Mikroplastik-Emissionen des Verkehrs sind zu reduzieren

Der Verkehr ist der größte Verursacher von Mikroplastik. Reifen- und Bremsabrieb sind für große Mengen der gesundheitsschädlichen Partikel verantwortlich. Niedrigeres Tempo und leichtere Fahrzeuge reduzieren den Verschleiß.

Der Verkehr ist als größter Verursacher für mehr als die Hälfte des Mikroplastiks in der Umwelt verantwortlich.1 Der Abrieb von Fahrzeugreifen ist eine der Hauptursachen für Mikroplastik. Gewichtsmäßig stammen rund 70 Prozent des vom Verkehr verursachten Feinstaubs aus Reifen-, Brems- und Straßenabrieb.2 Vor allem sehr kleine Partikel können über Atmung und Nahrung in den menschlichen Körper gelangen und zahlreiche Erkrankungen auslösen, beispielsweise der Atemwege, Veränderungen der Leberfunktion, der Gehirnfunktion oder die Entwicklung ungeborener Kinder negativ beinflussen.3

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Reifen- und Bremsabrieb reduzieren

Pkw-Reifen verlieren über ihre Lebensdauer im Durchschnitt rund ein- bis eineinhalb Kilogramm an Masse und Lkw-Reifen im Durchschnitt sogar rund zehn Kilogramm. Je 100 Kilometer produzieren Pkw rund zwei bis drei Gramm Mikroplastik und Lkw-Reifen rund fünf bis sieben Gramm.5  Insgesamt verlieren die Reifen aller Kraftfahrzeuge in Österreich jährlich durch Abrieb 21.000 Tonnen. Davon kommen 10.000 Tonnen in Böden und 5.000 Tonnen in Gewässer.4 Über die Nahrungskette kann Mikroplastik in den menschlichen Körper gelangen.

Wie die griechische Vorsilbe „Mikro“ andeutet, handelt es sich bei Mikroplastik um kleine Kunststoffpartikel oder -fasern. Mikroplastik besteht aus Partikeln mit einem Durchmesser von bis zu fünf Millimeter.4 Vor allem die sehr kleinen Partikel können über Atmung und Nahrung in den menschlichen Körper gelangen und stellen dort eine potenzielle Gesundheitsgefährdung dar.3 Untersuchungen mit Elektronenmikroskopen zeigen, dass sich die Partikelgröße des Reifenabriebs in einem Bereich von zehn Nanometern bis einige hundert Mikrometer bewegt. Im Vergleich dazu beträgt der Durchmesser eines menschlichen Haares rund 120 Mikrometer.6

Reifenabrieb ist nicht zu unterschätzen

Bei der Kraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn werden an der Kontaktfläche Partikel abgerieben. Reifenabrieb besteht aus den gleichen Komponenten wie die Lauffläche. Das umfasst Synthesekautschuk, natürlichen Kautschuk, Ruß, Silizium, verschiedene Additive und Zink. In der Umwelt bildet der Reifenabrieb ein klumpenförmiges Konglomerat aus Reifen-, Fahrbahn- und sonstigen Staubpartikeln.

Das Ausmaß des Reifenabriebs hängt von einer Vielzahl von Faktoren, wie Fahrstil, Motorleistung, Fahrzeuggewicht, Drehmoment, Beladung, Reifenposition, Reifendruck, Materialeigenschaften, Alter des Reifens sowie Straßen- und Witterungsbedingungen, ab.

Bremsabrieb ist besonders schädlich

Beim Bremsen verursacht die Reibung zwischen Bremsscheibe und Bremsbelag einen Abrieb kleiner und kleinster Partikel. Je nach Zusammensetzung der Bremsscheibe enthalten diese neben Kohlenstoff Elemente wie Barium, Kupfer, Zirkonium, Chrom, Zinn, Eisen oder Magnesium. Durch hohe Temperaturen bis zu 600° C können dabei heftige chemische Reaktionen und kleinste Partikel entstehen, welche direkt in die Umgebung geschleudert werden.

Der Bremsabrieb wird durch das Gewicht eines Fahrzeugs, die Bremszeit, die Zusammensetzung der Bremsscheiben und -beläge, die Rotortemperaturen, die Gleitgeschwindigkeit und den Anpressdruck beeinflusst.7 Die Bandbreite des Bremsabriebs reicht bei Pkw von rund 0,8 bis 2 Gramm je 100 Kilometer, bei leichten Nutzfahrzeugen von rund 1,5 bis 3 Gramm je 100 Kilometer und bei schweren Nutzfahrzeugen von rund 5 bis 9 Gramm je 100 Kilometer.8

Grafik zeigt, wo der Reifenabrieb in welchem Ausmaß in der Umwelt landet.
ln Österreich gelangen jährlich 21.000 Tonnen Reifenabrieb in Luft, Wasser und Böden.

Umwelt und Mensch werden stark belastet

Von der Straße gelangen die Mikro- und Nanopartikel des Reifen- und Bremsabriebs in die Luft, den Boden, Oberflächengewässer und Kläranlagen. Von dort können sie direkt oder indirekt in den menschlichen Körper gelangen und gesundheitliche Probleme verursachen.

Rund 20 bis 30 Prozent der Reifenmasse bestehen aus organischen Chemikalien, welche als Weichmacher, Vulkanisationsmittel und Antioxidationsmittel beigefügt werden.9 Diese sind insbesondere in der Masse gesundheitsgefährdend. Verschiedene Zusatzstoffe können zu Veränderungen der Leberfunktion, der Insulinresistenz, der Embryoentwicklung, des Fortpflanzungssystems und der Gehirnfunktion führen.10 Partikel aus Bremsabrieb haben eine komplexe chemische Zusammensetzung und stehen in Verdacht, krebserregend und hochtoxisch zu sein.11 Das Wissen über die vollständigen toxischen Wirkungen von Bremsabrieb ist aber nach wie vor beschränkt. Je kleiner die Partikel sind, umso leichter gelangen sie über die Lunge in den Blutkreislauf.7

Einheitliche Messmethoden sind notwendig

Anfang November des Jahres 2023 hat das Europäische Parlament den von der EU-Kommission vorgeschlagenen neuen Grenzwerten (Euro7) für Schadstoff-Emissionen von Personenkraftwagen zugestimmt.12 Mit der neuen Verordnung wird es erstmals einen Grenzwert für Partikel-Emissionen von Bremsen und Reifen und Regeln für Mikroplastik-Emissionen von Reifen geben. Davon sind auch Elektro-Fahrzeuge betroffen. Die Abgasnorm Euro 7 wird für neue Kraftfahrzeuge voraussichtlich im Jahr 2026 oder 2027 in Kraft treten.13

Umweltfreundlichere Reifen sind verfügbar

Um die Probleme mit dem Reifenabrieb lösen zu können, ist eine Verpflichtung der Industrie zur Entwicklung und Herstellung von abriebarmen und umweltfreundlichen Reifen notwendig.2 Diese Verpflichtung muss auch die Eliminierung toxischer Gummibestandteile, wie bestimmte Weichmacher und Füllstoffe, in neu entwickelten Reifen beinhalten. Tests zeigen, dass es in allen Dimensionen Reifenmodelle gibt, die einen niedrigen Verschleiß bei gleichzeitig guter Fahrsicherheit aufweisen.14 Der Zielkonflikt zwischen niedrigem Reifenabrieb und guten Fahreigenschaften kann bereits jetzt von vielen Herstellern gelöst werden.

Grafik zeigt, dass mit dem Gewicht eines Fahrzeuges auch der Reifenabrieb zunimmt.
Kleinere und leichtere Pkw verursachen weniger Abrieb-Emissionen als schwere Pkw. Bei neun von zehn Autofahrten sitzt nur eine Person im Auto.

Leichtere Fahrzeuge sind sauberer

Das Gewicht der Pkw nimmt zu. Während im Jahr 2003 die in Österreich neu zugelassenen Diesel-Pkw im Schnitt etwas mehr als 1.500 Kilogramm wogen, waren es im Jahr 2021 bereits durchschnittlich 1.660 Kilogramm. Die von den Herstellern forcierten SUV treiben das Gewicht der Autoflotte in die Höhe. Der SUV-Anteil an Neuwagen nahm von acht Prozent im Jahr 2005 auf 45 Prozent im Jahr 2023 zu.15

Da leichtere Fahrzeuge einen geringeren Brems- und Reifenabrieb verursachen, sind Maßnahmen zur Verringerung des Fahrzeuggewichts unabhängig von der Antriebsart eine besonders effektive Maßnahme.7 Bei batterie-elektrischen Fahrzeugen steigt durch das höhere Gewicht der Reifenabrieb. Andererseits verringert regeneratives Bremsen, bei dem Bewegungsenergie durch Umkehren des Stromkreises zurückgewonnen wird, den Bremsabrieb.7 Es müssen daher Anreize geschaffen werden, damit die Fahrzeugindustrie leichtere und kleinere E-Fahrzeuge auf den Markt bringt und diese gekauft werden.

Temporeduktion und Verlagerung hilft

Niedrigere Tempolimits haben eine direkte Wirkung durch eine Reduktion des Brems- und Reifenabriebs, und auch eine potenzielle indirekte Wirkung durch eine Verkehrsverlagerung auf Öffentlichen Verkehr und Radfahren.4 Darüber hinaus kann eine spritsparende Fahrweise auch Reifenabrieb reduzieren. Das bedeutet beispielsweise das Vermeiden von abruptem Bremsen und raschen Beschleunigen oder der richtige Reifendruck.16

Gewässerschutzanlagen mitdenken

Mikroplastik und Feinstaub werden zum Großteil durch den (Fahrt-)Wind unkontrolliert in die weitere Umgebung verfrachtet. Sie gelangen zum Teil mit dem Niederschlagswasser auf angrenzende Flächen wie Straßenbankett oder Böschungen. Oder sie werden in Straßenabläufen gesammelt und über Entwässerungseinrichtungen zu Fließgewässern oder Versickerungsanlagen abgeleitet. Sogenannte Gewässerschutzanlagen halten einen Teil des Mikroplastiks zurück. Sie sind bei Neubau oder Sanierung von höherrangigen Straßen bereits verpflichtend.17

Verkehr verursacht zu viel Mikroplastik

Das Ziel einer Reduktion der gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Abrieb-Emissionen des Verkehrs kann durch zwei Strategien erreicht werden. Durch die Reduktion der emittierten Partikelmenge und durch eine Reduktion der Gesundheitsschädlichkeit der verwendeten Materialien. Weniger Kfz-Verkehr, kleinere statt übergewichtige Fahrzeuge und niedrigeres Tempo reduzieren den Brems- und Reifenabrieb und somit das vom Verkehr verursachte Mikroplastik. Technologische Maßnahmen, langlebigere Materialien und die Reduktion kritischer Stoffe in Reifen und Bremsen unterstützen den Prozess.

Frühzeitig geplante Maßnahmen umsetzen

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Kennzeichnungspflichten und Mindestanforderungen für Reifen sind zeitnah umzusetzen, um zu verhindern, dass Mikroplastik weiterhin in großen Mengen freigesetzt wird und problematische Stoffe in die Umwelt gelangen. Dazu ist die Entwicklung geeigneter Prüfmethoden für Reifen- und Bremsabrieb notwendig. Diese sind unter Berücksichtigung des aktuellen Entwicklungsstands und international entwickelter oder vorgeschlagener Regelungen sowie der Arbeiten der Branche rasch umzusetzen.

VCÖ-Empfehlungen

Reifen- und Bremsabrieb sind maßgeblich zu reduzieren, durch:

  • die Verlagerung von Autofahrten auf Öffentlichen Verkehr und das Fahrrad.
  • eine Reduktion des Gewichts der Automodelle.
  • niedrigere Tempolimits im Ortsgebiet sowie auf Freilandstraßen und Autobahnen.

Nachhaltige und resistente Reifen und Bremsen einsetzen

  • Einheitliche Messmethoden und regelmäßige Prüfung von Mikroplastik in der EU umsetzen, inklusive der Verfeinerung von Untersuchungsergebnissen nach Produktgruppen wie Reifenabrieb.
  • Reduktion von schädlichen Zusatzstoffen und Verpflichtung der Industrie zur Herstellung von abriebarmen Reifen.
  • Kennzeichnungspflicht für Inhaltsstoffe der Reifen auf EU-Ebene einführen und Recycling beziehungsweise Wiedernutzung der Materialien erhöhen und verbessern.
  • Zusätzlich braucht es einen verstärkten Einsatz von Gewässerschutzanlagen, um Mikroplastik frühzeitig aufzufangen.

Lina Mosshammer, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft

„Mikroplastik ist eine Gesundheits- und Umweltgefahr. Der Verkehr ist der größte Verursacher von Mikroplastik. Umso wichtiger ist es, rasch Maßnahmen zu setzen, um die durch Reifen-, Brems- und Straßen-abrieb verursachten Emissionen deutlich zu reduzieren.“

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Die inhaltliche und redaktionelle Erstellung des VCÖ-Factsheets erfolgt durch den VCÖ. Der Inhalt muss nicht mit der Meinung der unterstützenden Institutionen übereinstimmen. Dieses Factsheet entstand mit finanzieller Unterstützung von Land Steiermark, Land Tirol und Land Oberösterreich.

Quellen

Inhaltliche Recherche von Dipl.-Ing. Dr. Paul Christian Pfaffenbichler, Institut für Verkehrswesen, Universität für Bodenkultur Wien

Quellen

1 Anderl M. u.a.: Emissionstrends 1990-2021 - Ein Überblick über die Verursacher von Luftschadstoffen in Österreich (Datenstand 2023). Wien: Umweltbundesamt, 2023.  Stand 12.02.2024 Weblink
2 Prenner S. u.a.: Static modelling of the material flows of micro- and nanoplastic particles caused by the use of vehicle tyres. In: Environmental Pollution 290: 118102  
3 Naegelen I.: Mikroplastik als Gesundheitsgefahr für den Menschen. In: Biologie in Unserer Zeit, 49/4, S. 241–242 (2019). Stand 12.01.2024 Weblink
4 Prenner S. u.a.: How tyre wear of trucks and passenger cars gets into the environment and the human body. In: Europainfo 22/4, S. 7-9 (2023). Stand 12.01.2024 Weblink
5 Pfaffenbichler P. (2024): Eigene Berechnungen basierend auf Prenner S. u.a.: How tyre wear of trucks and passenger cars gets into the environment and the human body. In: Europainfo 22/4, S. 7-9 (2023). Stand 12.01.2024 Weblink
6 Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter, ein Mikrometer ist ein Millionstel Meter.  
7 OECD: Non-exhaust Particulate Emissions from Road Transport - An Ignored Environmental Policy Challenge. Paris: OECD Publishing, 2020. DOI: 10.1787/33a1a904-en  
8 Mamakos A. u.a.: Brake Wear-Relevant Contribution to Vehicle Emissions. Graz: 2022.  
9 Weyrauch S. u.a.: Accelerated aging of tire and road wear particles by elevated temperature, artificial sunlight and mechanical stress - A laboratory study on particle properties, extractables and leachables. In: Science of the Total Environment, Elsevier B.V., 904, 166679 (2023). Stand 12.01.2024 Weblink
10 Forest V., Pourchez J.: Biological effects of brake wear particles in mammalian models: A systemic review. In: Science of the Total Environment 905 (2023). DOI: 10.1016/j.scitotenv.2023.167266  
11 Eigner S.: Bremsen als Feinstaubschleudern. TU Graz News: 2021. Stand 12.01.2024 Weblink
12 Europäisches Parlament: Euro 7 - Neue Vorschriften zur Verringerung der Emissionen im Straßenverkehr. Pressedienst des Europäischen Parlaments, 2023. Stand 12.01.2024 Weblink
13 Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Motoren sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer Emissionen und der Dauerhaltbarkeit von Batterien (Euro 7) und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) 595/2009. Brüssel: Europäische Kommission, 2022. Stand 12.01.2024 Weblink
14 ADAC: Dem Mikroplastik auf der Spur - Weniger Reifenabrieb ist möglich. ADAC, 2024. 12.01.2024 Weblink
15 Statistik Austria: Zulassungen 2023 - Tabellen zur Pressekonferenz am 11. Jänner 2024. Wien: 2024. Stand 12.01.2024 Weblink
16 Klimaaktiv: Umweltproblem: Mikroplastik aus Reifenabrieb. Wien: 2022. Stand 16.01.2024 Weblink
17 Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie: Aktionsplan Mikroplastik 2022-2025. Wien: 2022. Stand 12.01.2024 Weblink

 

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