahn, Graz baut das Straßenbahnnetz aus und die O-Bus-Städte Linz und Salzburg modernisieren die Flotte. So gingen in Salzburg Anfang Juli 2016 zehn moderne O-Busse in Betrieb, die kurze Strecken auch ohne Oberleitung elektrisch überbrücken können. In Linz kommen ab dem Jahr 2017 sukzessive 20 neue derartige O-Busse zum Einsatz.
Multimodale Mobilitätsknotenpunkte mit E-Carsharing
Bleiben noch die erste und letzte Meile, die Strecke zur und von der Haltestelle: Hier liegt möglicherweise die Zukunft fahrerloser elektrischer (Klein-)Fahrzeuge, wie sie als Flughafen-Shuttle in Amsterdam, im niederländischen Wageningen und im Schweizer Sitten schon getestet werden. Die französische Firma Navya beispielsweise produziert sie seit Ende des Jahres 2015 schon in Kleinserie.
In verschiedenen Orten werden an ausgewählten Knotenpunkten auch Elektro-Taxis, Elektro-Carsharing und Leih-Elektro-Bikes angeboten. So wird in Graz mit dem neu gestalteten Hasnerplatz Ende September 2016 der erste von fünf geplanten „Multimodalen Knoten“ eröffnet. Zwei Elektro-Carsharing-Autos samt Ladestation, Elektro-Taxis und viel Radabstellplatz erwarten dann die Umsteigenden.
Gerfried Jungmeier, Joanneum Research, Leiter der Arbeitsgruppe „Battery Electric Busses“ der Internationalen Energieagentur: „Unter der Voraussetzung, dass Ökostrom verwendet wird, sind bei Verwendung von Elektro-Bussen über den gesamten Lebenszyklus Treibhausgas-Einsparungen von mehr als 80 Prozent möglich.“