Statements zur Zukunft des öffentlichen Verkehrs

»Die SBB befasst sich auch mit Zukunftsthemen wie dem automatisierten Fahren auf der Straße.«

Karin Tausz SBB Schweizerische Bundesbahnen AG, Programmleitung selbstfahrende Fahrzeuge

Die Digitalisierung wird das Bahnfahren für die Fahrgäste noch attraktiver machen. Bereits jetzt können in der Schweiz mit einem einzigen Fahrausweis – dem SwissPass – die meisten öffentlichen Verkehrsmittel benutzt werden. Künftig wird das auch digital via Smartphone möglich sein. Die SBB entwickelt darauf aufbauend Angebote für einen einfachen, individuellen Tür-zu-Tür-Service, unter anderem auf Basis von Echtzeitdaten über mehrere Mobilitätsträger hinweg, inklusive dem Auffinden von verfügbaren Parkplätzen in der Nähe eines Bahnhofs. In der Entwicklung selbstfahrender Züge arbeitet die SBB eng mit der Branche des Öffentlichen Verkehrs zusammen. Digitalisierung wird etwa in der optimierten Steuerung der Züge genutzt werden, mit weiterentwickelten Zugleitsystemen und digitaler Stellwerktechnik, wodurch sowohl Zugpünktlichkeit als auch energiesparenderes Fahren verbessert werden. Auch mit Zukunftsthemen wie dem automatisierten Fahren auf der Straße befasst sich die SBB. Mittels nationalen und internationalen Entwicklungspartnerschaften werden Services entwickelt und getestet, die durch selbstfahrende Fahrzeuge stark an Marktbedeutung zunehmen werden, sowohl im Güter- als auch Personenverkehr wie auch im Kontext Smart City. So gestaltet der Öffentliche Verkehr den Weg in die individualisierte, smarte Mobilität von morgen.


»Mehr als 95 Prozent aller Umweltreize werden unbewusst erlebt.«

Mark van Hagen Niederländische Bahn NS, Principal Consultant Customer Experience, Research & Consulting Netherlands Railways

Um mehr Menschen für den Öffentlichen Verkehr zu gewinnen, erforscht die Niederländische Bahn kontinuierlich die Bedürfnisse der Fahrgäste. Gefühle und damit Verhalten werden beispielsweise durch Geräusche, Temperatur, Farben und Gerüche beeinflusst. Mehr als 95 Prozent aller Umweltstimuli werden dabei unbewusst erlebt. Diese Umweltreize können zu zwei unterschiedlichen Verhaltensweisen führen: zu Annäherung oder zu Vermeidung. Annäherungsverhalten äußert sich in bleiben wollen, anfangen den Ort zu erkunden, sich dem Ort verbunden fühlen und wiederkommen wollen. Es kann durch eine bewusst gewählte Gestaltung der Umwelt und das Ergänzen der richtigen Stimuli hervorgerufen werden. Der Aufenthalt in einem Bahnhof beziehungsweise im Zug ist eine Dienstleistung. Das heißt, sie wird, anders als bei einem Produkt, gleichzeitig produziert und konsumiert. Das Umfeld ist sozusagen die Verpackung der Dienstleistung. Das Leistungsumfeld – ob sauber oder schmutzig, ob ruhig oder laut – beeinflusst stark, ob die Dienstleistung als angenehm oder unangenehm wahrgenommen wird. Reibungslose Abläufe sorgen für Zufriedenheit bei den Fahrgästen, und wirklich glücklich sind die Kundinnen und Kunden, wenn sie ein perfektes Dienstleistungsumfeld mit engagiertem Personal vorfinden.


»Wir haben in den letzten Jahren all unsere Vertriebskanäle auf eine einheitliche Benutzungsoberfläche umgestellt.«

VCÖ-Magazin: Wo sehen die ÖBB die größten Herausforderungen im Personenverkehr?

Andreas Matthä: In einer zunehmend vernetzten Welt stehen die ÖBB als führender Mobilitätsanbieter Österreichs vor der Herausforderung, die gesamte Reisekette einfach und effizient zu gestalten. Wir wollen unseren Fahrgästen Dienstleistungen bieten, die am Puls der Zeit sind, ob es nun um technische Entwicklungen im Fahrzeugbereich, den einfachen Ticketkauf oder die gesamte Mobilitätskette von Tür zu Tür geht. So haben wir in den letzten Jahren unsere Vertriebskanäle auf eine moderne, einheitliche Benutzungsoberfläche umgestellt. Mit Rail&Drive bieten wir Kundinnen und Kunden ein zusätzliches Angebot für die Anschlussmobilität nach der Bahnfahrt.

VCÖ-Magazin: Die Digitalisierung eröffnet für die ÖBB neue Möglichkeiten. Wo setzen Sie da die Schwerpunkte?

Andreas Matthä: In der digitalen Geschäftsstrategie der ÖBB haben wir Themenfelder bestimmt, in denen wir die Digitalisierung stark vorantreiben möchten. Im Mittelpunkt stehen unsere Kundinnen und Kunden. Wir wollen unseren Fahrgästen ein modernes, vernetztes und nahtloses Reiseerlebnis bieten. Dazu zählt etwa eine einheitliche Buchungsmaschine für alle öffentlichen Verkehrsmittel Österreichs. Im Güterverkehr planen wir unter anderem den Aufbau einer digitalen Spedition, die den Transport von Gütern über mehrere Staaten abdecken soll. Und alle Züge, Triebfahrzeuge und Waggons werden mit Sensoren ausgestattet. Die gewonnenen Daten werden für eine „condition based maintenance“ eingesetzt, mit dem Ziel höherer Verfügbarkeit des Wagenmaterials und geringerer Kosten für die Wartung.

VCÖ-Magazin: Wo sehen Sie die Rolle der ÖBB bei der Transformation zu einem klimaverträglichen Verkehrssystem?

Andreas Matthä: Mit einem Modal Split im Güterverkehr von über 30 Prozent ist Österreich im Spitzenfeld innerhalb der EU. Die Schiene muss auch weiterhin im Vergleich zum Lkw wettbewerbsfähig bleiben. Die ÖBB befördern jährlich knapp 82 Millionen Tonnen Güter in und durch Österreich. Der Güterverkehr auf der Schiene erspart der Umwelt damit jährlich eine Million Tonnen CO2 – oder eine durchgängige Lkw-Schlange, die zweimal um die Erde führen würde.


»Der Zugang von Unternehmen aus Drittstaaten zum europäischen Markt muss auch Zugang für Unternehmen aus Europa in diesen Staaten bedeuten.«

VCÖ-Magazin: Die Bahnindustrie spielt eine wichtige Rolle in der Transformation zu einem klimaverträglichen Verkehrssystem – wo sieht der Verband der Bahnindustrie da seine Rollen und Chancen?

Angela Berger: Österreich hat im Verkehrssektor beim Klimaschutz noch einige Hausaufgaben zu machen. Aber mit einem hohen Marktanteil des Schienenverkehrs sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr ist Österreich ein „Bahnland“. Neben dem Ausbau der Hochleistungsstrecken ist auch die Erweiterung der Schienennetze in sämtlichen Städten Österreichs zu beobachten.

VCÖ-Magazin: In welcher Form verändert die rasch fortschreitende Digitalisierung die Rolle der Bahn – und des Öffentlichen Verkehrs allgemein?

Angela Berger: Die Digitalisierung bringt vor allem in der Automatisierung neue Möglichkeiten, etwa durch verkürzte Fahrintervalle, und ermöglicht viele neue Services bei mehr Komfort.

VCÖ-Magazin: Wie positioniert sich die Bahnindustrie Österreichs im internationalen Konkurrenzkampf, in dem etwa mit China ein großer Markt, aber auch ein großer Konkurrent herangewachsen ist?

Angela Berger: Unser vordringlichstes Ziel besteht darin, auf europäischer Ebene für faire Rahmenbedingungen in der Handelspolitik zu sorgen. Wenn Unternehmen aus Drittstaaten Zugang zum europäischen Markt haben, muss das für Unternehmen aus Europa in diesen Staaten auch gelten.

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