VCÖ: 369 Verkehrstote sind Mahnung für mehr Verkehrssicherheitsmaßnahmen

VCÖ für niedrigere Tempolimits - Handy am Steuer ins Vormerksystem aufnehmen

VCÖ (Wien, 1. Jänner 2023) – Statt zu sinken, ist die Zahl der Verkehrstoten im Vorjahr gestiegen: 369 Menschen wurden laut vorläufigen Daten des BMI im Straßenverkehr getötet, im Jahr 2021 waren es nach vorläufigen Daten des BMI 359 und nach endgültigen Daten 362, informiert die Mobilitätsorganisation VCÖ. Besonders tragisch: 13 Kinder kamen bei Verkehrsunfällen ums Leben, mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2021. Der VCÖ fordert ein umfassendes Sicherheitspaket unter anderem mit niedrigeren Tempolimits.

„Traurig und ein Auftrag an die Politik, rasch verstärkte Verkehrssicherheitsmaßnahmen umzusetzen“, stellt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer zur heute vom Innenministerium präsentierten Verkehrsunfallbilanz 2022 fest. Erneut war die Zahl der Verkehrstoten deutlich höher, als das nationale Verkehrssicherheitsprogramm bereits für das Jahr 2020 als Ziel setzte (weniger als 312 Todesopfer). Bis zum Jahr 2030 soll laut aktuellem Verkehrssicherheitsziel die Zahl der Verkehrstoten und Schwerletzten um jeweils 50 Prozent reduziert werden und kein Kind im Straßenverkehr ums Leben kommen.

„Diese wichtigen Ziele sind nur mit zusätzlichen Maßnahmen zu erreichen. Unser Verkehrssystem muss auch deutlich mehr Rücksicht auf Schwächere nehmen, allen voran auf Kinder, ältere Menschen, Fußgängerinnen und Fußgänger“, betont VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. 13 Kinder kamen im Vorjahr bei Verkehrsunfällen ums Leben, mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2021. Die Zahl der Fußgängerinnen und Fußgänger, die bei Verkehrsunfällen getötet wurden, ist stark gestiegen, von 37 im Jahr 2021 auf 49. Mehr als die Hälfte der Todesopfer waren Seniorinnen und Senioren.

Im Ortsgebiet erhöht Verkehrsberuhigung und niedrigeres Tempo die Sicherheit für Kinder sowie Fußgängerinnen und Fußgänger. Gemeinden und Städten sollte es rechtlich einfacher gemacht werden, Tempo 30 statt 50 zu verordnen. Derzeit muss begründet werden, warum auf einer Straße im Ortsgebiet Tempo 30 gelten soll. Der VCÖ spricht sich im Sinne der Sicherheit für eine Beweislastumkehr aus: Künftig soll zu begründen sein, warum auf einer Straße Tempo 50 zulässig ist. Zudem braucht es eine Infrastrukturoffensive für Fußgängerinnen und Fußgänger, sowohl innerorts als auch in den Regionen beispielsweise zwischen Siedlungen und dem nächstgelegenen Ortsgebiet.

Für die Sicherheit der wachsenden Anzahl an Radfahrerinnen und Radfahrer ist der Ausbau und die Verbesserung der Rad-Infrastruktur die wirksamste Maßnahme. Im Vorjahr kamen 40 Radfahrerinnen und Radfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben, um zehn weniger als im Jahr 2021.

Viele schwere Verkehrsunfälle passierten auf Freilandstraßen. Auch hier tritt der VCÖ für eine Beweislastumkehr ein: Tempo 80 als Regelgeschwindigkeit und Tempo 100 als zu begründende Ausnahme. Weiterer wichtiger Punkt: Die Kontrolldichte erhöhen und das Vormerksystem erweitern, etwa um Handy am Steuer. Die beiden häufigsten Ursachen tödlicher Verkehrsunfälle – Ablenkung und Unachtsamkeit sowie nicht angepasste Geschwindigkeit – waren für rund die Hälfte der tödlichen Unfälle verantwortlich.

Der VCÖ weist darauf hin, dass es in Österreich nach Schweizer Vorbild auch mehr präventive Maßnahmen, wie mehr Bahn- und Busverbindungen in den Regionen, braucht.  Gerade am Wochenende können zudem mit Anrufsammeltaxis und Discobusse viele schwere Unfälle von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vermieden werden. In der Schweiz ist – nicht nur deshalb – die Zahl der Verkehrstoten deutlich niedriger als in Österreich: Im Jahr 2021 wurden 200 Menschen im Straßenverkehr getötet, im Vor-Coronajahr 2019 waren es 187.

VCÖ: Zahl der Verkehrstoten ist im Vorjahr statt zu sinken gestiegen  

Jahr 2022: 369 Verkehrstote (vorläufige Daten)
Jahr 2021 (vorläufige Daten des BMI): 359 Verkehrstote
Jahr 2021 (endgültige Daten Statistik Austria ): 362 Verkehrstote
Jahr 2020: 345 Verkehrstote
Jahr 2019: 416 Verkehrstote
Jahr 2018: 409 Verkehrstote
Jahr 2017: 414 Verkehrstote
Jahr 2016: 432 Verkehrstote
Jahr 2015: 479 Verkehrstote
Jahr 2014: 430 Verkehrstote
Jahr 2013: 455 Verkehrstote
Jahr 2012: 531 Verkehrstote
Jahr 2011: 523 Verkehrstote
Jahr 2010: 552 Verkehrstote

Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2023

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VCÖ: Im Vorjahr wurden 35 Fußgänger bei Verkehrsunfällen getötet – mehr als die Hälfte der Opfer über 70 Jahre

VCÖ (Wien, 14. Jänner 2022) – Die Zahl der tödlichen Fußgängerunfälle ist in Österreich im Vorjahr deutlich zurückgegangen, die größte Opfergruppe sind nach wie vor Seniorinnen und Senioren, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. 20 der 35 Fußgängerinnen und Fußgänger, die im Straßenverkehr ums Leben kamen, waren 70 Jahre oder älter. Die Hälfte der tödlichen Fußgängerunfälle mit Fremdverschulden wurden von Pkw verursacht. Der VCÖ fordert verstärkte Maßnahmen für ein seniorengerechtes Verkehrssystem im Ortsgebiet, wie mehr Verkehrsberuhigung, Tempo 30 statt 50 und übersichtliche Übergänge.

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Foto: Sarah Duit

Menschengerechtes Verkehrssystem heißt: Tempo 30 innerorts zum Standard machen

Im Jahr 1992 war die Stadt Graz mit der Umsetzung von flächendeckendem Tempo 30 mit Ausnahme der Hauptstraßen internationale Vorreiterin. Zahlreiche Städte in Österreich, etwa Dornbirn, Leoben und Mödling sowie international, wie Grenoble, Helsinki, Lille, Zürich oder Barcelona sind dem Beispiel gefolgt. Zuletzt setzte Brüssel zu Beginn des Jahres 2021 Tempo 30 im verbauten Gebiet als Standard, Tempo 50 wurde zur beschilderten Ausnahme. Im Jahr 2020 wurde in den Niederlanden im Parlament beschlossen, flächendeckend Tempo 30 einführen zu wollen. Seit 11. Mai 2021 ist dies in Spanien als erstem EU-Staat Realität, landesweit gilt Tempo 30 im Ortsgebiet auf Straßen mit einer Kfz-Fahrbahn je Richtung, Tempo 20 auf Straßen mit nur einer Fahrbahn. In Österreich wird derzeit an einer Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) gearbeitet. Es lässt sich mit Hinblick auf die lokale Lebensqualität sowie Verkehrssicherheit kaum begründen, warum Österreich dem spanischen Beispiel nicht folgen sollte.

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Grafik: VCÖ 2021