Mobilitätsmanagement in Betrieben als Chance nutzen

Arbeits- und Dienstwege sind ein relevanter Klimafaktor. Betriebliches Mobilitätsmanagement ist ein effektives, praxiserprobtes Instrument, mit dem Unternehmen auch soziale Verantwortung übernehmen und im Wettbewerb um Fachkräfte punkten können.

VCÖ-Factsheet "Mobilitätsmanagement in Betrieben als Chance nutzen" als PDF

Mit 26 Prozent sind Arbeitswege werktags der häufigste Wegzweck. Der Auto-Anteil ist dabei mit zwei Drittel deutlich höher als der allgemeine Durchschnitt von 47 Prozent. Obwohl Arbeitswege sehr regelmäßig und oft mit ähnlichem Ziel verlaufen, ist der Anteil an Fahrgemeinschaften mit fünf Prozent unterdurchschnittlich. Dienstwege werden sogar zu drei Vierteln im Auto erledigt.1 Per Auto zurückgelegte Arbeits- und Dienstwege zusammen verursachen werktags mehr als die Hälfte des Autoverkehrs der Haushalte in Österreich. Jährlich werden dadurch fast vier Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen.2,3

Transformationschance Arbeitsweg

Routinen am Arbeitsweg beeinflussen auch das restliche Mobilitätsverhalten stark. Da viele Beschäftigte täglich, zur gleichen Zeit, in ähnliche Richtungen pendeln, bieten sich gemeinschaftliche oder öffentliche Mobilitätslösungen an. Zudem sind 57 Prozent der Arbeitswege in Österreich kürzer als zehn Kilometer, der Fahrrad-Anteil beträgt jedoch nur sieben Prozent.1 Arbeitswege sind daher eine große Chance für die Mobilitätswende. Mit den Unternehmen gibt es zentrale Akteure, die durch Mobilitätsmanagement rasch effektive Maßnahmen umsetzen können.

Vielfältige Ansatzpunkte und Handlungsfelder

Betriebliches Mobilitätsmanagement umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens im Sinne einer effizienten, umwelt- und sozialverträglichen Gestaltung betrieblicher Mobilität: Warentransport, Fuhrpark, Mobilität von Kundinnen und Kunden sowie Arbeits- und Dienstwege der Beschäftigten. Während die Logistik im Hinblick auf Effizienz meist weitgehend optimiert ist, rückt Mobilitätsmanagement erst langsam in den Fokus von Unternehmen. Anlässe dafür sind etwa der Wettbewerb um Fachkräfte, steigende Kosten für Fuhrpark und Pkw-Abstellflächen sowie die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit. Auch durch die ab dem Jahr 2024 von größeren Unternehmen umzusetzende EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) wird die Relevanz von Mobilitätsmanagement zunehmen.4

Vielfältiges Mobilitätsangebot am Arbeitsweg wirkt

Seit Oktober 2021 setzt Blum mit rund 7.000 Beschäftigten betriebliches Mobilitätsmanagement um. Das Angebot umfasst Jobräder, Job- und Schnuppertickets, Umstellung auf einen E-Fuhrpark, ein Öko-Punktesystem sowie Bewusstseinsbildung. Jobräder und Jobtickets werden gefördert, wenn auf den Pkw-Stellplatz verzichtet wird. Per Juni 2023 wurden bereits 2.600 Jobräder und 1.000 Öffi-Jahreskarten vergeben. Die gesammelten Öko-Punkte können gegen Gutscheine getauscht oder auch für soziale Projekte wie die Kinderkrebshilfe gespendet werden. Vor Umsetzung des Projekts wurden 62 Prozent der Arbeitswege per Pkw erledigt. Eineinhalb Jahre später sind es noch 55 Prozent – an Spitzentagen kommt bereits mehr als die Hälfte der Belegschaft per Bus, Bahn, mit dem Fahrrad, zu Fuß oder in Fahrgemeinschaften zur Arbeit.22

Mehr Good Practice-Beispiele

Devise „Den Arbeitsweg zum Fitnessstudio machen“

Das EU Interreg-Projekt „Amigo“ wurde vom Jahr 2019 bis 2022 durchgeführt und hatte zum Ziel, den Anteil an bewegungsaktiv zurückgelegten Arbeitswegen in neun Pilotbetrieben in Vorarlberg, Liechtenstein und dem Kanton St. Gallen zu steigern. Fokus war die Verknüpfung von Mobilitätsmanagement mit betrieblicher Gesundheitsförderung, bei der Arbeitswege als Bewegungschance meist ausgeblendet bleiben, obwohl beispielsweise in den Pilotbetrieben 70 Prozent der Beschäftigten im Umkreis von 15 Kilometer vom Arbeitsplatz wohnen. Zu den 20 umgesetzten Maßnahmen zählten Infrastrukturverbesserungen für Radfahrende, Wissensvermittlung, Motivationsaktionen, finanzielle Anreize sowie die Einbindung von Führungskräften zwecks Vorbildfunktion. Es wurden 900 individuelle „Mobility Maps“ verteilt, die Zeit, Kosten, CO2-Emissionen sowie Gesundheitsnutzen verschiedener Mobilitätsalternativen am Arbeitsweg aufzeigen. Im Rahmen eines Bewegungsprogramms wurden betriebsinterne Koordinatorinnen und Koordinatoren geschult, die die Beschäftigten beim Umstieg begleiteten. Eine Evaluierung zeigt, dass der Pkw-Anteil bei Arbeitswegen in den Pilotbetrieben von 54 Prozent im Jahr 2020 auf 49 Prozent im Oktober 2022 reduziert werden konnte. 40 Prozent der Befragten wurden zur häufigeren Nutzung von Fahrrad, Öffentlichem Verkehr und Fahrgemeinschaften motiviert und 96 Prozent der Teilnehmenden am Bewegungsprogramm kennen nun Strategien, ihre Alltagsaktivität zu steigern sowie die physische und mentale Gesundheit zu verbessern.1,2

Geschäftsflüge zur Ausnahme machen

Die britische Bankengruppe Lloyds hat sich zwei Ziele gesetzt, um die CO2-Emissionen des Flugverkehrs im eigenen Wirkungsbereich zu reduzieren. Einerseits wird angestrebt, die CO2-Emissionen der Luftfahrtunternehmen im Portfolio bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 zu reduzieren. Das zweite Ziel ist die Halbierung der CO2-Emissionen bei Dienstreisen bis zum Jahr 2022 gegenüber dem Jahr 2019. Erreicht soll das Ziel über eine strenge Dienstreiserichtlinie werden, die Flugreisen zur zu begründenden Ausnahme macht. Zusätzlich sollen durch langfristige Planung Meetings gebündelt und somit Reisen vermieden werden.3,4

Interne CO2-Bepreisung zeigt Wirkung

Der Schweizer Versicherungskonzern Swiss Re hat sich das Ziel gesetzt, in den Jahren 2022 bis 2024 die Anzahl der jährlichen Geschäftsflüge um 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2018 zu reduzieren. Dabei wird einerseits auf den stärkeren Einsatz von Videokonferenzen gesetzt, andererseits wurde ein interner CO2-Preis von rund 100 Euro je Tonne sowie verbindliche CO2-Budgets je Firmeneinheit umgesetzt. Im Geschäftsjahr 2022 wurde das gesetzte Ziel übertroffen und sogar 70 Prozent weniger geflogen, als noch im Jahr 2018. Das mit dem internen CO2-Preis eingenommene Geld wird für CO2-Vermeidungszertifikate und CO2-Entfernungszertifikate ausgegeben.5

Gestaffelte Parkraumbewirtschaftung finanziert Mobilitätsmanagement

Durch die Zusammenlegung aller Standorte kommen rund 3.000 Beschäftigte werktäglich zum ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg. Für die 750 Stellplätze wurde ein Parkraumbewirtschaftungssystem eingeführt. Stellplatz-Berechtigungen werden nach einem Punkteschema vergeben, das auf der Anreisedauer im Öffentlichen Verkehr basiert. Wer im Umkreis von zwei Kilometern wohnt, kann keinen Pkw-Stellplatz in Anspruch nehmen. Die Gebühren für einen Pkw-Stellplatz sind einkommensabhängig und reichen von 15 Euro bis 120 Euro pro Monat, ausgenommen sind Beschäftigte mit körperlichen Einschränkungen. Die Einnahmen werden zur Finanzierung anderer Maßnahmen im Bereich Mobilitätsmanagement verwendet, etwa zur Unterstützung von Öffi-Jahreskarten sowie einem geförderten Mietfahrrad-Modell. Auch Fahrrad-Abstellplätze sowie Umkleiden wurden neu gestaltet. Im Jahr 2016 kamen 66 Prozent der Beschäftigten mit dem Auto zur Arbeit. Nach Umsetzung des Mobilitätsmanagements waren es im Jahr 2023 nur noch 38 Prozent, während bereits 62 Prozent den Öffentlichen Verkehr für den Arbeitsweg nutzen.6

Auf der Autobahn zur Mobilitätswende

Mit einem Fokus auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit startete die Asfinag im Jahr 2021 ein umfassendes Mobilitätsmanagement-Projekt. Die Anzahl der Dienstwagen-Flotte wurde um rund 200 Autos reduziert. Im Gegenzug wurde ein Poolfahrzeug-Konzept umgesetzt, womit den rund 3.000 Beschäftigten nun E-Pkw zur Privatnutzung auch an Wochenenden zur Verfügung stehen. Seit dem Jahr 2022 werden nur noch E-Pkw angeschafft und eine interne E-Ladeinfrastruktur aufgebaut. Bei Dienstreisen gilt „digital first“. Die Nutzung der Bahn wird durch einfache Abwicklung via App erleichtert, für Bahnfahrten ab zwei Stunden kann die 1. Klasse gebucht werden. Dadurch werden pro Jahr rund 830.000 Kilometer vom Pkw auf die Schiene verlagert. Die Anzahl der Geschäftsflüge hat sich von vormals etwa 600 pro Jahr auf 15 im Jahr 2022 reduziert. Als Pilotprojekt bekamen freiwillige Mitarbeitende in Kooperation mit der Wegfinder App ein monatliches Mobilitätsbudget in Höhe von 50 Euro zur Verfügung gestellt. Dieses konnte über die Wegfinder-App für verschiedenste Mobilitätsformen privat genutzt werden. Bewegungsaktive Mobilität wird neben kostenlosen Fahrrad-Checks, einer Bewegungs-Challenge und Bewusstseinsbildung auch durch acht E-Fahrräder und vier E-Scooter im internen Fahrzeugpool gefördert.7,8,9

Mobilitätsanbieter macht Mobilitätsmanagement

Im Jahr 2019 starteten die Wiener Linien ihr betriebliches Mobilitätsmanagement mit einer umfassenden Mobilitätsbefragung, um den Status Quo und Bedürfnisse der Beschäftigten abzufragen. Für Pkw-Stellplätze an den Betriebsstandorten wurde eine Mobilitätsabgabe eingeführt, deren Einnahmen zur Finanzierung anderer Mobilitätsmaßnahmen verwendet werden. Darüber hinaus können Beschäftigte etwa das öffentliche Bike- und Carsharing der Wiener Linien vergünstigt nutzen und auch der Kauf des Klimatickets Österreich wird finanziell unterstützt. Zur Förderung von Fahrgemeinschaften wurde eine app-basierte Mitfahrbörse eingerichtet. Auch in Maßnahmen zur Förderung bewegungsaktiver Mobilität wird investiert. So wurde am Hauptstandort mit knapp 2.000 Beschäftigten eine neue Fahrradgarage inklusive Duschen, Spinde, E-Ladeinfrastruktur und einer Radservicestation sowie E-Dienstfahrrädern errichtet. Auch an anderen Dienststellen wird die Anzahl der Rad-Abstellanlagen ausgebaut. Zusätzlich gibt es kostenlose Radservice-Tage, E-Bike-Testwochen, Reparaturworkshops und Radfahr-Trainings für die Belegschaft. Zur Bekanntmachung der Maßnahmen gibt es Infos dazu in der Willkommensbroschüre für neue Mitarbeitende sowie einen eigenen Bereich zu Mobilitätsmanagement im Intranet. Im Jahr 2023 wurde erneut eine Mobilitätsbefragung für Mitarbeitende durchgeführt, welche eine Verlagerung hin zu klimaverträglichen Mobilitätsformen am Arbeitsweg aufzeigt.10

Quellen:

1: Energieinstitut Vorarlberg: AMIGO – betriebliches Mobilitätsmanagement mit Gesundheitsförderung verbinden. Einreichunterlagen für VCÖ-Mobilitätspreis 2023. Wien: 2023
2: https://www.interreg.org/interreg-v/projekte/P3/SZ8/abh089, Zugriff am 14.7.2023
3: https://travelsmartcampaign.org/wp-content/uploads/Lloyds-Banking-Group-Case-Study-04.2023.pdf
4: https://www.lloydsbankinggroup.com/assets/pdfs/who-we-are/responsible-business/downloads/2022-reporting/2022-lbg-environmental-sustainability-report.pdf, S.34, Zugriff am 14.7.2023
5: https://www.swissre.com/dam/jcr:5d88bdd8-8aa1-42da-ae69-028a45da60ae/2022-sustainability-report-doc-en.pdf, S.54, Zugriff am 14.7.2023
6: ORF: Schriftliche Anfragebeantwortung am 16.5.2023 und 19.5.2023. Wien: 2023
7: Mündliche Auskunft am 30.5.2023 und schriftliche Anfragebeantwortung am 2.6.2023
8: Asfinag: Mobilitätskonzept 2.0 der ASFINAG. Einreichunterlagen für VCÖ-Mobilitätspreis 2023. Wien: 2023
9: https://www.klimaaktiv.at/mobilitaet/mobilitaetsmanagem/betriebe/best-practice-beispiele/asfinag.html
10: Wiener Linien: Schriftliche Anfragenbeantwortung im Juli 2023. Wien: 2023

 

Das Rad muss nicht neu erfunden werden

Mobilitätsmanagement ist praxiserprobt und wirkt, wie zahlreiche Beispiele zeigen.5 Für die Umsetzung kann auf vorhandene Erfahrungen zurückgegriffen werden.6 In einem Projekt mit Unternehmen aus Österreich, der Schweiz und Liechtenstein wurden 35 Maßnahmen zu einem „Werkzeugkasten“ zusammengestellt, erläutert und nach Kosten und Wirksamkeit bewertet. Die Maßnahmen lassen sich in vier Handlungsbereiche einteilen:7

Analyse und Schaffung von Grundlagen: Zur Entwicklung effektiver Maßnahmen bedarf es einer Erhebung der Ausgangslage, die auch die Grundlage für Potenzialanalysen und spätere Evaluierungen ist. Neben dem Mobilitätsverhalten sind auch Bedürfnisse und Einstellungen der Beschäftigten relevant. Zudem sollten auch Zielsetzungen, Zuständigkeiten und die Einbettung in bestehende Strukturen frühzeitig geklärt werden.

Organisation und Anreizsysteme: Durch organisatorische Anpassungen können Standards gesetzt und Veränderungen angestoßen werden.  Beispiele sind die Flexibilisierung oder Abstimmung der Arbeitszeiten auf Fahrpläne des Öffentlichen Verkehrs, Einführung von Parkraumbewirtschaftung, Angebot von Öffi-Jobtickets oder Jobrädern, Info-Pakete für neue Beschäftigte oder die Unterstützung von Fahrgemeinschaften. Auch Anreizsysteme können wirken, etwa die Möglichkeit, Punkte für nachhaltig zurückgelegte Wege zu sammeln, die gegen Vergünstigungen eingetauscht werden können.

Infrastruktur: Über die Standortwahl sowie betriebseigene Infrastruktur können Unternehmen die Bedingungen zur Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel direkt beeinflussen. Neben Angebot und Platzierung von hochwertigen Rad-Abstellplätzen zählen dazu auch Umkleiden und Duschen, Abfahrtsmonitore, E-Ladestellen, die Einrichtung von Werksverkehr oder Bereitstellung von Sharing- Fahrzeugen. Zudem können sich Unternehmen alleine oder gemeinsam mit anderen für attraktive Radwege sowie einen guten Anschluss an den Öffentlichen Verkehr einsetzen. Ein gelungenes Beispiel ist die neue Landbuslinie 164 im Rheintal, die seit Mai 2022 ein Wohngebiet mit dem Industriezentrum Lustenau verbindet und in Kooperation mit dem Unternehmen Blum konzipiert und umgesetzt wurde.8,9

Information und Bewusstseinsbildung: Maßnahmen können nur wirken, wenn sie auch bekannt sind. Wissen über Mobilitätsangebote kann sowohl via Intranet, Newsletter, Broschüren oder in Beratungsgesprächen vermittelt werden. Wichtig und effektiv ist auch die Vorbildwirkung der Führungsebene. Zudem können Kampagnen, Test- und Service-Aktionen zum Umdenken motivieren. An der Initiative „Österreich radelt“ nahmen etwa im Jahr 2022 mehr als 600 Unternehmen und 11.000 Beschäftigte teil.10

Grafik illustriert die Vorteile von Mobilitätsmanagement
Von effizientem Mobilitätsmanagement profitieren alle Seiten: Unternehmen, Beschäftigte, die Gesellschaft und das Klima.

Klimaschädliche Geschäftsflüge reduzieren

Auch Geschäftsreisen sind im Rahmen von Mobilitätsmanagement relevant. Da rund ein Viertel der Geschäftsreisenden Premium Class- Tickets buchen und diese aufgrund des größeren Platzanspruchs pro Person einen rund dreifach höheren Treibstoffverbrauch als Economy Class- Tickets verursachen, haben Geschäftsflüge eine besonders schlechte Klimabilanz.11,12 Eine Studie schätzt, dass Dienstreisen für 25 bis 30 Prozent der CO2-Emissionen des Flugverkehrs auf EU- Ebene verantwortlich sind.13 Ein Ansatz besteht darin, Flugreisen nach den Kriterien „vermeiden, verlagern, verbessern“ zu bewerten.14,15 Oberste Priorität hat dabei die Vermeidung von Geschäftsflügen durch Videokonferenzen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass alleine dadurch 40 Prozent der Geschäftsflüge eingespart werden können.16 Viele Kurzstreckenflüge könnten auf Direkt- und Nachtzugverbindungen verlagert werden, welche für knapp die Hälfte der meistgenutzten Flugstrecken in Europa zur Verfügung stehen.17 Wesentlich dafür sind Dienstreiserichtlinien, die klimaverträgliche Optionen priorisieren. So konnte etwa das Unternehmen Haberkorn die Anzahl der dienstlich geflogenen Kilometer vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2021 um mehr als ein Drittel reduzieren.18 Lassen sich Geschäftsflüge weder vermeiden noch verlagern, kann die Klimabilanz durch Buchung von Economy Class-Tickets und geprüften CO2-Kompensationen verbessert werden. Dass großer Handlungsbedarf besteht, zeigt das „Travel Smart Ranking“ von Transport & Environment, wonach 272 von 322 untersuchten globalen Unternehmen (darunter neun aus Österreich) derzeit keinerlei Reduktionsziele für dienstlichen Flugverkehr festgelegt haben.13

Erfolgsfaktoren für die Umsetzung nutzen

Erfolgreiches Mobilitätsmanagement ist immer auf die Ausgangslage von Unternehmen angepasst. Es gibt aber einige allgemeine Erfolgsfaktoren:

• Klare Strukturen, Zuständigkeiten, Prozesse und Budgets sowie regelmäßige Evaluierungen sind zentral für eine effiziente Umsetzung.

• Die Ernennung von engagierten, hauptverantwortlichen Mobilitätsbeauftragten schafft eine zentrale Anlaufstelle für Fragen und Anregungen sowie Sichtbarkeit und Verbindlichkeit.

• Erfolgschancen und Motivation steigen, wenn der Nutzen des Mobilitätsmanagements für Beschäftigte und Unternehmen sichtbar ist und regelmäßig kommuniziert wird.

• Damit Maßnahmen wirken, müssen sie im Unternehmen gelebt werden. Die Vorbildwirkung der Geschäftsführung spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch in relevanten Strategiepapieren und Jahresberichten sollten sich die Ziele im Bereich Mobilitätsmanagement widerspiegeln.

Umsetzung zum Standard machen

Betriebliches Mobilitätsmanagement wird meist dann konsequent umgesetzt, wenn damit auf eine konkrete Herausforderung reagiert wird – sei es neuer Flächenbedarf für Betriebsausweitungen, Fachkräftemangel und Personalbindung oder gesetzliche Vorgaben. In Frankreich müssen beispielsweise seit dem Jahr 2019 verpflichtend nachhaltige Mobilitätsmaßnahmen in sozialpartnerschaftliche Verhandlungen aufgenommen werden. Geschieht dies nicht, muss von Unternehmen alternativ ein Mobilitätsplan für Mitarbeitende erstellt werden.19 In Italien gilt seit dem Jahr 2021 für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen mit mehr als 100 Beschäftigten die Pflicht, einen jährlich zu aktualisierenden Maßnahmenplan für Arbeitswege zu erstellen und eine mobilitätsbeauftragte Person zu ernennen.20

Unterstützung ausbauen, Hürden reduzieren

Mit dem klimaaktiv mobil-Programm „Mobilitätsmanagement für Betriebe, Bauträger und Flottenbetreiber“ gibt es in Österreich ein umfangreiches,  kostenfreies Beratungsprogramm, finanzielle Förderungen bei der Umsetzung sowie Hilfestellung bei konkreten Fördereinreichungen. Im Jahr 2022 konnten damit knapp 90 Projekte im betrieblichen Kontext mit einer Fördersumme von mehr als 40 Millionen Euro genehmigt werden.21 Durch das Jobrad-Modell sowie Öffi- Jobtickets können Unternehmen klimaverträgliche und gesunde Mobilität am Arbeitsweg steuerfrei unterstützen – wobei die Jobrad-Regelung derzeit nicht für Beschäftigte mit kollektivvertraglicher Entlohnung greift. Seit dem Jahr 2023 kann auch das Laden von privaten E-Pkw steuerfrei gefördert werden, ebenso die Nutzung von Carsharing – nicht jedoch private Fahrgemeinschaften. Weitere Anreize, wie Reparaturgutscheine, sind als Sachbezug zu versteuern. Eine Hürde für Unternehmen sind dabei weniger die Kosten, als der administrative Aufwand. Abhilfe könnte eine sachbezugsfreie Mobilitätspauschale von 50 Euro pro Person und Monat schaffen. In Frankreich wurde eine ähnliche Regelung im Jahr 2020 gesetzlich fixiert.19

VCÖ-Empfehlungen

Mobilitätsmanagement als Hebel für Transformation nutzen

  • Arbeits- und Dienstwege verursachen sehr viel Verkehr und prägen Mobilitätsroutinen – ein optimaler Ansatzpunkt für die notwendige Transformation des Verkehrs in Richtung Klimaverträglichkeit.

  • Geschäftsreisen per Flugzeug sind besonders klimaschädlich. Ein großer Teil davon könnte durch Videokonferenzen ersetzt oder auf die Bahn verlagert werden.

  • Unternehmen tragen eine soziale Verantwortung für die Mobilität der Beschäftigten. Durch das Motto „Fördern und Fordern“ kann es gelingen, betriebliches Mobilitätsmanagement zum Standard zu machen.

Rahmenbedingungen anpassen, Hürden aus dem Weg räumen

  • Die Umsetzung einer sachbezugsfreien Mobilitätspauschale würde helfen, administrative Hürden für Unternehmen aus dem Weg zu räumen.

  • Für Unternehmen ab 50 Beschäftigten sollte es dafür zum verpflichtenden Standard werden, betriebliches Mobilitätsmanagement umzusetzen.

Michael Schwendinger, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft

„Wäre betriebliches Mobilitätsmanagement nicht längst erfolgreiche Praxis, müsste man es erfinden. Viele Unternehmen zeigen bereits, dass sowohl Beschäftigte, als auch Umwelt und Betrieb profitieren. So bleibt es Aufgabe der Politik rasch Maßnahmen zu setzen, damit es in Österreich zum Standard wird.“

VCÖ-Factsheet "Mobilitätsmanagement in Betrieben als Chance nutzen" als PDF


Die inhaltliche und redaktionelle Erstellung des VCÖ-Factsheets erfolgt durch den VCÖ. Der Inhalt muss nicht mit der Meinung der unterstützenden Institutionen übereinstimmen. Dieses Factsheet entstand mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Inhaltliche Bearbeitung in Kooperation mit dem Energieinstitut Vorarlberg.

Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: VCÖ, 1050 Wien, ZVR-Zahl 674059554. Impressum: VCÖ, Bräuhausgasse 7-9, 1050 Wien, T +43-(0)1-893 26 97, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at

Kostenfreie Beratung zu Mobilitätsmanagement für Betriebe, Freizeit und Tourismus-Einrichtungen, Bauträger, Städte, Gemeinden, Regionen, Bildungseinrichtungen und Verwaltung unter: www.klimaaktivmobil.at


Quellen
1 Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit): Ergebnisbericht zur österreichweiten Mobilitätserhebung "Österreich unterwegs 2013/14". Wien: 2016.  
2 Umweltbundesamt: Emissionskennzahlen Datenbasis 2020. Aktualisiert November 2022. Wien: 2022  
3 VCÖ: Eigene Berechnungen. Wien: 2023  
4 Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Berlin: 2023. - Stand: 25.07.2023 Weblink
5 VCÖ: Vorbildhafte Mobilitätsprojekte. Online-Datenbank. Wien: 2023 Weblink
6 Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): klimaaktiv mobil. Mobilitätsmanagement für Betriebe und Bauträger. Best-Practice Beispiele. Wien: 2023 - Stand: 25.07.2023 Weblink
7 Energieinstitut Vorarlberg: Pendler*innen-Box: Werkzeuge für Mobilitätsmanagement. Dornbirn: 2023. - Stand: 25.07.2023 Weblink
8 Energieinstitut Vorarlberg: Interview: "Wir bei Blum fahren Bus und Rad". Dornbirn: 2023. - Stand: 25.07.2023 Weblink
9 Landbus Unterland: Neue Linie 54a. Dornbirn: 2023. - Stand: 25.07.2023 Weblink
10 Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): Ganz Österreich radelt für Klima und Gesundheit. 20.3.3023. Wien: 2023 - Stand: 25.7.2023 Weblink
11 Bofinger H. und Strand J.: Calculating the Carbon Footprint from Different Classes of Air Travel. World Bank Policy Research. 2013.  
12 Simon V. und Murphy A.: Roadmap to climate neutral aviation in Europe. Transport & Environment. 2022.  
13 Travel Smart: Travel Smart Ranking - 2023 edition. Transport & Environment. 2023. - Stand: 25.07.2023 Weblink
14 Jacobs D. u.a.: Knowledge Guide - How to get started with sustainable business travel. Bond Beter Leefmilieu. 2022.  
15 Travel Smart: Travel policy toolkit. Transport & Environment. 2023. - Stand: 25.07.2023 Weblink
16 International Energy Agency (IEA): A 10-Point Plan to Cut Oil Use. Paris: 2022. - Stand: 25.07.2023 Weblink
17 Ferrari L. und De Feo G.: Train alternatives to short-haul flights in Europe. OBC Transeuropa für Greenpeace. Trento: 2021. - Stand: 25.07.2023 Weblink
18 Haberkorn: ÖBB-Auszeichnung für fleißiges Bahnfahren. Wolfurt: 2022. - Stand: 25.07.2023 Weblink
19 Chambre de commerce et d'industrie de région Paris Ile-de-France: Loi d'Orientation des Mobilités (LOM): Quelles opportunités pour les entreprises? Paris: 2020. - Stand: 25.07.2023 Weblink
20 Green Mobility Südtirol: Betriebliches Mobilitätsmanagement. Bozen: 2021. - Stand: 25.07.2023 Weblink
21 Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): klimaaktiv mobil. Offensive für klimafreundliche, gesundheitsfördernde und energiesparende Mobilität. Wien: 2023 - Stand: 25.07.2023 Weblink
22 Julius Blum GesmbH: Auskunft auf VCÖ-Anfrage vom Juni 2023. Wien: 2023  

 

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