Wer braucht Regionalflughäfen?
Die Krise des Flugverkehrs in der Covid-19-Pandemie rückt die Frage nach dem Nutzen vieler Regionalflughäfen als ehemalige Prestigeprojekte ins Rampenlicht. Angesichts der Klimaauswirkungen des Flugverkehrs wird eine Umnutzung verstärkt diskutiert.
Von Doris Neubauer
Mit minus 57 Prozent am Flughafen Innsbruck und minus 61 Prozent am Flughafen Salzburg beim Passagieraufkommen hatten diese im Jahr 2020 noch die geringsten Rückgänge der fünf Regionalflughäfen in Österreich. Als Winterdestinationen profitierten beide davon, dass die ersten beiden Monate noch Covid-19-frei waren. Härter traf die Krise laut Statistik Austria die Flughäfen Klagenfurt (minus 76 Prozent), Graz (minus 81 Prozent) und Linz (minus 88 Prozent). Seit der Corona-Pandemie weht den Regionalflughäfen in ganz Europa ein starker Wind um die Ohren. Fast 200 hauptsächlich kleinere regionale Airports würden bald in die Pleite schlittern, informierte die Flughafenbehörde ACI Europe im Oktober 2020. In Österreich wird seitens der Eigentümer der Ruf nach Standortgarantien laut.
Doppelt so viele Nichtflieger als Vielflieger
Eine rasche, einfache Erreichbarkeit sei ein wirtschaftlicher Vorteil für die Region, argumentieren die Betreiber der Regionalflughäfen. Das Schließen würde Arbeitsplätze kosten, eine leistungsfähige Anbindung der Tourismusgebiete und in weiterer Folge Langstrecken-Flüge ab Wien gefährden. „Es gibt Studien dazu, wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden, aber diese sind meist von den Airports in Auftrag gegeben worden“, sieht Günter Emberger vom Institut für Verkehrswissenschaften an der Technischen Universität Wien die Argumente kritisch. „Wissenschaftlich ist nicht nachvollziehbar, wie sie zu diesen Zahlen kommen. Außerdem ist der ökologische Aspekt nicht mit berücksichtigt.“ Fünf bis acht Prozent der gesamten CO2 -Emissionen sind laut deutschem Umweltbundesamt dem Flugverkehr zuzuschreiben. Dabei fliegen nur geschätzte elf Prozent der Weltbevölkerung innerhalb eines Jahres, nur ein Drittel davon international. Die ungleiche Verteilung zeigt sich auch in Österreich. Die Zahl der gar nicht Fliegenden ist doppelt so hoch wie die Zahl der Vielfliegenden. Im Jahr 2019 sind 37 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren nie geflogen, 15 Prozent flogen im Jahr 2019 mehrmals, zwei Prozent mehrere Male im Monat und ein Prozent mehrmals die Woche. „Da der Flugverkehr seine Kosten bei Weitem nicht trägt, ist das eine Subventionierung der reicheren Menschen auf Kosten der ärmeren und auf Kosten der Umwelt“, bringt es Verkehrswissenschaftler Emberger auf den Punkt. Er fordert eine „offene Diskussion, wie viel Flugverkehr wir wirklich brauchen.“
Bahn statt Kurzstreckenfüge
In Frankreich ist die Diskussion schon weiter – im April 2021 hat sich die Nationalversammlung dafür ausgesprochen, dass Inlandsflüge gesetzlich dort verboten werden sollen, wo Distanzen mit dem Zug in weniger als zweieinhalb Stunden zurückgelegt werden können. Auch in Österreich möchte die Regierung den Umstieg auf klimaverträgliche Alternativen wie die Bahn schmackhaft machen.
Zusatznutzen und Nachnutzung
Welche Auswirkungen solche Schritte auf die Regionalflughäfen Österreichs haben, ist eine Frage, der Sebastian Sattlegger, Universitätsassistent am Institut für Städtebau der TU Wien, nachgeht. „Manche der Standorte müssen als Flughafen in Frage gestellt werden. Da geht es um Nachnutzungen“, erklärt der gebürtige Salzburger. Doch nicht jeder Flughafen müsse geschlossen werden. „Bei anderen geht es darum, wie die Flächen sonst noch genutzt werden können. Welche Funktionen, die wir in der Umgebung der Stadt benötigen, könnten diese Flughäfen erfüllen? Das schlechteste Szenario wäre, wenn alles gleich bleibt – dafür ist der Boden zu wertvoll.“ Durch ihre verkehrsmäßig gute Anbindung an die Stadt könnten etwa Bürostandorte entstehen, Forschung und Entwicklung ließe sich ebenfalls gut ansiedeln. So würde in Salzburg bereits die zusätzliche Nutzung als Postlogistik-Zentrum diskutiert. Die unbebauten öffentlichen Flächen in der urbanen Peripherie könnten auch in wachsenden Städten wie Innsbruck, wo es an leistbarem Bauland fehlt, Begehrlichkeiten wecken. „Da ist gut aufzupassen, um Fehler der Vergangenheit, wie eine großflächige Versiegelung, zu vermeiden“, warnt Sattlegger. Die Flächen der Regionalflughäfen seien „ökologische Nischen, eingezäunte Flächen, die nicht betreten werden, selten gemäht und gedüngt werden. Davon gibt es in Ballungsräumen nicht viele.“ Das Areal rund um den Flugplatz Wels umfasst die letzten Überreste der Welser Heide und steht unter starkem Schutz, nennt er ein Beispiel. „Selbst wenn der Flughafen nicht mehr da ist, können die großen Areale einen enormen Mehrwert an Flächen, aber auch für Erholung und Freizeit bieten“, ist für Sattlegger das Argument des Standortnachteils leicht widerlegbar, „vor allem, wenn die Belastung durch den Flugverkehr wegfällt.“ Dass ein mögliches Schließen des Regionalflughafens die Mobilität einschränkt, muss seiner Ansicht nach niemand befürchten. „Die Hubs Wien, München, Zürich sind von überall aus sehr schnell erreichbar“, meint er, „selbst wenn Regionalflughäfen verschwinden, können die Menschen im Sommer nach Griechenland kommen. Die Lösung heißt nicht Verzicht. Es gibt Alternativangebote.“