VCÖ-Factsheet: Transformation von Mobilität und Transport unterstützen

Globalisierung, Urbanisierung und Digitalisierung führen bereits heute zu tiefgreifenden Veränderungen im Verkehr. Doch die Notwendigkeit eines klimaverträglichen Verkehrssystems bedingt einen grundlegenden Wandel, der über neue Technologien hinausgeht.

VCÖ-Factsheet 2017-08 als PDF (2,6MB)

Bevor die globale Erwärmung unumkehrbar mehr als zwei Grad Celsius erreicht, kann die Athmosphäre maximal 2.900 Milliarden Tonnen CO2 aufnehmen. Über 70 Prozent dieser Kapazität sind bereits verbraucht. Ändert sich nichts am globalen CO2-Ausstoß, wird die Obergrenze noch vor dem Jahr 2040 überschritten. Um dies zu verhindern, muss der Verkehr bis zum Jahr 2050 von Erdöl und anderen fossilen Energieträgern unabhängig werden. Für eine Wende zu einem klimaverträglichen Verkehrssystem ist aber mehr nötig als technologische Innovationen. Es braucht dafür auch das öffentliche Bewusstsein und die gelebte soziale Praxis.

Zeitplan für ein Ende des Verbrennungsmotors

Bis ins 19. Jahrhundert waren Muskelkraft und Wind die dominierenden Energiequellen im Verkehr. Nach der Ära von Kohle und Erdöl muss das 21. Jahrhundert das Zeitalter der erneuerbaren Energien werden.

Für die notwendige Mobilitätswende braucht es politisch gesetzte Rahmenbedingungen mit Aus- und Umstiegszenarien, flankiert von Anreizen und einem definierten Zeit- und Aktionsplan. Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist aus ökologischer Sicht nötig und aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Das Verkehrssystem ist fit zu machen für die zukünftigen Anforderungen. Dazu zählen der Ausbau der Infrastrukturen für Bahn und Radverkehr, die Verbesserung der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, Sharing-Angebote in Städten und Gemeinden und eine verkehrssparende Siedlungsentwicklung.

Technologische Lösungen zielen meist auf eine Steigerung der Effizienz ab, also lediglich auf ein besseres Verhältnis der eingesetzten Ressourcen zu den erzielten Ergebnissen anstatt einer tatsächlichen Reduktion von Aufwand, Energie- und Ressourcenverbrauch. Für ein klimaverträgliches Verkehrssystem ist ein grundlegender Wandel der Art und Weise, wie wir Mobilität heute organisieren, notwendig.

Österreichs CO2-Budget bald aufgebraucht

Um die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius begrenzen zu können, sind die CO2-Emissionen massiv zu reduzieren. Ohne Änderung des derzeitigen jährlichen Ausstoßes ist die globale CO2-Aufnahmekapazität bereits in etwa 20 Jahren erreicht.

Österreich hat das Klimaabkommen von Paris ratifiziert. Für einen gerechten Beitrag zum globalen Klimaschutz darf Österreich in Zukunft nur mehr maximal 1.000 bis 1.500 Millionen Tonnen CO2 emittieren. Werden in den nächsten Jahren so viele Treibhausgase verursacht wie derzeit, dann reicht Österreichs CO2-Budget nur noch 20 Jahre. Die Emissionen des Verkehrs sind seit dem Jahr 1990 mit Abstand am stärksten gestiegen, Einsparungen der anderen Sektoren wurden zunichte gemacht.

Diesel und Benzin besonders klimaschädlich

Diesel- und Benzin-Pkw verursachen im Schnitt vier Mal so viel CO2 wie ein E-Pkw mit österreichischem Strommix. In dieser Klimabilanz ist die Fahrzeug- und Batterieherstellung berücksichtigt. Mit Ökostrom ist die Klimabilanz der Elektro-Fahrzeuge noch besser. Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist nicht nur aus Klimaschutzsicht zu beschleunigen. Auch aus ökonomischer Sicht ist die Energiewende im Verkehr sinnvoll. Allein die Erdölimporte für den Verkehr kosteten Österreich in den vergangenen fünf Jahren rund 27 Milliarden Euro. Wenn das Exportland Österreich bei der E-Mobilität eine Vorreiterrolle einnimmt, wirkt sich das auch auf den Arbeitsmarkt positiv aus.

Österreichs Infrastruktur zukunftsfit machen

Die Transformation im Verkehr bedingt auch einen Wandel in der Infrastrukturpolitik. Die Ladeinfrastruktur ist mit der wachsenden Anzahl von E-Fahrzeugen auszubauen. Die EU empfiehlt einen öffentlichen Ladepunkt pro zehn E-Pkw. Die Errichtung öffentlicher Schnellladestationen macht vor allem an Orten Sinn, wo der Ladevorgang mit anderen Tätigkeiten kombiniert werden kann, etwa bei Geschäften. Die meisten Ladevorgänge werden zu Hause vorgenommen. Deshalb ist bei neuen Wohnanlagen auch die Ladeinfrastruktur mitzuplanen. Einen Wandel benötigt auch die klassische Infrastrukturpolitik. Während Österreich im EUVergleich eines der dichtesten Straßennetze hat und de facto jede Almhütte mit dem Auto erreichbar ist, hat nicht einmal jede Bezirkshauptstadt einen Bahnanschluss. Um die Klimaziele zu erreichen ist aber ein deutlich höherer Anteil des Öffentlichen Verkehrs an der Mobilität nötig. Gleiches gilt für den Radverkehr. Dieser sollte sich von derzeit sieben Prozent bis zum Jahr 2025 zumindest verdoppeln. Nötig ist dafür ein starker Ausbau der Radinfrastruktur. In Ballungsräumen sind kreuzungsfreie Radschnellwege nötig auch zur Verringerung der Staubelastung. Die Mobilität der Zukunft braucht zudem eine verbesserte digitale Infrastruktur.

Digitalisierung stärkt klimaverträgliche Mobilität

Mobilität wird in Zukunft zunehmend zu einer Dienstleistung werden. Das in Skandinavien entwickelte Konzept „Mobility as a Service“ baut darauf auf, möglichst einfach von A nach B zu kommen. Durch die Nutzung aller vorhandenen Transportressourcen wird die individuelle Mobilität effizienter, kostengünstiger und auch klimaverträglicher. Möglich wird das durch die Digitalisierung. Mittels App ist es für die Nutzerinnen und Nutzer ein Leichtes ihre Route zu planen. Auch die Abrechnung erfolgt mittels App. Wesentlich für das Funktionieren ist ein konstruktives Zusammenspiel zwischen der lokalen Verkehrspolitik, dem Öffentlichen Verkehr sowie Taxi- und Sharing-Diensten. Auch braucht es eine unabhängige und verkehrsmittelübergreifende Plattform, die Echtzeitinformationen liefert und ein integriertes Buchungs- und Bezahlungssystem anbietet.

Sharing: Fahrzeuge nutzen statt besitzen

Im Schnitt steht ein privates Auto 23 Stunden am Tag ungenützt am Parkplatz. Das Potenzial von Carsharing ist in Europa groß. Laut einer Studie von PwC kann durch verstärktes Carsharing die Zahl der Pkw in Europa bis zum Jahr 2030 um 80 Millionen reduziert werden. Auch in Österreich ist das Potenzial von Carsharing stärker zu nutzen, etwa auch bei Wohnhausanlagen. Ebenso ist das Angebot an Bike-Sharing auszuweiten, in Städten insgesamt aber auch in kleineren Orten für die letzte Meile vom Bahnhof ans Ziel.

Verhaltensmuster sind zu ändern

Die große Herausforderung bei Transformationsprozessen ist die Verhaltensänderung. Dass es möglich ist, eingeübte Muster und Gewohnheiten zu verändern, zeigt die Entwicklung von Mülltrennung und Recycling in Österreich ab den 1970er Jahren.  Unverzichtbar sind lokale Projekte, wie dies in Österreich beispielsweise durch die Klima- und Energiemodellregionen erfolgt. Das Mobilitätsverhalten wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Es ist geprägt von den individuellen Möglichkeiten und Einschränkungen der einzelnen Personen, wie etwa der Verfügbarkeit von Zeit und Geld, dem Zugang zu Verkehrsmitteln, körperlicher und gesitiger Voraussetzungen sowie im Zuge der Sozialisierung angeeigneter Werte und Einstellungen. Andererseits spielen natürlich auch von den einzelnen Personen unabhängige Faktoren, wie das Angebot des Verkehrssystems oder die infrastrukturelle Ausstattung des Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsstandorts, eine wesentliche Rolle.

Autofreies Wohnen verstärkt fördern

Auch wenn der Strom noch nicht zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammt, sind E-Pkw bei einer Gesamtbetrachtung klimaverträglicher als Pkw mit Verbrennungsmotor.

Soziale Innovationen, etwa die Ermöglichung von autofreiem Wohnen durch sogenannte Mobility Points mit Leih- und Sharing-Konzepten, sind zu fördern. Gemeinschaftlich nutzbare Bürgerbusse sind für dünn besiedelte Regionen eine gute Ergänzung zum öffentlichen Linienverkehr.

Güterverkehr auf Klimakurs bringen

Das veränderte Konsumverhalten hat die Treibhausgas-Emissionen massiv erhöht, auch im Gütertransport. In der EU haben Lkw mit 81 Prozent einen vier Mal so hohen Anteil an der Transportleistung wie die Bahn. In Österreich werden mit einem Anteil von 33 Prozent mehr Güter auf der Schiene transportiert als im EU-Schnitt. Um die Klimaziele zu erreichen, sind auch im Güterverkehr tiefgreifende Veränderungen nötig. Die Bahn ist etwa um den Faktor 15 klimaverträglicher als der Lkw-Transport. In Zukunft sind mehr Güter mit der Bahn und weniger mit Lkw zu transportieren. Darüber hinaus ist die Elektrifizierung bei Lkw voranzutreiben. Damit Oberleitungen auf Autobahnen sowie sogenanntes Platooning tatsächlich Verbesserungen bringen, braucht es politische Rahmenbedingungen, die schädliche Rebound-Effekte verhindern.

Urbane Güterlogistik wird durch Online-Handel wichtiger

Die Zunahme des Online-Handels macht sich im Gütertransport bemerkbar. In Österreich bestellen bereits 56 Prozent der Bevölkerung Waren im Internet. Bei Bekleidung macht der Anteil der Retoursendungen 50 Prozent aus, was zusätzliche Transporte verursacht. Für Ballungsräume sind so genannte Mikro-Depots geeignete Konzepte, um die Klimabilanz der Transporte zu verbessern. Die Waren werden zu diesen Depots mit Bahn oder Lkw geliefert, die Feinverteilung erfolgt mittels Cargo-Bikes oder E-Transportern. Auch mit synchromodalen Transportketten kann
der Gütertransport optimiert werden. Dabei wird auch während des Transports die Routenwahl optimiert.

VCÖ-Empfehlungen

Die VCÖ-Publikation „Transformation von Mobilität und Transport unterstützen“ ist beim VCÖ um 30 Euro zu bestellen oder im Internet kostenlos unter www.vcoe.at zum Download erhältlich. E: vcoe@vcoe.at www.vcoe.at

Klimaverträgliche Mobilität zum Standard machen

  • Mobilitätswende konsequent und unter Einbeziehung aller Betroffenen umsetzen
  • Konkrete Zeit- und Aktionspläne für die notwendige Mobilitätswende mit regelmäßig überprüfbaren Maßnahmen und Zielen beschließen
  • „Rebound Effekte“ verhindern: Technologische Effizienzgewinne dürfennicht durch Mehrnutzung überkompensiert werden

Individuelle Mobilität als Dienstleistung forcieren

  • Entwicklungen hin zu multimodaler Mobilität und „Mobility as a Service“ unterstützen
  • Den Umstieg auf eine klimaverträgliche Mobilität durch zielgruppenspezifische Angebote, Anreize und Maßnahmen fördern
  • Öffentlichen Verkehr und Sharing-Angebote ausbauen, vorhandene Mobilitätsangebote bündeln und die Nutzung über integrierte Plattformen erleichtern 

Gütertransport klimaverträglich gestalten

  • Kostenwahrheit im Straßengüterverkehr herstellen
  • Die Überwindung der letzten Meile effizient und emissionsfrei organisieren
  • Förderung kooperativer, synchromodaler Logistik-Konzepte

Von erfolgreichen Projekten für eine Mobilitätswende lernen

  • Kooperationen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und lokaler Politik anstreben
  • Projekte an jeweilige Region anpassen und auf alltägliche Bedürfnisse abstimmen


>>„Wir stehen im Verkehr vor den größten Änderungen seit Beginn der Massenmotorisierung. Der vollständige Ausstieg aus Erdöl und anderen fossilen Energieträgern ist die Basis für eine erfolgreiche Transformation des Verkehrssystems in eine klimaverträgliche Zukunft.“<<

Markus Gansterer, VCÖ-Verkehrspolitik

 

VCÖ-Factsheet 2017-08 als PDF(3,7MB)

Die ausführliche VCÖ-Publikation "Transformation von Mobilität und Transport unterstützen" im Wert von 30 Euro können Sie hier kostenlos downloaden. Die Printversion und weitere VCÖ-Publikationen (kostenlos als PDF und kostenpflichtig in Print) finden Sie im Online-Shop des VCÖ

Impressum:
VCÖ, Bräuhausgasse 7–9, 1050 Wien, T +43-(0)1-893 26 97, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at

Layout: VCÖ 2017; Fotos: Manuela Tippl (Fotos von shutterstock.com, S.1), Amsterdam Archives / Thomas Schlijper (S.3), VCÖ (S.4)

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