Zug, Flug oder nur noch Videokonferenz?

Zug, Flug oder nur noch Videokonferenz?  

>> von Ulla Rasmussen, VCÖ-Verkehrspolitik 

Nur noch fünf Prozent der Zugreisen in Europa sind laut CER, europäischer Dachverband der Bahnunternehmen, international. Große europäische Player wie DB oder SNCF ziehen sich etwa aus dem Nachtreisezuggeschäft zurück. Die ÖBB wittern hier eine Chance und erweitern das Angebot an Nachtreisezügen. Nach der Ratifikation des Pariser Klimaabkommens erscheint dies umso vernünftiger, als die meist recht kurzen Flüge zwischen den europäischen Großstädten nicht verantwortbar sind angesichts der notwendigen Dekarbonisierung des Verkehrs bis zum Jahr 2050.

Die derzeitigen emissionsfreien Alternativen zu Flugbenzin, nämlich Agrokraftstoffe, sind nicht in so großen Mengen zu haben, ohne dass die negativen Auswirkungen auf Land und Leute ausufern.

Der Flugverkehr profitiert immens davon, eine internationale und damit per se gesetzlich schwer regulierbare Materie zu sein. Er genießt weitgehende Steuervorteile und ist vom internationalen Emissionshandel ausgenommen – und das bei anhaltender Zunahme seiner Treibhausgas-Emissionen. Der Flugverkehr ist in der EU der am stärksten wachsende Verkehrssektor – seit dem Jahr 1990 haben sich seine Treibhausgas-Emissionen auf mehr als 150 Millionen Tonnen pro Jahr fast verdoppelt. Er profitiert auch davon, weniger von historisch gewachsenen Regulationen und Infrastrukturen abhängig zu sein, wie etwa der Bahnverkehr. Bei der Bahn gibt es beispielsweise keine einzige Lokomotive, die alle technischen Merkmale aufweist, um überall in Europa fahren zu dürfen. Zusätzlich haben im Flugverkehr neue informationstechnologische Lösungen zu einer Nutzerfreundlichkeit geführt, von denen bei der Bahn nur geträumt wird.  

Die Bahn sitzt klimapolitisch zwar am längeren Ast, die Politik muss allerdings die Spielregeln dringend anpassen und etwa das Verbot von Flugtreibstoffsteuern aufheben. Die Bahngesellschaften selbst müssen sich so weit öffnen und miteinander kooperieren, dass die Bahnreise von der Ankunft über die Buchung auch bei Grenzüberschreitung so einfach wird wie derzeit eine Flug-reise. Ansonsten bleiben uns zur Dekarbonisierung des Verkehrs nur Telekonferenzen.

>> Ihre Meinung dazu an: ulla.rasmussen@vcoe.at

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