Transport per Rad

„Bis zu 23 Prozent der Transporte aufs Rad verlagern“

Barbara Lenz ist Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Über die verschiedenen Formen der gewerblichen Nutzung von Transportfahrrädern, die Ausschöpfung ihres Potenzials im Wirtschaftsverkehr der Städte und die Rolle der Kommunen dabei sprach das VCÖ-Magazin mit Barbara Lenz vom DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt).

VCÖ-Magazin: Was waren für Sie die überraschendsten, die spannendsten Ergebnisse der DLR-Studie zum Einsatz von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr?

Lenz: Das Spannendste für uns, aber sicher auch für jene, die Transportfahrräder anwenden oder herstellen, sind deren Potenziale vor allem in den Städten. Auf Basis einer systematischen Analyse haben wir diese Potenziale in verschiedenen Szenarien berechnet und uns dabei ausschließlich auf die gewerbliche Nutzung der Transportfahrräder bezogen. Dabei zeigt sich, dass bereits unter konservativen Annahmen etwa acht Prozent der analysierten Fahrten und ein Prozent der damit verbundenen Fahrleistung im Wirtschaftsverkehr erschlossen werden können.

Hinsichtlich des Maximalpotenzials gehen wir von 23 Prozent der Fahrten und vier Prozent der Fahrleistung im untersuchten Wirtschaftsverkehr aus. Damit erhalten beispielsweise Kommunen einen wichtigen Anhaltspunkt für die Benennung längerfristiger Zielvorgaben im Rahmen nachhaltiger Verkehrsplanung. Und was wir auch bemerkenswert finden: Vielen Unternehmen ist die Eignung von Transportfahrrädern für ihre Aufgaben gar nicht bewusst.

VCÖ-Magazin: Wo sehen Sie das größte Potenzial für den Einsatz von Transportfahrrädern?

Lenz: Unsere Analysen machen deutlich, dass es klassische Einsatzgebiete gibt, in denen das Fahrrad für Transporte schon seit längerem umfangreich genutzt wird und wo kaum mit weiteren nennenswerten Steigerungen gerechnet werden kann – das sind in Deutschland Briefzustellung und Werkverkehre. Demgegenüber bietet beispielsweise das Marktsegment „Lieferservice“ große Wachstumspotenziale. Wir beobachten ein rasch wachsendes Angebot für die Heimzustellung, vor allem durch expandierende Start-Ups für Speisenbelieferung (wie in Wien der vegetarische Lieferservice -„Rita bringt‘s“), oder auch durch selbst organisierte Heimlieferdienste von Einzelhandel-Kooperationen oder von großen Supermärkten. Auch bei den Kurierdiensten sehen wir weitere Wachstumspotenziale. Unsere Einschätzungen beruhen dabei auf einer Bestandsanalyse, in der wir vielfältige Nutzungsformen für Transportfahrräder identifiziert und in sechs typische Marktsegmente des Fahrrad-Wirtschaftsverkehrs eingeteilt haben: Post-, Kurier-, Paketdienstleistung, Lieferservice, Werkverkehr und Personenwirtschaftsverkehr, also den Transport von Arbeitsgerät und Materialien.

VCÖ-Magazin: Welche Rahmenbedingungen braucht es, um das vorhandene Potenzial von Transportfahrrädern bestmöglich zu nützen und auszuschöpfen?

Lenz: Bund, Bundesländer und Kommunen haben vielfältige Möglichkeiten, den Fahrrad-Wirtschaftsverkehr zu fördern und damit die verkehrs-bedingten Belastungen von Innenstädten zu senken. Den Kommunen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. An vielen Stellen gelang es der Forschung zu zeigen, dass zahlreiche Probleme für Transportfahrräder im Straßenverkehr in Zukunft gemildert oder gar vermieden werden könnten, wenn die Kommunen den Fahrrad-Wirtschaftsverkehr in ihre Pläne und Programme einbetten – dafür stehen vielfältige Mittel zur Verfügung. Möglichkeiten sind die Unterstützung von innovativen Distributionskonzepten und Transportrad-Verleihprogrammen, die Nutzung von Transportfahrrädern im kommunalen Betrieb oder neue Regelungen der Zufahrtsberechtigungen in Innenstädten. In Österreich fördern einzelne Bundesländer und Kommunen gewerblich genutzte Transportfahrräder mithilfe eines Investitionszuschusses.

>> Literatur:

„Untersuchung des Einsatzes von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr“ (WIV-RAD) Gruber J. und Rudolph C. (2016). Studie des DLR, Schlussbericht an das deutsche Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur -(BMVI). Download:
www.bmvi.de/StudieLastenraeder

 

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