VCÖ-Studie: Mobilität in Städten kann vom Gesundheitsproblem zum Gesundheitsmotor werden

VCÖ und Umweltmediziner Hutter: Luftverschmutzung und Verkehrslärm reduzieren, bewegungsaktive Mobilität stark fördern

VCÖ (Wien, 15. März 2022) – Durch Abgase, Lärm und Unfälle verursacht der Verkehr große Gesundheitsschäden. Zudem verschärfen in Städten Straßen und Parkplätze die Hitzebelastung, die vor allem für ältere Menschen und chronisch Kranke gefährlich ist. Eine heute präsentierte VCÖ-Publikation zeigt, dass aber gerade in Städten die Alltagsmobilität die Gesundheit der Menschen fördern kann. Zentrale Maßnahmen dafür sind Verkehrsberuhigung durch Tempo 30 statt 50, mehr Begegnungszonen und mehr Platz zum Gehen und Radfahren.

In den 25 größten Städten Österreichs leben rund dreieinhalb Millionen Menschen, das sind rund 40 Prozent von Österreichs Gesamtbevölkerung. Der VCÖ fordert zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung verstärkte Maßnahmen, um die Belastungen durch den Kfz-Verkehr zu reduzieren. Zudem macht der VCÖ gemeinsam mit der Bevölkerung Abschnitte mit zu hoher Abgas- und Lärmbelastung sowie Gefahrenstellen sichtbar. Diese können Bürgerinnen und Bürger einfach in eine Online Karte eintragen. Der VCÖ sammelt die Einträge und leitet sie an die jeweils zuständigen Behörden weiter.

Selbst im Coronajahr 2020 lag die Schadstoffbelastung in Österreich deutlich über den von der WHO empfohlenen Richtwerten: Bei Feinstaub PM2,5 wiesen 69 der 71 Messstationen eine Belastung von über 5 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf, bei 38 Messstationen war die Belastung sogar doppelt so hoch, informiert der VCÖ. Auch bei Stickstoffdioxid NO2 wurde der WHO-Richtwert massiv überschritten. „Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel. Die Politik ist gefordert, verstärkte Maßnahmen für saubere Luft zu setzen. Gerade im Verkehr kann und muss vieles rasch verbessert werden“, betont VCÖ-Expertin Lina Mosshammer.

Fast die Hälfte der Stickoxide verursacht der Kfz-Verkehr, macht der VCÖ aufmerksam. Beim Auspuff gelangen zudem große Mengen an extrem schädlichen Ultrafeinstaubpartikel in die Luft. Zusätzlich verursacht der Verkehr unabhängig vom Antrieb Feinstaub durch Brems- und Reifenabrieb. Weil die WHO-Luftschadstoff-Richtwerte nicht eingehalten werden, gibt es allein in Österreichs sechs größten Städten mehr als 2.100 vorzeitige Todesfälle wegen Feinstaub und Stickstoffdioxid. „Es gibt keine ungefährliche Luftverschmutzung“, betont Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien. „Auch geringe Luftverschmutzung ist schlecht für den Körper, vor allem wenn Schadstoffe Tag für Tag eingeatmet werden. Schon lange haben Ärzteorganisationen darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Vorgaben zu Feinstaub und Stickstoffdioxid zu lasch sind.“

In den Städten sind die negativen Folgen der Schadstoffe des Verkehrs besonders groß, vor allem entlang stark befahrener Straßen, wie etwa Stadteinfahrten. Die Schadstoffe beeinträchtigen die Atemwege, die Lungenfunktion und das Herz-Kreislauf-System. Deshalb sind verstärkte Maßnahmen nötig, die die Verkehrsbelastung stark reduzieren, auch um den Verkehrslärm zu verringern. Österreichweit werden rund 1,2 Millionen Menschen ab 16 Jahren in ihrem Wohnumfeld durch zu viel Straßenverkehrslärm belastet. Fast die Hälfte gibt als Hauptursache den Auto-Verkehr an, etwas mehr als ein Drittel Lkw und Busse. Motorräder und Mopeds, die weniger als zwei Prozent der Verkehrsleistung erbringen, werden von einem Fünftel als Hauptverursacher der Lärmbelastung genannt.

Dauerhafter Lärm erhöht das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck. „Es braucht in Österreichs Städten im wahrsten Sinn des Wortes mehr Verkehrsberuhigung“, betont VCÖ-Expertin Mosshammer. Tempo 30 statt 50 wirkt auf das menschliche Ohr wie eine Halbierung der Verkehrsmenge. Elektroautos können übrigens nur bis Tempo 30 ihren Vorteil leiser zu sein ausspielen. Denn über 30 km/h ist das Rollgeräusch lauter als der Motorenlärm, und damit werden E-Autos so laut wie Pkw mit Verbrennungsmotor.

Die Klimakrise führt in Österreichs Städten zu deutlich mehr Hitzetagen und Tropennächten, wie Auswertungen für Wien, Graz und Linz zeigen. Der Asphalt der Straßen und Parkplätze sowie in den Straßen parkende Autos heizen sich an Hitzetagen tagsüber massiv auf, Hitzeinseln entstehen. Straßen brauchen rasch schattenspendende Bäume und mehr Grün. Eine wirksame Maßnahme, um mehr Platz für Grün und Bäume zu schaffen, ist die Parkraumbewirtschaftung.

Während der Autoverkehr zu Gesundheitsschäden führt, kann aber Mobilität auch einen Beitrag zur Förderung der Gesundheit leisten, wie die VCÖ-Publikation „Gesunde Städte durch gesunde Mobilität" zeigt. Wer möglichst viele Alltagswege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt, spart nicht nur einiges an Spritkosten, sondern tut auch der eigenen Gesundheit Gutes. Regelmäßige Bewegung reduziert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, stärkt das Immunsystem, erhöht die Fitness.

„Was in der Ernährung Obst und Gemüse, das sind in der Mobilität Gehen und Radfahren. Umso wichtiger ist es, dass Städte und Gemeinden Bedingungen schaffen, die es der Bevölkerung erleichtern, möglichst oft gesund mobil zu sein“, betont VCÖ-Expertin Mosshammer. Zentral sind eine fußgängerfreundliche Verkehrsplanung sowie mehr Platz zum Radfahren. „Die Rad-Infrastruktur ist so zu gestalten, dass auch Familien mit Kindern sich sicher fühlen und gut mit dem Fahrrad mobil sein können“, erläutert VCÖ-Expertin Mosshammer.

Verkehrsberuhigung reduziert nicht nur Unfallrisiko, Schadstoffe und Lärmbelastung, sondern verbessert auch wesentlich die Bedingungen zum Gehen und Radfahren. Ebenso reduziert großflächiges Tempo 30 nicht nur die vom Verkehr verursachten Gesundheitsschäden, sondern fördert gesunde, bewegungsaktive Mobilität.

Auch Public-Health-Experte Hutter unterstreicht die Wichtigkeit von Maßnahmen der Verkehrs- und Stadtplanung, um Gehen und Radfahren als Alltagsmobilität zu fördern: „Bewegungsmangel ist zu einem massiven Problem in unserer Gesellschaft geworden, speziell bei Kindern. Regelmäßige körperliche Bewegung schützt uns vor Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Übergewicht, Osteoporose, Stress und Burnout sowie vor Krebserkrankungen und vorzeitigem Tod. Und Bewegung schafft Wohlbefinden und macht uns fit – geistig und körperlich. Welches Medikament schafft das noch?“

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