Was alles Recht ist - von anderen lernen
Gesetze und Planungsrichtlinien für die Errichtung von Radinfrastruktur unterscheiden sich von Staat zu Staat. Luxemburg hat verglichen und neun bewährte Maßnahmen zur Förderung aktiver Mobilitätidentifiziert und in die eigene Straßenverkehrsordnung übernommen.
Von Romain Molitor
Ein Vergleich der Straßenverkehrsordnungen ausgewählter Länder in Europa zeigt sehr unterschiedliche Ansätze im Umgang mit dem Fahrrad.
Rechts abbiegen bei Rot nur für den Radverkehr
In manchen Ländern, wie etwa in Frankreich und Belgien, ist das Rechtsabbiegen bei Rot für Radfahrende erlaubt und wird in der Regel über ein Zusatzschild, in Einzelfällen über eigene Zusatzampeln geregelt. In manchen Ländern, so auch in Ös- terreich, ist die Benützung von Radwegen nicht verpflichtend, wenn der Radweg durch ein eckiges statt durch ein rundes Schild gekennzeichnet ist. Viele Menschen fahren nicht mit dem Fahrrad, weil sie sich unsicher fühlen. Dabei spielt das zu knappe Überholen durch Autofahrende eine wichtige Rolle. Daher ist in einigen Ländern, etwa in Frankreich, Deutschland, Spanien und der Schweiz, ein Mindestabstand von 1,5 Metern des überholenden Autos zum Radfahrenden entweder in der StVO oder über Höchstgerichtsurteile festgeschrieben. In Österreich ist keine konkrete Zahl als Mindestabstand in der StVO vorgeschrieben.
Kinder auf dem Gehsteig radeln lassen
Die Altersobergrenze für Kinder, um auf dem Gehsteig Rad fahren zu dürfen, liegt beispielsweise in Frankreich bei 8 Jahren, in den meisten anderen Ländern bei 9 oder 10 Jahren. Erwachsene dürfen Kinder in der Regel nicht auf dem Gehsteig begleiten – ausgenommen in Deutschland bei Kindern unter 8 Jahren. In manchen Ländern wird das Radfahren von Kindern auf dem Gehsteig nur toleriert, aber nicht gesetzlich geregelt, so etwa in den Niederlanden und in Dänemark – beides Länder mit gut ausgebauter Radinfrastruktur. In Österreich dürfen Kinderfahrräder mit maximal 30 Zentimeter Raddurchmesser auf dem Gehsteig fahren. Eine solche Zentimeter-Regel gibt es nur in Österreich. Nicht nur Gesetze, auch Planungsrichtlinien und Empfehlungen für die Errichtung von Radinfrastrukturen unterscheiden sich stark von Land zu Land. Neben Richtlinien auf staatlicher Ebene gibt es auch von Städten, etwa London oder Oslo, eigene Empfehlungen und Lösungen. Fehlen nationale Richtlinien für Radinfrastruktur, gleichen das Städte oft durch eigene Empfehlungen aus. So regeln und erlauben Sevilla und Barcelona selbst die Einrichtung von Fahrradstraßen in der Stadt. Studienkoautorin Rita Leimer von komobile, die die Vergleichsstudie der StVO und der Richtlinien für Österreich, Spanien und Dänemark im Auftrag des Luxemburger Ministeriums für nachhaltige Entwicklung und Infrastrukturen bearbeitet hat, hält fest: „Die Planung von Radverkehrsanlagen unterscheidet sich je nach Land in einigen Punkten in Nuancen, in anderen wiederum grundsätzlich.“ In Dänemark werden etwa außerorts öfter sogenannte „2minus1 Querschnitte“ markiert, die beidseitig einen breiten seitlichen Rand für das Radfahren und Gehen und einen vergleichsweisen schmalen Mittelbereich für den Kfz-Verkehr vorsehen. Auch in den Niederlanden und Belgien ist diese Markierung zu sehen. Solche Querschnitte finden in anderen Ländern kaum Anwendung.
Das Bewährte ausgewählt
Aufgrund der Erfahrungen in verschiedenen Ländern Europas hat Luxemburg im Vorjahr neun Änderungen seiner Straßenverkehrsordnung vorgenommen, die aktive Mobilität fördern sollen. So wurde die Möglichkeit eingeführt, die Gehsteige an Kreuzungen beziehungsweise an verkehrsberuhigten einmündenden Straßen durchzuziehen, die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern beim Überholen von Fahrrädern, die Ausweitung der Möglichkeit für Radfahrende, nebeneinander zu fahren, die Kennzeichnung von Radwegen, deren Benutzung freigestellt ist, das Rechtsabbiegen bei Rot an Kreuzungen mit eigenem Signal, die Einführung von Fahrradstraßen und eines neuen Verkehrszeichens für Sackgassen mit Angaben, ob es zu Fuß oder mit Fahrrad ein Durchkommen gibt. Um Schulkindern der „école primaire“, der Grundschule, die sechs Jahre dauert, die Benutzung des Fahrrads für den Schulweg zu erleichtern, wurde das Radfahren auf Gehwegen bis zu einer Altersgrenze von zwölf Jahren mit erwachsener Begleitperson erlaubt. Christoph Reuter, der zuständige Leiter der Abteilung Mobilitätsplanung im Luxemburgischen Ministerium für Mobilität und öffentliche Arbeiten, beschreibt die Motive für die neuen Regelungen folgendermaßen: „Unser Ziel ist es, die aktive Mobilität, also den Radverkehr und das Gehen, zu fördern. Der Vergleich der Straßenverkehrsordnungen und Planungsrichtlinien verschiedener europäischer Länder gab uns eine wichtige Orientierung für die Anpassung unseres „Code de la route“.“