VCÖ-Factsheet: Multimodale Mobilität im Trend

Das Mobilitätsverhalten ändert sich. Vor allem junge Menschen sind vielfältig mobil und nutzen das für den jeweiligen Zweck am besten geeignete Verkehrsmittel. Auch dort, wo Menschen viel Auto fahren, gibt es den Wunsch nach besseren Alternativen.

VCÖ-Factsheet 2015-03 als PDF (577,6 KiB)

Die Gesellschaft wird vielfältiger. Die überwiegende Mehrheit der Menschen ist bereits heute multimodal unterwegs. Rund 80 Prozent der Bevölkerung Österreichs lenken zumindest ab und zu ein Auto, zwei Drittel fahren Rad und sechs von zehn Personen nutzen den Öffentlichen Verkehr. Dort, wo die individuelle Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln hoch ist, wird sie auch genutzt. So werden in Vorarlberg bereits die Hälfte der Alltagswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt, in Wien sogar drei Viertel. Immer mehr Menschen verwenden je nach Zweck verschiedene Verkehrsmittel.

Öffentlichen Verkehr multimodal vernetzen

Vor allem junge Menschen sind in ihrer Verkehrsmittelwahl sehr flexibel. Für mehr als die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen ist gemeinsam nutzen statt einzeln besitzen vorstellbar.

Mobiles Internet ermöglicht den Zugang zu Informations- und Mobilitätsdiensten und wertet die Reisezeit besonders im Öffentlichen Verkehr auf.

Bahnhöfe und Haltestellen sind zu Verkehrsknotenpunkten auszubauen, die optimal zu Fuß und mit dem Rad erreichbar sind, ausreichend wettergeschützte Fahrradabstellmöglichkeiten haben sowie auch ein Standort für Carsharing und Leihräder sind.

Mobilitätsangebote optimal nutzen

Der Öffentliche Verkehr ist das Rückgrat einer multimodalen Mobilität. Entsprechend ist die Verknüpfung der öffentlichen Verkehrsmittel mit anderen Mobilitätsangeboten voranzutreiben und als Gesamtsystem zu optimieren. Informationstechnologie unterstützt diese notwendige Vernetzung.

Die kombinierte Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel ist massiv zu vereinfachen. Integrierte Mobilität bedeutet etwa, dass Mobilitätskarten und neue Technologien den Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsmodi erleichtern und eine gemeinsame Abrechnung bieten.

Bei der Entwicklung ist zu berücksichtigen, dass auch Bevölkerungsgruppen mit beschränktem Zugang zu neuen Technologien anzusprechen sind. Je nach Häufigkeit der Nutzung und Technik-affinität gilt es, verschiedene Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Öffentlichen Verkehr und Fahrrad kombinieren

Der Öffentliche Verkehr kann umweltfreundlich, komfortabel und schnell längere Distanzen überwinden. Meist bietet er allerdings keine direkte Tür-zu-Tür-Reise. Im Nahbereich ist das Fahrrad unschlagbar in Flexibilität und Reisezeit. Bereits jede vierte radfahrende Person in Österreich kombiniert das Fahrrad regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mehrere Städte in Deutschland bewerben Falträder zur Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Öffentlichen Raum multifunktional gestalten

Erst in jüngster Zeit ist die Bedeutung von Gehen und Radfahren stärker in den Blickpunkt der Infrastrukturpolitik gerückt, die Ansprüche an die Qualität öffentlicher Räume sind gestiegen. Für eine vielfältige und effiziente Mobilität sollten neue Straßen und Plätze so gestaltet werden, dass sie für verschiedene Verkehrsarten und Zwecke offen stehen oder adaptiert werden können. Bestehende Infrastrukturen sind entsprechend zu sanieren und in ihren Nutzungsmöglichkeiten zu erweitern. Diese Mobilitätssanierung kann im Zuge ohnehin geplanter Instandhaltungsarbeiten erfolgen.

Straßenräume sind innerorts oft von Nutzungsvielfalt und beschränkten Platzverhältnissen geprägt. Begegnungszonen, verkehrsberuhigte Bereiche und Wohnstraßen priorisieren Gehen und Radfahren. Eine Temporeduktion gibt mehr Sicherheit und spart Platz, weil sie Mischverkehr ermöglicht.

In ländlich geprägten Bundesländern Österreichs ist die Abhängigkeit vom Auto zu verringern. In Wien ist die individuelle Wahlfreiheit in der Mobilität bereits hoch.

Straßenverkehrsordnung modernisieren

Multimodale Mobilitätsangebote gewinnen an -Bedeutung, doch deren Umsetzung wird oft durch (gesetzliche) Hürden behindert. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist weitgehend auf die -Optimierung des Kfz-Verkehrs ausgelegt. In den Regeln für Straßen innerorts sollten Verkehrssicherheit, Aufenthaltsqualität und gute Bedingungen für aktive Mobilität Priorität haben.

Mehr Mobilitätsangebote in der Region

Das Mobilitätsangebot im ländlichen und kleinstädtischen Raum ist deutlich auszuweiten, um die Wahlfreiheit in der Mobilität auch hier zu erhöhen.

Das mangelnde Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln zeigt sich auch beim Pendelpauschale: Rund 700.000 Personen erhalten in Österreich aufgrund fehlender oder unzumutbarer öffentlicher Verkehrsverbindungen das große Pauschale. Im ländlichen Raum haben 20 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer mangels Mobilitätsangebot Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Für Pendelnde sind Investitionen in ein dichtes Angebot an Öffentlichem Verkehr und lokale gemeinschaftliche Lösungen wie Mikro-ÖV-Systeme oder Carsharing die wirksamste Unterstützung.

Bahnhöfe als multimodale Schnittstellen

Das lokale öffentliche Verkehrsnetz ist für die Mobilität der Menschen unverzichtbar. Erfolgreiche Regionalbahnen zeigen, wie die Zahl der Fahrgäste zu erhöhen ist: Regelmäßige Verbindungen, ein gutes Wegenetz zum Bahnhof, Zubringersysteme und Anbindung lokaler Zentren. Ein Drittel der Fahrgäste kommt zu Fuß zum Bahnhof. Ein unattraktives Umfeld halbiert die Zahl der Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen würden, bereits bei einer Entfernung von 250 bis 300 Metern zur Haltestelle. Gute Bedingungen für das Gehen können die akzeptierte Distanz bis auf 400 Meter erhöhen.

Bei Bushaltestellen werden grundlegende Komfortmerkmale oft vernachlässigt: Regen- und Windschutz, Beleuchtung, Fahrgastinformation sowie gute Erreichbarkeit zu Fuß und Radabstellplätze. Eine Station eines regionalen Leihrad-Systems ist nützlich für die erste oder letzte Meile.

Mit dem Fahrrad als Zubringer zum Öffentlichen Verkehr vergrößert sich das Einzugsgebiet der Bahnhöfe und Haltestellen stark.

Moderner Wohnbau denkt Mobilität mit

Grundstrategie neuer Stadtteile sollte die Förderung effizienter Mobilität sein. An „Mobility Points“ können verschiedene Fahrzeuge für unterschiedliche Nutzungen zur Verfügung stehen und etwa ein Paketdienst angeboten werden. Im modernen Wohnbau sind umfassende Mobilitätsangebote, wie Leihräder und Carsharing wichtiger als Pkw-Stellplätze. Ein Tiefgaragen-Parkplatz sollte von der Verpflichtung zum Zusatzangebot werden, kostet dieser doch durchschnittlich 15.000 Euro.

E-Mobilität und Sharing erhöhen Wahlfreiheit

Elektro-Fahrräder, E-Roller, Lastenfahrräder oder E-Leichtfahrzeuge sind ideale Verkehrsmittel für Distanzen bis 15 Kilometer. Fuhrparks und Flotten sind verstärkt auf Elektro-Fahrzeuge umzustellen. Durch Sharing rechnen sich E-Fahrzeuge viel -schneller.

Multimodale Mobilität erfolgreich umsetzen

Multimodale Mobilität bedeutet nicht nur, das persönlich gerade optimale Verkehrsmittel zu wählen, sondern auch die Chance, Mobilität mit weniger Ressourcen und Kosten sicherzustellen: effizient, umweltfreundlich und gesundheitsfördernd. Wird der Radverkehrsanteil österreichweit auf 13 Prozent gesteigert, würden pro Jahr bis zu 270.000 Tonnen CO2-Emissionen vermieden.

In Städten und Ballungsräumen leben immer mehr Menschen, die Bedeutung von raumsparender Mobilität steigt. Ein Auto in Bewegung benötigt 60-mal mehr Platz als ein Mensch zu Fuß, achtmal mehr als ein Fahrrad und viermal mehr Platz als Fahrgäste des Öffentlichen Verkehrs.

Vielfältig nutzbare Infrastrukturen schaffen

Eine vielfältige und effiziente Mobilität braucht eine multifunktionale Infrastruktur. Die in Österreich seit dem Jahr 2013 in der Straßenverkehrsordnung verankerte Begegnungszone nimmt auf die wachsende Vielfalt der Mobilität Rücksicht.

So wie Häuser saniert und den zeitgemäßen Standards angepasst werden, ist das auch im Verkehr nötig. Es braucht eine Mobilitätssanierung, die auf die geänderten und zukünftigen Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung reagiert. Die Freiheit in der Verkehrsmittelwahl ist in vielen Regionen erst zu schaffen. Vom Auto abhängig zu sein, ist keine Freiheit. Eine intelligente Raumplanung und Siedlungsentwicklung verringert die Abhängigkeit vom Pkw. Gute Raumstrukturen ermöglichen kurze Distanzen. Alle Bezirkshauptstädte sind optimal ans überregionale öffentliche Verkehrsnetz anzuschließen, Bahnhöfe und Haltestellen sind zu multimodalen Verkehrsknoten auszubauen.

VCÖ-Empfehlungen

Multimodale Mobilität im Alltag erleichtern

• Kombination verschiedener Verkehrsmittel so einfach wie möglich gestalten: Bahn-höfe und Haltestellen als multimodale Schnittstellen, Vernetzung von Echtzeit-Daten

• Öffentlichen Verkehr und Fahrrad besser kombinieren

• Gesamtpakete aus Öffentlichem Verkehr, (Leih-)Rad, Carsharing oder Mietwagen und Taxi schnüren, integrierte Bezahllösungen entwickeln

Multimodale Mobilität in der Region ermöglichen

• Anschlussmobilität bis zur Haustür, Ersatz von Zweitautos durch Carsharing, Mikro-ÖV, radfahr- und gehfreundliche Verkehrsplanung, regionale Mobilitätskarten

• Regionalbahnen ausbauen und modernisieren, Bushaltestellen aufwerten

• Verkehrsparende Siedlungsentwicklung

Multimodale Mobilität in den Wohnbau integrieren

• Mobilitätskonzepte bei Neubau und Sanierung statt Pkw-Stellplatzverpflichtung

• Sharing-Konzepte anbieten

Multifunktionale Infrastrukturen schaffen

• Infrastrukturen so sanieren, dass sich Nutzungsmöglichkeiten erweitern

• Verkehrsmittelübergreifende Planung, Platz für Gehen, Öffentlichen Verkehr und Radfahren schaffen

Straßenverkehrsordnung modernisieren

Quelle: VCÖ, „Multimodale Mobilität erfolgreich umsetzen“, Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2015 Die VCÖ-Publikation beleuchtet die Veränderungen im Mobilitätsverhalten mit vielen Daten und umgesetzten Beispielen. Die Publikation kann hier um 30 Euro bestellt oder kostenlos heruntergeladen werden.

Mag. Markus Gansterer, VCÖ-Verkehrspolitik:

„Damit Menschen multimodal mobil sein können, muss die Wahlfreiheit ausgebaut und das Kombinieren verschiedener Verkehrsmittel so einfach wie möglich werden. Am Ende soll ein effizienteres und umweltfreundlicheres Verkehrssystem mit hohem Komfort stehen.“

 

VCÖ-Factsheet 2015-03 als PDF (577,6 KiB)

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