Wer im Urlaub radelt, tut es auch im Alltag

Radreisen werden für neue Zielgruppen interessant und sind ein Hebel für nachhaltige Mobilität. Und gut ausgebaute Radrouten werden auch von der lokalen Bevölkerung stark zur Erholung genutzt.

Von Bernhard Hachleitner

Radreisen sind eine ideale Reiseform, auch während der Covid-19-Pandemie. Radreisende befinden sich vorwiegend im Freien und sind zudem hauptsächlich auf Radwegen abseits von Menschenmengen unterwegs“, sagt Dietmar Tröbinger, Geschäftsführer der OÖ Touristik GmbH. Für das Jahr 2020 ist er dennoch vorsichtig. Wegen des Ausbleibens von Gästen mit weiter Anreise rechnet er mit einem Rückgang der Buchungen. Positiv könnte sich auswirken, dass – wie die Anfragen bei der OÖ Touristik zeigen – „Radurlaub für junge Leute an Attraktivität gewonnen hat.“ Christian Weinberger ist als Projektmanager Regionalförderung von ecoplus, der Wirtschaftsagentur Niederösterreichs, für die Förderung der Hauptradrouten in Niederösterreich zuständig und erwartet sogar, dass die Frequenzzunahme der einheimischen (Tages-Radausflugs-)Gäste das Minus der ausländischen Radlerinnen und Radler in Niederösterreich kompensiert.

Neue Gebiete erschließen

Ungebremste und unkontrollierte Zuwächse können aber auch bei den Radreisen nicht das Ziel sein. Auf manchen EuroVelo-Routenabschnitten – dem europäischen Hauptradwegenetz – wird es zur Hochsaison schon eng. Paul Pfaffenbichler, Verkehrswissenschafter an der Universität für Bodenkultur Wien, leitet das EU-geförderte Interreg-Projekt „EcoVeloTour“, das Richtlinien für nachhaltigen Radtourismus entwickelt. Er schlägt vor, „auch weniger bekannte Gebiete für Radreisen zu erschließen, etwa indem seitlich vom Donauradweg abgezweigt wird. Aber auch Wels, das sich als Rennradregion positioniert, ist ein gutes Beispiel. So können auch Regionen ohne berühmte Bau- oder Naturdenkmäler von Radreisenden profitieren. Dazu braucht es entsprechende Angebote, auch was Leihräder oder den Transport der eigenen Fahrräder betrifft und leicht verfügbare Informationen im Internet und an den Strecken. „Es ist selbst bei den EuroVelo-Routen erstaunlich schwierig, im Internet detaillierte Informationen zu bekommen und die Beschilderung ist nicht immer einheitlich“, so Pfaffenbichler.

Österreichweite Koordination fehlt

Aufgrund der föderalen Struktur Österreichs agieren die Bundesländer autonom, es gibt keine übergeordnete Instanz, sondern nur Arbeitskreise in denen die Bundesländer vertreten sind. Die bundesländerübergreifende Koordination beim Radwegausbau funktioniert bisweilen informell. Er vermisst aber eine zentrale Stelle – eine „Radagentur“ – in Österreich, die für gemeinsame Entwicklungsaufgaben im Bereich Radtourismus zuständig ist, wie es sie etwa in der Schweiz mit „SchweizMobil“ gibt. „Wir wissen nur sehr punktuell über Frequenzen auf den Hauptradrouten Bescheid. Es fehlen oftmal die Informationen zur Wertschöpfung und zur Struktur des Radtourismus.“ Auch beim Qualitätsmanagement sowie bei Verleihsystemen und kombinierten Angeboten für Rad und Öffentlichen Verkehr besteht Luft nach oben.

Lokale Bevölkerung profitiert

Auch wenn die genauen Summen nicht bekannt sind, die Regionen an den wichtigen Radrouten profitieren von den Radreisenden. Das betrifft die regionale Wertschöpfung und auch die Verkehrsinfrastruktur. Zwar sind die Kriterien für touristische Radrouten, wie Rastplätze, Aussichten, Sehenswürdigkeiten, Betriebe, Verleih, Transport oder Wegweisung. nicht ident mit den Anforderungen für Alltagswege. Schöne Landschaft, möglichst autofrei spielt da beispielsweise eine größere Rolle als möglichst schnell von A nach B zu kommen. Hochrangige Radwege, wie der Donauradweg, können aber auch als schnelle und komfortable Verbindung zwischen den Orten dienen. „Aber selbst wenn eine touristische Radroute nicht stark für die Alltagswege der lokalen Bevölkerung genutzt wird, für Radausflüge nach der Arbeit oder am Wochenende spielt sie eine wichtige Rolle. Am Donauradweg hat eine Befragung ergeben, dass 40 Prozent der Frequenz durch lokale und regionale Nutzung zustandekommen“, merkt Pfaffenbichler an. Radreisen bieten auch einen Hebel hin zu einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten. Laut ADFC-Radreiseanalyse steigen 40 Prozent der Menschen, die einen Radurlaub gemacht haben, danach auch im Alltag häufiger auf das Fahrrad. Pfaffenbichler sieht hier auch eine Chance für die Städte: „Gerade in Wien ließe sich bei Radtouren Natur und Kultur sehr gut verbinden, vom Naturschutzgebiet Lobau bis zum botanischen Garten beim Schloss Belvedere. Wer im Urlaub in einer fremden Stadt mit dem Rad gefahren ist, macht das vielleicht dann auch zuhause.“

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VCÖ-Bahntest: 58 Prozent der Bahn-Fahrgäste haben Autofahrten auf die Bahn verlagert

VCÖ (Wien, 19. September 2024) – Autofahrten auf die Bahn zu verlagern, reduziert den CO2-Ausstoß und die Schadstoff-Emissionen und trägt zur Vermeidung von Staus bei. Aber was bewegt zum Umstieg vom Auto auf die Bahn? Beim diesjährigen VCÖ-Bahntest sagten 58 Prozent der Fahrgäste, dass sie heute Strecken mit der Bahn fahren, die sie früher mit dem Auto zurückgelegt haben. Als Hauptgründe wurden der Kauf eines Klimatickets und die nutzbare Reisezeit im Zug genannt. Um aktuelle Autofahrten auf die Bahn verlagern zu können, brauchen die meisten Fahrgäste eine kürzere Gesamtreisezeit sowie häufigere Verbindungen außerhalb der Hauptverkehrszeiten. Die Mobilitätsorganisation VCÖ fordert ein verbessertes Bahnangebot sowohl in den Ballungsräumen als auch auf den Regionalbahnen.

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Nahversorgung im Ort stärken, Lebensqualität erhöhen

Das Potenzial durch die Förderung des Gehens und Radfahrens die Orte zu beleben, ist in ganz Österreich groß. Die Mobilitätserhebungen zeigen, dass auch in kleineren Gemeinden jeder fünfte Alltagsweg in Gehdistanz ist. Die Hälfte der Alltagswege ist kürzer als fünf Kilometer, eine Distanz, die gut mit dem Fahrrad gefahren werden kann. Gemeinden und Städte, die im Ort gute Bedingungen zum Radfahren schaffen, werden von der Bevölkerung mit mehr Radverkehr belohnt.

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Foto: Spencer Imbrock, unsplash