Mobilitätsgespräch 2020: Bringen Frauen die Mobilitätswende voran?

Frauen legen komplexere und mehr Wege auf einer Strecke zurück. Sie sind umweltfreundlicher unterwegs und nutzen vermehrt Öffentliche Verkehrsmittel sowie aktive Mobilitätsformen. Jedoch wird im männlich dominierten Mobilitätssektor nach wie vor zu wenig auf ihre Bedürfnisse eingegangen.

Über die notwendigen Schritte zur Mobilitätswende, die längst eine strengere und raschere Umsetzung verlangen, sowie über die Rolle der weiblichen Mobilität diskutierten auf Einladung von ÖBB und VCÖ am Dienstag den 25. August 2020 unter der Moderation von Karin Bauer sieben Frauen, die in führenden Positionen im Mobilitätssektor tätig sind. Die Veranstaltung wurde auch via Livestream übertragen.

WIFO-Umweltökonomin und ÖBB-Holding Aufsichtsrätin Angela Köppl machte gleich zu Beginn in Ihrem Impulsstatement auf die fehlende Kostenwahrheit in der Mobilität aufmerksam und betonte, dass die Kosten jene tragen müssten, die sie verursachen. Externe Kosten sind mehr als nur Klimakosten, auch Unfälle, Stau, schlechte Luftqualität sowie Lärm verursachen viele Kosten. Um diese Kosten zu internalisieren bedarf es einer ökologischen Steuerreform, die allerdings als Teil eines Mobilitätspaket zu verstehen sein soll, in dem auch klimaverträglichere Angebote verbessert werden.

In der Gesprächsrunde kam Köppl auf drei Bereiche zu sprechen, die kombiniert werden müssen, um die Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen. Dabei spielen die Systemperspektive, also eine breite Steuerreform, das Design, in diesem Fall die Umsetzung der Maßnahmen, sowie die Akzeptanz eine wesentliche Rolle.

AIT-Senior Scientist Alexandra Millonig setzt sich seit Jahren mit Klima- und Gendergerechter Mobilität sowie der dringend notwendigen Mobilitätsverhaltensveränderung auseinander. Weil Frauen durchschnittlich klimaverträglicher unterwegs sind, kann ein Fokus auf weibliche Bedürfnisse zu mehr Gendergerechtigkeit durch Klimagerechtigkeit führen. Allerdings kann man die Mobilitätswende genauso gut männlich nennen, da es vor allem die männlichen Mobilitätsmuster sind, die es zu ändern gilt. Eine mögliche Maßnahme wäre die Einführung von persönlichen Mobilitätskonten, um Verständnis dafür zu bekommen, wie viel und welche Arten von Mobilität möglich sind, um das CO2-Budget bis 2050 nicht zu überschreiten.

Wir können nicht warten, wir müssen jetzt Maßnahmen setzen und starten, um die Ziele zu realisieren und allen gleiche Chancen und Ziele zu gewährleisten.“ – Andrea Millonig

Im Gespräch betonte Bundesministerin Leonore Gewessler ausdrücklich, dass alle Hebel gleichzeitig in Bewegung gesetzt werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen. So gelten drei Säulen für den Öffentlichen Verkehr: bessere Infrastruktur, besseres Angebot und bessere Leistbarkeit. Dazu kommt sowohl die vermehrte Vermeidung von Wege, mehr aktive Mobilität als auch eine ökologische und soziale Steuerreform inklusive einer CO2-Bepreisung. Die Maßnahmen dazu müssen sofort umgesetzt werden. Denn die Emissionen aus dem Verkehrssektor steigen weiter an und haben trotz der Covid-19-Pandemie keinen nachhaltigen Rückgang verzeichnet. Der Einsatz für mehr Frauen in Entscheidungspositionen und Führungsgremien liegt der Ministerin besonders am Herzen, es geht nicht darum, ob es möglich ist, man muss es einfach wollen und tun, denn es gibt genug kluge und unabhängige Frauen im Mobilitätsbereich.

„Klimagerechte Mobilität muss die günstigste, effizienteste und beste Option sein“ – Bundesminister Leonore Gewessler

Auch Silvia Angelo, ÖBB-Infrastruktur Vorstandsmitglied, kam auf die Verhaltensänderungen und Trendwende im Personen- und Güterverkehr zu sprechen. Denn der Güterverkehr nimmt weiterhin zu, weshalb eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene notwendig ist. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen gesetzt werden, Preissignale reichen nicht aus, es muss auch ordnungspolitisch eingegriffen werden. Zudem unterstrich sie, dass der Öffentliche Verkehr Teil der Sharing-Ökonomie ist und somit Teil des aktuellen, gesellschaftlichen Kulturwandels. Bezüglich des 1-2-3- Ticket muss die Infrastruktur der wachsenden Nachfrage gerecht werden.

Asfinag Maut Geschäftsführerin Ursula Zechner hebt die Notwendigkeit von Multimodaler Mobilität sowie von besserer Auslastung der Fahrzeuge in Form von Fahrgemeinschaften heraus. Die Asfinag hat dazu mehrere Projekte am Laufen unter anderem das Projekt „Domino“, das aktuell in drei Pilotregionen in Österreich getestet wird und ein durchgängiges Angebot inklusive Fahrgemeinschaften sicherstellen soll.

Alexandra Millonig machte zudem auf Barrieren aufmerksam, die es im Mobilitätsbereich zu überwinden gilt. Wobei viele davon beim Menschen selbst liegen und psychologische Themen einen großen Einfluss haben, denn oft gibt es bereits gute Angebote, aber potenzielle Nutzerinnen und Nutzer schreiben sich selbst nicht die Kompetenz zu, diese auch zu nutzen. Relevant ist deshalb, dass sie sich trauen und andere Mobilitätsformen zur Gewohnheit werden, damit sie in den Alltag integriert werden.

Rail Cargo Aufsichtsrätin Eva Hieblinger-Schütz unterstreicht die Wichtigkeit von Kostenwahrheit. Bestätigt, dass auch rechtliche Möglichkeiten wie die Klimaklage für Klimaschutz im Mobilitätsbereich bestehen, gibt aber zu bedenken, dass Verkehrspolitik besser nicht durch Gerichte gemacht werden soll.

ÖBB-Holding Aufsichtsrat-Vorsitzende Andrea Reithmayer wies darauf hin, dass die Stoßrichtung in Richtung Elektrifizierung und alternative Antriebssysteme, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, bereits bei Pkw, Bus und Bahn im Gange ist. Jetzt geht es darum diese Pilotprojekte zum Alltag zu machen. Zum Thema Frauen-Förderung möchte Reithmayer, dass die ÖBB auch ein attraktiver Arbeitsplatz für Frauen in Führungspositionen ist.

Die abschließenden Worte von Traude Kogoj ÖBB Gender/Diversität Beauftragte machten deutlich, dass bereits einiges in Bewegung ist. Inklusion und Vielfalt in allen Bereichen möglich sind, sofern der Wille da ist. Es jedoch im Mobilitätssektor noch Luft nach oben gibt, welches ebenfalls zutrifft, wenn es um die Maßnahmen für die Mobilitätswende geht.

Ulla Rasmussen VCÖ-Mobilität mit Zukunft unterstrich die Wichtigkeit der Vernetzung von kompetenten Frauen im Mobilitätsbereich, wies aber auch darauf hin, dass es sowohl Verhaltensänderung als auch Maßnahmen Richtung Kostenwahrheit braucht, um die Klimaziele im Mobilitätsbereich zu erreichen.

Es wurde an diesem Abend mehrfach betont, dass es nicht ausreicht, die Bedürfnisse zu erfüllen, es ist auch eine Verhaltensänderung - vor allem bei den Männern - notwendig, um die Klimaziele im Mobilitätsbereich zu erreichen. Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern, um die Mobilitätswende zu unterstützen. Ein erster Schritt wäre eine öko-soziale Steuerreform inklusive CO2-Bepreisung, allerdings begleitet von Angebotsausbau, sowohl betreffend dem Öffentlichen Verkehr als auch die Infrastruktur für Radfahren.

 

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VCÖ: In Österreich haben bereits rund 1,67 Millionen Personen eine Jahresnetzkarte für den Öffentlichen Verkehr

VCÖ (Wien, 8. Oktober 2024) – Immer mehr Öffi-Fahrgäste haben eine Jahresnetzkarte, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. Gemeinsam mit den Klimatickets der Bundesländer und der Jahreskarte der Wiener Linien haben bereits rund 1,67 Millionen Personen eine Jahresnetzkarte für den Öffentlichen Verkehr, macht die Mobilitätsorganisation VCÖ aufmerksam. Dazu kommen noch mehr als 600.000 Netzkarten für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge. Ein gutes öffentliches Verkehrsangebot in der Nähe bringt der Bevölkerung eine große finanzielle Entlastung, insbesondere Pendlerinnen und Pendler können mit einem Klimaticket viel Geld sparen. Sowohl in Ballungsräumen als auch in den Regionen ist das öffentliche Verkehrsangebot auszubauen und zu verbessern, betont der VCÖ.

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