VCÖ: Flächendeckendes Parkpickerl reduzierte Auto-Pendelverkehr nach Wien

Zu schmale Gehsteige verbreitern, mehr Bäume und Grünflächen umsetzen

VCÖ (Wien, 27. Februar 2023) – Die Umsetzung der flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung hat den Auto-Pendelverkehr nach Wien reduziert, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. Während im Ballungsraum Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck an Werktagen der Autoverkehr auf Autobahnen im Vorjahr um vier bis fünf Prozent zugenommen hat, kam es bei Wiener Autobahnen im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021 zum Teil zu einem Rückgang. Und das, obwohl es im Jänner 2021 noch einen Lockdown gab. Den gesunkenen Bedarf an Pkw-Abstellplätzen sollten die Bezirke stärker als bisher nutzen, um zu schmale Gehsteige zu verbreitern, die Rad-Infrastruktur zu verbessern und um die Straßen klimafit zu machen, betont der VCÖ.

„In zahlreichen Straßen in den neuen Parkpickerl-Bezirken sind Pkw-Parkplätze frei. Was hier zu sehen ist, bestätigen auch die Zahlen der Autobahnzählstellen in und um Wien: Der Autopendelverkehr nach Wien hat durch die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung abgenommen“, fasst VCÖ-Experte Michael Schwendinger eine aktuelle VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Asfinag zusammen.

Das Parkpickerl wurde im Vorjahr mit 1. März auf ganz Wien ausgeweitet. Sowohl im Jänner, als auch im Februar waren im Vorjahr deutlich mehr Pkw auf Wiens Autobahnen unterwegs als in den beiden Vergleichsmonaten im Jahr 2021, informiert der VCÖ. So fuhren auf der A1 bei Steinhäusl im Februar 2022 um rund sieben Prozent mehr Pkw als im Februar 2021, im gesamten Jahr 2022 gab es hier aber einen Rückgang des Autoverkehrs um 1,8 Prozent. Ähnlich auf der A23 bei Inzersdorf: Im Februar 2022 waren hier um rund sechs Prozent mehr Pkw als im Februar 2021 unterwegs, im gesamten Jahr 2022 waren es um 0,3 Prozent weniger Pkw als im Jahr 2021.

Da im Vorjahr mit März die Spritpreise stark stiegen, was ebenfalls die Verkehrszunahme bremste, hat der VCÖ auch die Verkehrsentwicklung in den anderen Ballungsräumen analysiert. Ergebnis: In den anderen Ballungsräumen hat der Autoverkehr auf den Autobahnen stärker zugenommen als in Wien. So nahm der Autoverkehr auf der A1 bei Traun im Ballungsraum Linz im Vorjahr an Werktagen um rund sechs Prozent zu, bei Liefering im Ballungsraum Salzburg um rund fünf Prozent, im Ballungsraum Graz auf der A2 und der A9 um vier bis fünf Prozent und auf der A12 im Raum Innsbruck um rund fünf Prozent, informiert der VCÖ.

Auf den Wiener Autobahnen gab es hingegen einen leichten Rückgang, beispielsweise auf der A22 bei Kaisermühlen, auf der A23 bei Inzersdorf und im Umland auf der A1 bei Steinhäusl, oder eine nur geringe Zunahme von rund einem Prozent auf der A23 Höhe Donauinsel und rund zwei Prozent auf der A2 Höhe Schönbrunner Allee. Das Parkpickerl wirkt auf den Autopendelverkehr verkehrsreduzierend und vermeidet auf den einzelnen Autobahnen mehrere Tausend Autofahrten pro Tag, so die VCÖ-Analyse.

Dass es infolge der Parkraumbewirtschaftung zu Veränderungen kam, stellen auch die Städte und Gemeinden im Umland von Wien fest (sh zB https://www.derstandard.at/story/2000139642051/parkflut-im-speckguertel-gemeinden-verspueren-immer-mehr-druck). Die Bevölkerung in den neuen Parkpickerl Bezirken stellt wiederum fest, dass deutlich weniger Pkw mit nicht Wiener Kennzeichen in ihrem Bezirk parken. Die Evaluierung der Stadt Wien (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230222_OTS0090/simaemmerling-bilanz-zu-1-jahr-parkpickerl-eine-volle-erfolgsstory-fuer-wien) bestätigt diese Beobachtungen der Bevölkerung:

  • „In Floridsdorf ist der Anteil an Fahrzeugen ohne Wiener Kennzeichen von zuvor bis zu 20,3 % der abgestellten Fahrzeuge auf 7,5 % zurückgegangen“
  • „In der Donaustadt sank der Anteil der Nicht-Wiener-Kennzeichen von Spitzenwerten jenseits der 20 % auf 6,2 %.“
  • „In Liesing machten die Nicht-Wiener-Kennzeichen in der Vorher-Untersuchung einen Anteil von rund 37 % der belegten Stellplätze aus, jetzt sind es 4 %“
  • „In Hietzing war vor der Einführung ein Fünftel der Stellplätze von Fahrzeugen mit Nicht-Wiener-Kennzeichen belegt, jetzt sind es 4 %.“

„Was es nun braucht, ist mehr Tempo der Bezirke, um den frei gewordenen Platz in den Straßen für die Bevölkerung umzuwidmen, etwa um zu schmale Gehsteige zu verbreitern oder um Bäume zu pflanzen, die die negativen Folgen der Erderhitzung künftig  minimieren“, stellt VCÖ-Experte Schwendinger fest. In Wien ist rund ein Drittel der Gehsteige schmäler, als die in den offiziellen Richtlinien vorgesehenen zwei Meter, in Hietzing und Liesing sogar mehr als die Hälfte.

Auch Falschparker-Hotspots, wo immer wieder Straßenbahnen blockiert werden, sind nun rasch zu sanieren. Öffi-Fahrgäste, die einen großen Beitrag leisten, dass es in der Stadt weniger Staus gibt, erleiden derzeit wegen Falschparker immer wieder massive Verspätungen. Deshalb ist es wichtig, in diesen Bereichen statt der Pkw-Abstellplätze die Gehsteige zu verbreitern. In der Blindengasse konnte durch die Verbreiterung des Gehsteigs und der Reduktion der Pkw-Abstellplätze die Anzahl der Straßenbahn-Blockaden durch Falschparker von 100 auf knapp mehr als zehn stark reduziert werden. In Basel werden Pkw-Abstellplätze, die weniger als einen Meter von Straßenbahnschienen entfernt sind, in breitere Gehsteige oder mehr Platz für den Radverkehr umgewidmet.

Anmerkungen zu den Zählstellen:

  1. Die Auswahl der Zählstellen erfolgte nach dem Kriterium, dass für beide Jahre Daten vorhanden sind (viele Zählstellen hatten Ausfälle und verfügten nicht über diese Daten) und zweitens nach möglichster Nähe zu Wien bzw. in Wien.  Deshalb wurde für die A2 die Zählstelle Schönbrunner Allee (plus 2,2 Prozent) herangezogen und nicht die Zählstelle A2 Münchendorf, die in Niederösterreich liegt und mit 1,2 Prozent eine geringere Zunahme aufweist aus die Zählstelle A2 Schönbrunner Allee.
  2. Die Flughafen-Autobahn A4 wurde nicht berücksichtigt, weil die massiven Veränderungen der Passagierzahlen am Flughafen-Wien auch den Autoverkehr auf der A4 sehr stark beeinflusst haben und dadurch das Ergebnis völlig verzerren würde. Im Jahr 2020 und 2021 gab es am Flughafen einen Einbruch der Passagierzahlen und entsprechend gab es auf der A4 einen sehr starken Rückgang des Pkw-Verkehrs. Im Jahr 2022 hat sich die Passagieranzahl mehr als verdoppelt (siehe https://www.viennaairport.com/unternehmen/presse__news/presseaussendungen__news_2?news_beitrag_id=1674051696325), entsprechend ist der Autoverkehr auf der A4 deutlich stärker gestiegen als auf den anderen Autobahnen.

VCÖ: Parkpickerl hat verkehrsreduzierend gewirkt (Anzahl Pkw pro Werktag im Jahr 2022 (in Klammer Änderung zum Jahr 2021))

Verkehrsentwicklung auf Autobahnen in Ballungsräumen außerhalb Wiens:

A1 Traun: 93.185 Pkw (plus 6,3 % )
A1 Liefering: 85.214 Pkw (plus 5,1 %)
A2 Feldkirchen bei Graz: 71.574 Pkw (plus 4,6 %)
A9 Graz-Webling: 66.360 Pkw / Werktag (plus 5,4 % )   
A12 Ampass: 70.631 Pkw / Werktag (plus 5,4 %)

Verkehrsentwicklung auf Autobahnen im Ballungsraum Wien:

A1 Knoten Steinhäusl: 23.704 Pkw / Werktag  (minus 1,8 %)
A2 Schönbrunner Allee: 150.105 Pkw / Werktag (plus 2,2 %)
A22 Kaisermühlen: 102.654 Pkw / Werktag (minus 0,1 %)
A23 Inzersdorf: 61.638 Pkw / Werktag (minus 0,3 %)
A23 Donauinsel: 166.473 Pkw (plus 1,4 %)

Quelle: Asfinag, VCÖ 2023

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Beate Littig