VCÖ-Factsheet: Regionale Zentren brauchen mehr nachhaltige Mobilität

In der Erreichbarkeit der regionalen Zentren mit nachhaltigen Verkehrsmitteln liegt ein Schlüssel zur klimafreundlichen Mobilitätswende für weite Teile Österreichs. Dazu braucht es einen deutlichen Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und ergänzende Angebote.

VCÖ-Factsheet 2016-06 als PDF (2032KB)

In Österreich leben fast 1,5 Millionen Menschen in 124 regionalen Zentren. Diese Städte und Gemeinden haben mit ihren Arbeitsplätzen, Schulen, Geschäften, Freizeiteinrichtungen und ihrer medizinischen Versorgung zentrale Bedeutung für die gesamte Region. 910.000 Menschen arbeiten dort, davon pendeln rund 560.000 in die regionalen Zentren.
Ihre Attraktivität und die Versorgung der -Region werden wesentlich bestimmt von einem Mobilitätsangebot, das auch Menschen ohne Auto eigenständige Mobilität ermöglicht. Das erfordert eine gute Abstimmung zwischen Verkehrsplanung, Raumordnung und Siedlungsentwicklung.

Mehr Öffentlicher Verkehr zu regionalen Zentren 

Die selbstständige Erreichbarkeit der regionalen Zentren für alle Bevölkerungsgruppen ist mit einem dichten Angebot des Öffentlichen Verkehrs, ergänzt um bedarfsbasierte Lösungen, sowie direkte und sichere Radrouten zu den Bahnhöfen und zwischen den Gemeinden sicherzustellen.

Um von Bahnhof oder Bushaltestelle weiter zu wichtigen Zielen wie Geschäfte, Arbeitsplatz oder Krankenhaus zu kommen, braucht es im regionalen Zentrum weiterführende Anschlüsse, kurze Wege und hohe Qualität im Netz von Geh- und Fahrrad-Infrastruktur.

Große Bedeutung regionaler Zentren 

Einzelne Städte und Gemeinden haben große Bedeutung für ländliche Regionen. Sie sollen eine möglichst flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen sicherstellen. Ihre Erreichbarkeit aus den umliegenden Gemeinden wirkt direkt auf den Verkehr.

Fast 1,5 Millionen Menschen leben in 124 Städten und Gemeinden, die von der Österreichischen Raumordnungskonferenz als regionale Zentren definiert wurden. Doch sind sie noch für weitaus mehr Menschen als Arbeits-, Schul-, Freizeit- oder Versorgungsort relevant. Rund 560.000 Menschen aus dem Umland haben in den regionalen Zentren ihren Arbeitsplatz, und weitere 150.000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge und Studierende pendeln für ihre Ausbildung in die regionalen Zentren.

Regionale Zentren in Österreich sind sehr unterschiedlich mit dem Öffentlichen Verkehr erreichbar.

Bessere Erreichbarkeiten mit Öffentlichem Verkehr umsetzen

Eine gute Erreichbarkeit regionaler Zentren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist wichtig, damit alle Menschen in der Region auch ohne eigenes Auto ihre Alltagsziele und wichtige Einrichtungen erreichen können.
Fast ein Fünftel der Bevölkerung in Österreich lebt in Siedlungen mit weniger als 250 Personen, die nicht oder sehr schwach (weniger als sechs Abfahrten pro Werktag) an das Liniennetz des Öffentlichen Verkehrs angebunden sind.

Während für den Pkw-Verkehr in den vergangenen Jahrzehnten die Fahrzeiten vielerorts verkürzt wurden, hinkt der Öffentliche Verkehr in den Regio-nen oft hinterher. So erreichen in Österreich (ohne Wien) 97 Prozent der Bevölkerung mit dem Pkw ein regionales Zentrum innerhalb von 30 Minuten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln lediglich 67 Prozent. Hingegen haben Regionen mit dichter Zentrenstruktur und gutem Öffentlichen Verkehr, wie etwa der Salzburger Pongau, gute Erreichbarkeiten.

Letzte Meile im Ort mitplanen

In Österreich kommen knapp 35 Prozent der Fahrgäste außerhalb der Landeshauptstädte zu Fuß zum Bahnhof, 20 Prozent mit dem eigenen Auto, 22 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln und sieben Prozent mit dem Fahrrad. Es ist daher wichtig, ein durchgängiges Netz attraktiver Geh- und Radverbindungen vom Ortszentrum und den Wohnsiedlungen zum Bahnhof zu schaffen.

Es braucht nicht nur gute Bahn- oder Busverbindungen vom Umland in das regionale Zentrum, sondern auch ein Angebot, um vom Bahnhof oder von der Bushaltestelle weiter zum tatsächlichen Ziel zu gelangen. Für Menschen höheren Alters, mit körperlichen Einschränkungen oder mit Einkäufen kann auch ein Fußweg von nur einem Kilometer beschwerlich sein. Ein dichtes Haltestellenangebot mit kurzen und attraktiven Wegen zu sämtlichen wichtigen Einrichtungen wie Supermärkten oder Freizeiteinrichtungen ist sicherzustellen.
Beispielsweise verfügen viele Spitäler über eine Haltestelle in unmittelbarer Nähe, die in dichtem Takt bedient wird. Doch es gibt Beispiele, bei denen die nächste Haltestelle einige hundert Meter entfernt ist, oder an der nur wenige Busse pro Tag halten.

In Götzis in Vorarlberg gibt es in zentraler Lage eine Mischung aus Wohnungen, Geschäften, Büros, Gastronomie sowie Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Hauptrouten sind Basis für Radverkehrsplanung

Radhauptrouten schaffen hochwertige Verbindungen, die es ermöglichen mit dem Fahrrad sicher und zügig ans Ziel zu kommen. Ausgehend von leistungsfähigen Hauptrouten des Alltagsradverkehrs werden etwa in der Steiermark klare Qualitätskriterien für diese definiert.

Eine gute Radinfrastruktur erweitert das Einzugsgebiet von Haltestellen und Bahnhöfen. Dazu gehören Radwege entlang stark befahrener Straßen und sichere, wettergeschützte Abstellmöglichkeiten.
Elektro-Fahrräder können viele kurze Autofahrten ersetzen. Die größere Reichweite erhöht den Aktionsradius und ermöglicht auch den Ausbau von Bike-and-Ride-Angeboten.

Zahlreiche Städte und größere Gemeinden sorgen als wichtige Zentren für Lebensqualität in ihren Regionen, wenn auf nachhaltige Mobilitätsangebote geachtet wird.

Fußgängerfreundliche Infrastrukturen schaffen

Viele Umwege für Gehende und ein schlechtes Fußwegsystem sind das historisch gewachsene Ergebnis einer auf den Autoverkehr ausgelegten Raum- und Verkehrsplanung. Für die große Zahl einpendelnder Autos wird Straßeninfrastruktur angelegt, die -Barrieren für das Gehen und Radfahren mit sich bringt. Trotzdem ist das Gehen die dominierende Mobilitätsform in vielen Orten.

Optimal für das Gehen sind Dorf- und Stadtstrukturen mit Radien von etwa einem Kilometer, die die tägliche Mobilität auf kurzen und direkten Wegen zu Fuß ermöglichen. Eine gut ausgebaute Infrastruktur für Gehende und hohe Aufenthaltsqualität auf Straßen, Plätzen oder in Begegnungszonen stärkt die Nahversorgung, die örtliche Wirtschaft und fördert soziale Kontakte. 

Kooperation und Innenentwicklung forcieren 

Je höher die Besiedelungsdichte, desto mehr Menschen gehen zu Fuß oder nutzen den Öffentlichen Verkehr. Dagegen wird bei starker Zersiedelung vor allem Auto gefahren. Bauland ist daher nur im Einzugsbereich eines hochwertigen Angebots des -Öffentlichen Verkehrs auszuweisen. Innerorts braucht es für kompakte, durchmischte Strukturen die gezielte Ansiedelung von Wohnungen und Betrieben in Baulücken und auf Brachflächen. Gemeinden, die nicht im Wettbewerb zueinander stehen, können ihre Entwicklung auf die Ortszentren konzentrieren. Langjährige Erfahrung mit interkommunalen Betriebsgebieten besteht in Oberösterreich, etwa im Bezirk Freistadt mit 27 Gemeinden in einem Gemeindeverband.

Vom Mindeststandard zur Mobilitätsgarantie

Aufeinander abgestimmte öffentliche Verkehrsmittel und eine Mindestfrequenz sind die Basis für ein gutes Angebot. Nachfragebasierte Ergänzungen helfen, in Sachen Flexibilität mit dem Auto mitzuhalten.

Zahlreiche Mikro-ÖV-Systeme schließen bereits regionale oder zeitliche Lücken im Öffentlichen Linienverkehr. Beim Verkehrsverbund Ost-Region gibt es für Niederösterreich eine gemeinsame Rufnummer für knapp 30 Anruf-Sammeltaxis, Rufbusse und Gemeindebusse. Mit ISTmobil im Bezirk Korneuburg wurden vier Mikro-ÖV-Systeme in ein Angebot für 17 Gemeinden integriert. In Tirol verkehren Bedarfsbusse unter der Marke Regiotax. Im steirischen Trofaiach ist seit dem Jahr 2013 der gMeinBus unterwegs, vernetzt mit Citybus und -Öffentlichem Linienverkehr. Jedes Jahr werden starke Fahrgastzuwächse verzeichnet.

Immer mehr Menschen nutzen Regionalbahnen

Auch auf Österreichs 19 Regionalbahnen, die nicht die ÖBB betreiben, wird immer mehr Bahn gefahren. Auf diesen waren im Jahr 2015 rund 36,2 Millionen Menschen unterwegs – um rund 1,1 Millionen mehr als im Jahr 2014.

Auf der Außerfernbahn zwischen Reutte in Tirol und Bayern wird seit dem Jahr 2013 ein Stundentakt gefahren. In den ersten Halbjahren 2014 bis 2016 konnte ein Fahrgast-Plus von fast 70 Prozent verzeichnet werden.

Ein Ausbau der Schiene ist nicht auf Hauptstrecken beschränkt: So wird etwa eine StadtRegioTram die Stadt Gmunden ab dem Jahr 2017 mit dem 15 Kilometer entfernten Vorchdorf verbinden.

VCÖ-Empfehlungen

Erreichbarkeit regionaler Zentren mit Öffentlichem Verkehr verbessern

Dichtes Angebot von Bahn und Bus in die regionalen Zentren.
Die Wege von Bahnhof und Haltestellen zu wichtigen Zielen mitplanen: kurze Distanzen, Stadtverkehre mit        günstigem Fahrpreis, attraktive Geh- und Radverbindungen.
Umsetzung hoher Mindeststandards im Öffentlichen Verkehr und Weiterentwicklung zur Mobilitätsgarantie, etwa    durch Ergänzungen mit Mikro-ÖV, Taxi und Carsharing.

Aktive Mobilität und hohe Aufenthaltsqualität fördern

Gute Bedingungen zum Gehen und Radfahren im regionalen Zentrum, verkehrsberuhigter Ortskern und hohe  Aufenthaltsqualität trotz des einströmenden Kfz-Verkehrs.
Sichere und attraktive Überland-Radverbindungen von jeder Siedlung in die regionalen Zentren, Netz an  Hauptradrouten in der Region und innerorts.
Dichtes Netz direkter Wege, Barrieren für das Gehen entfernen, Abkürzungen schaffen.
Ortsentwicklung „innen vor außen“ für kompakte, multifunktionale Strukturen. Baulücken schließen.
Bauland-Neuwidmung, Siedlungsentwicklung und Verdichtung im Einzugsgebiet von Bahnhöfen und häufig  bedienten Haltestellen.

Hohe Qualität im Öffentlichen Verkehr schaffen

Dichter Takt ergänzt durch Bedarfsverkehre, Niederflurbusse, attraktive Haltestellen
Gute Erreichbarkeit per Fahrrad. Radabstellanlagen und Leihradsysteme an Haltestellen
Bau siedlungsnaher Haltestellen und neue Bahnverbindungen bei starkem Bevölkerungswachstum

 


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„Auch in ländlichen Regionen soll die Möglichkeit bestehen, die Alltagsziele in Kombination von Gehen, Öffentlichem Verkehr, Fahrrad und Carsharing gut zu erreichen. Dieses Ziel sollte sich die Verkehrspolitik im Interesse der Bevölkerung und der Regionen setzen.“<<

 Mag. Markus Gansterer, VCÖ-Verkehrspolitik

>> Quelle: 
VCÖ, „Nachhaltige Mobilität für regionale Zentren“, Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2016

VCÖ-Factsheet 2016-06 als PDF (2032KB)

Die VCÖ-Publikation „Nachhaltige Mobilität für regionale Zentren“ zeigt, wie selbstständige und umweltfreundliche Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen in Österreichs Regionen zu ermöglichen ist. 

Die Publikation kann hier oder unter der Telefonnummer +43-(0)1-893 26 97 um 30 Euro bestellt werden.

Impressum: 

VCÖ, Bräuhausgasse 7–9, 1050 Wien, T +43-(0)1-893 26 97, F +43-(0)1-893 24 31, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at
Layout: A BISS Z PRODUCTIONS, 1090 Wien, Nussdorferstraße 16; Fotos: Josef Essl (S. 1), PRISMA Unternehmensgruppe (S. 3 o.), Markus Gansterer (S. 4 o.), VCÖ (S. 4 u.)

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