Urbane Logistik: Entlastung der Stadt

Die Städte leiden besonders an den zunehmenden Hitzetagen als Auswirkung der Klimakrise. Kühlendes Wasser und Stadtgrün konkurrieren auf, unter und über der Erde um den engen urbanen Raum, vor allem mit dem zu viel Platz beanspruchenden Kfz-Verkehr.

Von Martin Posset

Die Anforderungen an den urbanen Güterverkehr sind gegensätzlich – ständige Verfügbarkeit von Gütern versus wenig Güterverkehrsaufkommen, keine Transporte in den Wohngegenden versus Versorgung im unmittelbaren Wohnungsumfeld, schnell zugestellte Onlinebestellungen versus Paketwagen, die in zweiter Spur parken. Die unterschiedlichen Interessen der zentralen Akteure in Politik, Stadtverwaltung, Wirtschaft, Logistikunternehmen und der Bürgerinnen und Bürger erschweren die Lösungsfindung.

Unterschiedliche Interessen im Widerstreit

Drei Haupthandlungsfelder lassen sich identifizieren. Logistikinfrastruktur muss grundlegender Bestandteil der Immobilienentwicklung werden, orientiert an der Bevölkerungsdichte, um die städtische Versorgung langfristig zu sichern. Es braucht eine nachhaltige Organisation der Lieferungen, wie frei zugängliche und betreiberunabhängige Konsolidierungscenter und Hubs in Kombination mit umweltverträglichen Fahrzeugen wie Transportfahrräder und E-Fahrzeuge für die letzte Meile. Ergänzt durch Auflagen für die Zufahrt in die Stadtzentren, kann das beitragen, das Verkehrsaufkommen und damit verbundenen Lärm, Abgase und Flächenbelegung zu minimieren. Wichtig ist auch eine intelligente Verkehrsflusssteuerung, die den Güterverkehr über den Tagesverlauf und auf unterschiedliche Routen aufteilt und nach Gebieten und nicht Zustellunternehmen bün delt und damit die Hauptverkehrsverbindungen entlastet. Damit diese Themen aktiv angegangen werden, braucht es Rahmenbedingungen, die von der öffentlichen Hand getragen sind, ist Horst Manner-Romberg von der MRU GmbH, einer auf Kurier-, Express-, Paket- und Postdienste spezialisierten Unternehmensberatung überzeugt: „Städte müssen akzeptieren, dass die Schaffung nachhaltiger Rahmenbedingungen für die urbane Logistik eine öffentliche Aufgabe ist. So wie auch die Vorgaben für andere Versorgungsunternehmen, etwa für Wasser, Elektrizität oder Öffentlichen Verkehr.“

Bündelung der Zustellung als Lösung

In Hamburg gibt es im City Center Bergedorf, einem Einkaufszentrum, den ersten gemeinsamen Multi-Label- Paketshop. Hier können Kundinnen und Kunden ihre Pakete von vier großen Lieferdiensten an einem Ort abholen und aufgeben. Vom neuen Service profitiert auch das Einkaufscenter, denn pro Tag kommen 150 Kundinnen und Kunden nur wegen des Paketshops in das Center, die Hälfte davon war davor noch nie dort und wäre ohne den Shop niemals dorthin gekommen. In Wien startete im März 2019 „Hubert“, der Micro-Hub des Hafen Wien. Der neue Lieferdienst organisiert die Bündelung von Paketzustellung zu B2B-Empfängern, wie Bürogebäuden und Einkaufszentren in der Innenstadt Wiens. Transportiert werden Pakete bis zu 30 Kilogramm. Für größere Unternehmen werden auch Pakete in Büros gebündelt zugestellt. Die Zustellung erfolgt ressourcenschonend, indem die Anzahl an Fahrten reduziert wird, vorhandene Elektro-Fahrzeuge eingesetzt, bestehende Infrastrukturen genutzt und gebündelt werden, um die Anzahl an Fahrzeugen in der Stadt zu reduzieren. Die auftraggebenden Unternehmen können individuell Zustelltage und Zustellzeiten wählen. Zusätzlich wird das Verpackungsmaterial von Hubert mitgenommen. In der ostchinesischen Stadt Hangzhou und in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, wurde im Jahr 2018 das City Brain 2.0 zur verbesserten Verkehrssteuerung eingeführt. Mittels künstlicher Intelligenz werden Informationen von Kreuzungskameras und GPS-Daten von Autos und Bussen analysiert und mehr als 1.000 Straßensignale in der Stadt koordiniert. Die Plattform analysiert die Informationen in Echtzeit und verbessert durch die Signalsteuerung den Verkehrsfluss und so auch den Zustellverkehr in der Stadt. Hangzhou konnte sich dadurch in der Listung der am meisten verkehrsüberlasteten Städte in China um 83 Plätze verbessern. Die Stadt als Testumgebung in Kombination mit dem Know-how und Potenzial der Stadtverwaltung stellt ein unterschätztes Innovationspotenzial dar. „Städte müssen direkter sagen, was sie wollen, wenn es um Gütertransport geht, und, noch wichtiger, was sie in ihrer Stadt weder sehen noch atmen wollen. Sie sollten, statt neue City-Logistik-Initiativen zu subventionieren, Zeit und Geld besser dafür aufwenden, eine nachhaltige Stadtlogistik-Politik zu entwickeln“, meint Birgit Hendriks von Eco2city, einer NGO, die Smart City Freight- Hubs in Europa berät.

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Foto: Übergabe eines Leih-Lastenrades vom Verleiher an eine Frau

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Die Mariahilfer Straße in Wien wurde in den Jahren 2013 bis 2015 zu einer Flaniermeile mit Fußgängerzone und Begegnungszone umgebaut.

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Foto: Begegnungszone Mariahilferstraße in Wien