VCÖ: Große Unterschiede zwischen den Bundesländern bei Pkw-Stellplatzvorgaben
VCÖ: Stellplatzvorgaben rasch an geänderte Mobilitätsanforderungen und Mobilitätsentwicklungen anpassen
VCÖ (Wien, 15. November 2024) – Bei den Stellplatzverordnungen für Pkw gibt es zwischen den Bundesländern große Unterschiede, wie eine aktuelle VCÖ-Untersuchung zeigt. Acht Bundesländer schreiben eine Mindestanzahl von Pkw-Stellplätzen vor, nur drei Bundesländer haben Höchstgrenzen. Einzelne Städte und Gemeinden haben bereits zeitgemäße Anpassungen gemacht und berücksichtigen beispielsweise die Nähe zum Öffentlichen Verkehr. Damit können auch die Kosten für Wohnbau und Wohnen reduziert werden, betont der VCÖ und fordert eine Reform der Stellplatzvorgaben.
„Acht von zehn Alltagswegen beginnen oder enden zu Hause, das Mobilitätsangebot im Wohnumfeld hat großen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten. Das zeigen auch Mobilitätserhebungen“, betont VCÖ-Experte Michael Schwendinger. In Oberösterreich beispielsweise sind Personen, die eine Haltestelle des Öffentlichen Verkehrs binnen fünf Minuten erreichen können, im Schnitt um rund 25 Prozent seltener mit dem Auto unterwegs als Personen, die mehr als 15 Minuten zur nächsten Haltestelle des Öffentlichen Verkehrs haben. Im Land Salzburg fahren Personen mit Nähe zum Öffentlichen Verkehr sogar um 30 Prozent seltener mit dem Auto.
Trotzdem fehlt in allen Bundesländern eine Vorgabe, dass neue Wohnhausanlagen gut mit dem Öffentlichen Verkehr erreichbar sein sollen. Gleichzeitig schreiben aber acht Bundesländer eine Mindestanzahl an zu errichtenden Pkw-Stellplätzen vor, wie die VCÖ-Analyse zeigt. In Kärnten werden die Vorgaben zur Gänze den Gemeinden und Städten überlassen. Höchstgrenzen gibt es nur in drei Bundesländern, in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg, dort aber nur in Teilen von Dornbirn. In Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark können Gemeinden die Mindestanzahl an vorgegebenen Stellplätzen unter bestimmten Bedingungen verringern. In Wien kann die Anzahl bei sehr guter Anbindung an den Öffentlichen Verkehr deutlich reduziert werden, leicht reduzierend wirken zudem Carsharing-Angebote. "Positiv in Wien ist auch, dass sich die Anzahl der zu errichtenden Stellplätze pro 100 Quadratmeter Wohnfläche richtet", stellt VCÖ-Experte Michael Schwendinger fest. Bei zwei kleineren Wohnungen ist dann statt zwei nur ein Pkw-Stellplatz vorgeschrieben. Damit wird Rücksicht genommen auf die steigende Anzahl von Einpersonen-Haushalten. In Österreich wirken die Stellplatzvorgaben laut WIFO-Studie als kontraproduktive Förderung für den Autoverkehr im Ausmaß von rund 300 Millionen Euro pro Jahr.
International gibt es auch Städte ohne Stellplatzverpflichtung, beispielsweise Hamburg, Berlin und Basel. „Ohne Stellplatzpflicht entstehen weniger private Garagen. Bauen wird kostengünstiger und vorhandene Anlagen werden effizienter genutzt. Eine konsequente Bewirtschaftung des öffentlichen Parkraums und attraktive Alternativen zum privaten Auto ergänzen sich“, schildert Alain Groff, der Leiter Mobilität des Kantons Basel Stadt, wo so viele Menschen wohnen wie in Linz. Bei großen Gebäuden wird statt Pkw-Parkplätzen die Umsetzung von Mobilitätsmanagement vorgeschrieben. Die Bevölkerung in Basel legt 80 Prozent ihrer Alltagswege autofrei zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Öffentlichen Verkehr zurück, in Linz werden 57 Prozent der Alltagswege autofrei zurückgelegt.
In der niederländischen Stadt Utrecht (374.000 Einwohnerinnen und Einwohner) entsteht eine autofreie Siedlung für 12.000 Menschen. Am 24 Hektar großen Areal gibt es innerhalb der Wohnblöcke keinen Autoverkehr, am Rand der Siedlung Sammelgaragen mit einer Stellplatzregelung von maximal 0,3 Pkw pro Wohneinheit. Gleichzeitig gibt es vier Radabstellplätze pro Wohnung. Marian Enders vom Planungsbüro BURA: „Um ein autofreies Viertel zu verwirklichen, braucht es von Anfang an eine ganzheitliche Vision und die Geduld, diesen Kurs während des gesamten Prozesses durchzuhalten. Der Lohn ist ein öffentlicher Raum von hoher Qualität mit viel Raum für Mensch und Natur.“
In Österreich haben einige Städte und Gemeinden ihre Stellplatzvorgaben bereits reformiert und modernisiert, beispielsweise St. Pölten, Wr. Neustadt, Zell am See und Feldkirchen bei Graz. Früher waren in Feldkirchen bei Graz generell zwei Pkw pro Wohnung vorgeschrieben. Nun ist das Gebiet in Zonen unterteilt. In Gebieten mit Nähe zum Öffentlichen Verkehr wurde die Anzahl der vorgeschriebenen Pkw-Stellplätze halbiert, und dafür Lastenrad und E-Bike-Sharing vorgeschrieben. Bei großen Wohnhausanlagen mit mehr als 60 Wohnungen ist auch Carsharing anzubieten. Für eine Wohnhausanlage mit 60 Wohnungen sinken die Mobilitätskosten um 40 Prozent. Im Vergleich zu 120 Pkw-Abstellplätzen sind die Kosten für 60 Abstellplätze, 180 Fahrradabstellplätze sowie für zehn Jahre der Betrieb von einem Carsharing Auto, zwei Lastenräder und sechs E-Bikes um 1,2 Millionen Euro günstiger. Bürgermeister Erich Gosch: „Die alte Regelung hat zu leeren Parkplätzen in Tiefgaragen geführt. Mit der neuen Stellplatzverordnung haben wir einen über Jahre geführten Prozess mit geänderten und neuen Anforderungen der Gegenwart zukunftsorientiert verabschiedet."
In Vorarlberg wiederum haben die sieben Gemeinden Bregenz, Hard, Kennelbach, Lauterach, Lustenau, Schwarzach und Wolfurt ein gemeinsames regionales Parkraummanagement umgesetzt. Kein öffentlicher Parkplatz ist kostenlos. Es gibt eigene Dauerparkplätze, Freizeitziele werden auch am Abend und am Wochenende bewirtschaftet. Eine Erhebung unter den Gemeindebediensteten der sieben Gemeinden hat gezeigt, dass nach Einführung des Parkraummanagement der Anteil der Autofahrten zur Arbeit um 17 Prozentpunkte zurückgegangen ist und der Anteil der Radfahrten um den gleichen Anteil gestiegen ist.
Pkw-Stellplatzverpflichtungen in den Bundesländern im Vergleich