VCÖ-Factsheet: Freizeitverkehr in Österreich nimmt zu

Flexiblere Arbeitszeiten, eine steigende Anzahl von aktiven älteren Menschen und eine große Auswahl an Freizeitangeboten führen zur Zunahme des Freizeitverkehrs. Für das Ziel eines erdölfreien Verkehrs ist die Freizeitmobilität eine besondere Herausforderung.  

VCÖ-Factsheet 2016-03 als PDF (1198KB)

Rund ein Drittel unserer Mobilität dient dem Erreichen von Freizeitzielen. Während sich vor einigen Jahrzehnten der Freizeitverkehr vor allem auf den Sonntag beschränkte, machen mittlerweile Freizeitwege an Werktagen bereits ein Viertel der -Mobilität aus. Flexiblere Arbeitszeiten, die wachsende Anzahl aktiver Pensionistinnen und Pensionisten sowie die Vielzahl an unterschiedlichen Freizeitzielen lassen auch den Autoverkehr steigen.
Mit Ausnahme von Wien ist der Anteil des Autos an der Freizeitmobilität hoch. Sonntags werden doppelt so viele Freizeitfahrten zurückgelegt wie werktags und die Distanzen sind länger. 

Auch um die Klimaziele zu erreichen ist es wichtig, dass beliebte Freizeitziele sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Rad gut erreichbar sind.

Auch Freizeitmobilität auf Klimakurs bringen

Der Klimavertrag von Paris bedeutet, dass bis zum Jahr 2050 das Ziel eines erdölfreien Verkehrssystems zu erreichen ist. In Österreich ist davon auszugehen, dass der Freizeitverkehr derzeit mehr als dreieinhalb Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verursacht. 
Die Umweltbilanz des Freizeitverkehrs zu verbessern ist auch deshalb eine große Herausforderung, weil es in diesem Bereich bisher kaum politische Ziele und Vorgaben gibt. So sollten Mobilitätskonzepte für beliebte Freizeiteinrichtungen verpflichtend sein. Viel besuchte Einrichtungen sollen gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Rad erreichbar sein. 

Mobilität ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Erreichen eines Ziels. Es wird unterschieden zwischen Arbeits- und Ausbildungswegen, Versorgungs- und Erledigungswegen (Einkaufen, Hol- und Bringdienste, Arztbesuche etc.), Urlaub sowie der Mobilität zu Freizeitzielen. Zu den Freizeitwegen zählen unter anderem die Wege zu Sport- und Freizeiteinrichtungen, Kunst und Kultur, Restaurantbesuche, Ausflüge, Shopping als Freizeitbeschäftigung und der Besuch von Freunden und Bekannten.

Der Pkw-Verkehr dominiert bei den Freizeit- und Versorgungswegen in Österreich mit Ausnahme von Wien. In Wien werden mehr als drei Viertel der Freizeitwege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt.

Viele Wege für Freizeitaktivitäten

Allein Vorarlbergs Bevölkerung legt pro Jahr rund 1,3 Milliarden Kilometer zurück, um Freizeitziele zu erreichen. Drei Viertel dieser Distanzen werden mit dem Auto gefahren, ein Viertel wird umweltfreundlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt. Mehr als 170.000 Tonnen CO2 pro Jahr verursacht die Freizeitmobilität der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger. Abgeleitet von den Daten für Vorarlberg ist für Österreichs Bevölkerung mit einem jährlichen Verkehrsaufwand für Freizeitaktivitäten von mehr als 25 Milliarden Kilometer zu rechnen, dabei werden mindestens dreieinhalb Millionen Tonnen CO2 verursacht. 

Auch an Werktagen viel Freizeitverkehr 

Mitte der 1990er-Jahre machte der Freizeitverkehr nicht einmal ein Fünftel der Alltagsmobilität aus, heute dienen werktags bereits ein Viertel der Alltagswege dem Erreichen von Freizeitzielen. Sonntags ist dieser Anteil etwa drei Mal so hoch. 

Freizeitmobilität für Jung und Alt ermöglichen

Das Mobilitätsverhalten in der Freizeit ist nach Alter, Geschlecht, Wohnort und Lebensstil verschieden. Bei Kindern zwischen 6 und 14 Jahren sind 25 bis 30 Prozent der Wege Freizeitwege, bei Jugendlichen zwischen 20 und 45 Prozent. Um Kindern und Jugendlichen eine selbstständige Mobilität zu ermöglichen, sind sichere Radverbindungen und ein gutes Angebot des Öffentlichen Verkehrs wichtig.
Die Zahl aktiver Pensionistinnen und Pensionisten wird weiter steigen. Bei der Freizeitmobilität der über 60-Jährigen dominieren derzeit das Gehen und der Öffentliche Verkehr. In ländlichen Regionen werden Anrufsammeltaxis oder Gemeindebusse immer wichtiger. Es braucht auch spezielle Schulungs- und Begleitangebote, um ältere Menschen bei der Nutzung neuer Technologien im Mobilitätsbereich zu unterstützen.

Eine gute Infrastruktur fürs Radfahren und Gehen ermöglicht es, Freizeitziele umweltfreundlich zu erreichen.

Ausflugsziele gut öffentlich erreichbar machen

Von 51 sehr beliebten Ausflugszielen in Österreich sind nur 30 gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Ein Großteil davon befindet sich in den großen Städten. So liegen fünf der zehn meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Wien. Anders sieht es außerhalb der Städte aus. Hier sind selbst Freizeitziele, die jährlich von mehr als 100.000 Personen pro Jahr besucht werden, schlecht oder gar nicht mit Bahn oder Bus zu erreichen. Während es werktags für den Schul- und Arbeitsverkehr häufigere Verbindungen gibt, fehlt in der Regel für den Freizeitverkehr ein dichtes, regelmäßiges Angebot. Beliebte Ausflugsziele sollen gut und komfortabel mit dem Öffentlichen Verkehr erreichbar sein. Zudem braucht es verbesserte Informationen über die Anreisemöglichkeiten mit Bahn und Bus.

Immerhin bringen Ausflüge und Freizeitaktivitäten große Wertschöpfung und sichern viele Arbeitsplätze. Pro Jahr machen die Österreicherinnen und Österreicher rund 60 Millionen Tagesausflüge und geben dafür mehr als sechs Milliarden Euro aus. 

Freizeitanlagen verkehrsarm gestalten 

Im Kanton Zürich müssen viel besuchte Freizeitanlagen innerhalb von 300 Metern zu einer S-Bahn-Station oder 150 Meter zu einer Haltestelle eines anderen öffentlichen Verkehrsmittels mit zumindest acht Halten pro Stunde liegen. Zudem dürfen große Einrichtungen maximal eine bestimmte Anzahl von Autofahrten verursachen. Dadurch werden Maßnahmen für eine umweltfreundliche Anreise forciert. 

Der Anteil der Freizeitwege ist am Sonntag dreieinhalbmal so hoch wie an Werktagen. Auch am Sonntag braucht es daher häufige Bahnund Busverbindungen.

Sportlich unterwegs zum Sport

Im EU-Vergleich ist Österreichs Bevölkerung weniger körperlich aktiv und in der Alltagsmobilität ist der Anteil von Gehen und Radfahren niedrig. Um Bewegung zu fördern, ist auch sicherzustellen, dass Sportstätten bewegungsaktiv mit dem Fahrrad oder zu Fuß gut erreichbar sind. 

Umweltfreundlich zu Events

Großveranstaltungen können massive Verkehrsbelastungen verursachen, wenn nicht auf eine umweltverträgliche An- und Abreise geachtet wird. Öffentliche Verkehrsmittel, Taxidienste, Buszubringerdienste, Fahrgemeinschaften kombiniert mit Parkplatzgebühren, Radwege und ausreichend Radabstellanlagen entlasten die Umwelt und verhindern Staus. Durch eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrsangebots und der Infrastruktur für das Radfahren können Veranstaltungen für die Bevölkerung vor Ort einen nachhaltigen Nutzen bringen.

Shopping als Freizeitaktivität beliebt

Jede dritte Person in Österreich gibt an, mehrmals monatlich „Shoppen“ zu gehen. Während zentrale Einkaufsstraßen und in der Stadt gelegene Einkaufszentren auch ohne Auto gut erreichbar sind, sind Einkaufszentren am Stadtrand große Verkehrserreger. Durch eine hohe Anzahl kostenloser Parkplätze wird die Anreise mit dem Auto gefördert, während eine gute Anbindung an den Öffentlichen Verkehr oder an das Radwegenetz meist fehlt. Auch Kinos am Stadtrand verursachen beträchtlichen Autoverkehr. Hier braucht es die Möglichkeit, auch zu späten Abendzeiten und am Wochenende ohne Auto wieder nach Hause zu kommen.

Good-Practice-Beispiele

Wanderungen mit Bus und Bahn: Auf den Websites von Alpenverein und Naturfreunde wird die öffentliche Anreise zu Zielen in der Natur beschrieben. Vorteil: Anfang und Ende der Tour können woanders sein.

Gymnaestrada in Dornbirn: Die Zahl der Fahrgäste des Öffentlichen Verkehrs erhöhte sich während der Veranstaltung von rund 50.000 auf 250.000 Personen. Bahnhöfe wurden renoviert, der Takt wurde auf 15 Minuten verdichtet und nach der Veranstaltung beibehalten. Es brauchte keine zusätzlichen Parkplätze.

Sportlich zum Sport: Die Initiative „Sportlich zum Sport“ der Marktgemeinde Wolfurt in Vorarlberg hat als Ziel, die Gäste von Fußballspielen zu motivieren, mit dem Rad oder zu Fuß zum Spiel zu kommen.

Mit dem Bus zum Shopping: Die Kampagne „G’scheit shoppen, gratis Bus fahren“ in Salzburg verringert die Autofahrten in der Stadt.

Klimaschonende Freizeitmobilität forcieren

Zentral für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu Freizeitzielen sind die Anzahl der Verbindungen und eine möglichst lange Betriebsdauer am Abend und am Wochenende. Freizeitwege sind oft im Unterschied zu Arbeitswegen keine Gewohnheitswege, umso wichtiger ist die Information über das Angebot an öffentlichen Verkehrsverbindungen. Auch Tarifangebote sind ein Anreiz für die Benützung des Öffentlichen Verkehrs, ebenso vergünstigte Kombiangebote von Fahr- und Eintrittskarte. Stärker nachgefragt wird die Kombination von Öffentlichem Verkehr und Radfahren. Neben der Fahrradmitnahme sind dabei auch Leihräder sehr wichtig.

Mobilitätskonzepte für Freizeitziele

Bei vielen Freizeiteinrichtungen und Freizeitzielen sind die gute Erreichbarkeit mit dem Rad sowie eine ausreichende Anzahl von Abstellplätzen für Fahr-räder viel stärker zu berücksichtigen.
Viele Freizeitziele haben mehrere tausend Besucherinnen und Besucher pro Jahr. Sie verursachen damit viel Mobilität und wenn entsprechende Angebote fehlen auch viel Autoverkehr. Deshalb ist es wichtig, dass für viel frequentierte Einrichtungen, Freizeitziele und Einkaufszentren ein Mobilitätskonzept verpflichtend wird. Auch Vorgaben hinsichtlich der Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz, die Erreichbarkeit mit dem Fahrrad, eine Mindestanzahl an Abstellplätzen für Fahrräder sowie eine Obergrenze für Pkw-Parkplätze sind wichtig, um den Freizeitverkehr auf Klimakurs zu bringen. Schon heute zeigen etliche Beispiele aus dem In- und Ausland, dass ein hoher Anteil der umweltfreundlichen Anreise möglich ist.

VCÖ-Empfehlungen

  • Bei Ausflugszielen, Einkaufszentren und sonstigen großen Verkehrserregern sind jedenfalls Mobilitätskonzepte einzuführen. Bislang wird meist nicht einmal erhoben, mit welchem Verkehrsmittel die Besucherinnen und Besucher anreisen.

  • Verbesserungen im Öffentlichen Verkehr vor Ort und ein ausgebautes Netz an Radverbindungen bei Großveranstaltungen sind als Dauerlösungen zu konzipieren.

  • Eine gute Mindestfrequenz für umweltfreundliche Mobilität zu Freizeiteinrichtungen auch zu späten Abendzeiten, an Wochenenden und in Ferienzeiten anbieten.

  • In kleineren Gemeinden Mobilitätsangebote wie zum Beispiel Anrufsammeltaxis, Ruf- oder Gemeindebusse einführen.
  • Verkehrsrelevante Informationen so gestalten, dass sie für alle Altersgruppen leicht erfassbar sind.

  • Verpflichtende Prüfung des Verkehrskonzepts und der klimafreundlichen Erreichbarkeit von Sportanlagen im Rahmen von Förderverfahren.

  • Es besteht großer Forschungsbedarf zur Freizeitmobilität, um vorhandene Datenlücken zu schließen und punktgenau Maßnahmen für eine gesundheitsfördernde und klimaschonende Mobilität im Freizeitbereich umsetzen zu können.

>>„Der wachsende autodominierte Freizeitverkehr ist eine besondere Herausforderung für das Ziel eines erdölfreien Verkehrssystems. Bei Ausflugszielen, Einkaufszentren und Freizeitanlagen ist die Möglichkeit für eine klimafreundliche und bewegungsaktive Anreise sicherzustellen.“<<

- Ulla Rasmussen, VCÖ-Verkehrspolitik

 

>> Quelle: 

 VCÖ, „Fokus Freizeitverkehr“, Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2016

 

 

VCÖ-Factsheet 2016-03 als PDF (1198KB)

Die VCÖ-Publikation „Fokus Freizeitverkehr“ stellt dar, wie sich die Freizeitmobilität in Österreich entwickelt.

Die Publikation kann hier oder unter der Telefonnummer +43-(0)1-893 26 97 um 30 Euro bestellt werden.

Impressum: 

VCÖ, Bräuhausgasse 7–9, 1050 Wien, T +43-(0)1-893 26 97, F +43-(0)1-893 24 31, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at
Layout: A BISS Z PRODUCTIONS, 1090 Wien, Nussdorferstraße 16; Fotos: Projektblatt/Angela Batik (S. 1), Michiel Slütter/Fietserbond (S. 2), Missoni-Steinbacher (S. 3 o.), WEINFRANZ (S. 4 o.), VCÖ (S. 4 u.)

Zurück zur Übersicht