Zum Umsteigen motivieren
Immer mehr Firmen bieten Anreize, Mobilitätsgewohnheiten zu verändern. Information, Coaching, Gratis-Klimatickets, Boni und gute Radinfrastruktur sind bewährte Maßnahmen, die zum Umstieg auf Öffis oder das Fahrrad motivieren.
Von Jutta Berger
Was motiviert Menschen, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern? Sind es finanzielle Anreize, Ausbau der Radinfrastruktur oder des Öffentlichen Verkehrs, der Sieg über die eigene Bequemlichkeit? „Es geht um einen guten Mix unterschiedlicher Maßnahmen“, sagt Susanne Backmeister vom Energieinstitut Vorarlberg.
Als Projektleiterin im Fachbereich Mobilität beruft sie sich auf Ergebnisse des Interreg-Projekts Amigo (Aktive Personenmobilität in Gesundheitsprogramme von Organisationen integrieren), das in Vorarlberg, Liechtenstein und der Schweiz durchgeführt wurde. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurde das Mobilitätsverhalten von rund 1.500 pendelnden Menschen untersucht, unterschiedliche Maßnahmen wurden erprobt. Wesentliche Voraussetzungen zur Verhaltensänderung sind laut Backmeister gute Rahmenbedingungen wie überdachte Radabstellplätze, attraktive öffentliche Verkehrsanbindungen aber auch eine klare Einstellung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: „Wenn jemand neu in einer Firma anfängt und gleich zum Einstieg ein Mobilitäts-Startpaket bekommt, das zu gesundem und umweltfreundlichem Mobilitätsverhalten motiviert, ist das ein erster Anstoß.“
Mobility Maps für die Neuen
Mit der entsprechenden Hilfestellung führt der Anstoß zur Veränderung. Eine Möglichkeit dazu wurde im Amigo-Projekt erarbeitet: die Mobility Maps. Susanne Backmeister: „Der Aufwand, diese individuellen Anreisekarten zu gestalten, ist gering. Es werden Wohnort und Arbeitsort eingegeben und dann für alle Mitarbeitenden an einem Standort Mobility Maps automatisiert generiert. Der Computer liefert mögliche Fahrrad- oder ÖV-Routen, gibt Zeitaufwand, Kosten, aber auch die Höhe des CO2-Ausstoßes und den Prozentanteil des persönlichen täglichen Bewegungsbedarfes an.“ Die Mobility Maps wurden in die bereits bestehende Info-Box des Energieinstituts Vorarlberg integriert, die interessierte Firmen herunterladen können.
Ein weiteres Amigo-Tool, das nun in Vorarlberg gemeinsam mit der aks Gesundheit GmbH überarbeitet wird, ist das Bewegt-Programm, eine Art Gruppen-Coaching, das mit eigens ausgebildeten betriebsinternen Koordinatorinnen und Koordinatoren zu bewegungsaktiver Mobilität motiviert. „Eine wichtige Erfahrung des Projekts ist, dass Menschen dort abgeholt werden müssen, wo sie gerade stehen“, sagt Susanne Backmeister. „Manche brauchen nur einen kleinen Anstupser, Plakate, die sie ermuntern oder Wettbewerbe. Andere tun sich leichter, wenn sie über ihre soziale Gruppe motiviert werden, beispielsweise, wenn die Kollegin eine Radgemeinschaft vorschlägt.“ Für die Motivation in der Gruppe spielen auch spielerische Ansätze eine große Rolle. Als Beispiele nennt Backmeister bundes- oder länderweite Radwettbewerbe. Finanzielle Anreize, wie Gratis-Klimatickets, Jobräder, das Sammeln von EcoPoints, die in Gutscheine umgewandelt werden, oder Firmenaktionen für Fahrradbedarf, sind ein großer Hebel, sagt Backmeister. Ebenso aber auch restriktive Maßnahmen wie die Bewirtschaftung von Pkw-Parkplätzen.
Verena Schönfelder, Mitarbeiterin im Landeskrankenhaus Hohenems nutzt das und spart sich so die Parkgebühren. Sie radelt so oft wie möglich mit dem E-Bike zur Arbeit. Der Start in den Tag sei ein ganz anderer, sagt sie begeistert: „Das Morgenradeln tut sehr gut, ich genieße die frische Luft, nehme die Natur mit allen Sinnen wahr. Der Tag beginnt viel wacher.“ Ein eigener Spind für die Wechselkleidung macht das Radfahren komfortabler. Falls es regnet, hilft ein Regenponcho, den Verena Schönfelder bei einer Firmenaktion für 100 geradelte Kilometer bekommen hat.
Klimaticket statt Parkplatz
Die Knapp AG in Hart bei Graz bietet ihren Beschäftigten einen Tausch an: Klimaticket statt Parkplatz. Das Unternehmen motiviert seine rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Boni und dem Ausbau der Radinfrastruktur zur Änderung ihres Mobilitätsverhaltens. So werden Mitarbeitenden, die auf einen Pkw-Parkplatz verzichten, Verbundkarten zur Verfügung gestellt, die Zahl der überdachten Radabstellplätze wurde erweitert. Im Vorjahr nahmen 550 Beschäftigte die Verbundkarte in Anspruch. Markus Otruba, als Jurist bei der Knapp AG tätig, fährt seit zwei Jahren statt mit dem Auto in Kombination von Fahrrad und S-Bahn zur Arbeit. Vom Bahnhof hat er nur einen drei Minuten Fußweg bis zur Firma. Für seinen Arbeitsweg benötigt Markus Otruba insgesamt 25 bis 30 Minuten „Die Firma bezahlt das Klimaticket, wenn auf den Parkplatz verzichtet wird. Ich spare mir dadurch nicht nur Geld, sondern auch den Stau im Frühverkehr“, sagt der Datenschutzexperte. Ausschlaggebend für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad war für ihn nicht nur „der nette Bonus Klimaticket“, sondern die entspannte, zeitsparende Fahrt: „In der S-Bahn kann ich mich vorbereiten oder auf der Heimfahrt den Tag Revue passieren lassen.“ Fast alle Kolleginnen und Kollegen aus der Abteilung, die in Graz wohnen, nutzen Zug oder Bus, sagt Otruba. „Schwieriger wird es für jene, die auf dem Land wohnen, da fehlt leider noch das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln.“