VCÖ-Factsheet: Diesel-Skandal und seine Folgen für Österreich

Vieles ist seit Langem bekannt, aber zahlreiche Fragen sind noch offen: Welche Konsequenzen zieht Österreich aus dem VW-Diesel-Skandal? Was kann in Österreich für weniger Schadstoff-Ausstoß im Verkehr und für wirklich saubere Pkw getan werden? Welche Entscheidungen haben nun Politik und Verwaltung, aber auch Konsumentinnen und Konsumenten zu fällen?

VCÖ-Factsheet 2015-14 als PDF (645,4 KiB)

Diesel-Pkw verschmutzen beim Fahren auf der Straße die Luft mit einem Vielfachen an schädlichen Abgasen als auf dem Papier steht. Österreich ist davon und vom Skandal um absichtliches Abschalten vorhandener Technik zur Abgasreinigung besonders betroffen. Denn in Österreich haben 2,7 Millionen Autos einen Diesel-Motor. Das sind 57 Prozent aller Pkw. Außerdem legen im Tourismus- und Transitland Österreich Diesel-Pkw aus anderen Staaten viele Millionen Kilometer zurück. Dieselfahrzeuge sind die Hauptverursacher von gesundheitsschädlichen Stickoxid-Emissionen.

Die Hälfte der Stickoxid- Emissionen in Österreich stammt aus dem Verkehr, davon der Großteil von Diesel-Fahrzeugen.

Politik darf nicht vor Autoindustrie einknicken

Die Schädigung der Gesundheit wurde bewusst in Kauf genommen. Besonders hoch ist die Schadstoffbelastung an stark befahrenen Straßen und im Autoinneren. Der Glaube, mit Abgasnormen allein könne das Schadstoffproblem des Verkehrs gelöst werden, hat sich als Irrtum erwiesen. Die Autoindustrie hat das Vertrauen der Politik und der Menschen missbraucht. Der aktuelle Skandal ist nur die Spitze des Eisbergs. Es braucht wirksame Maßnahmen für saubere Luft und die tatsächliche Einhaltung von Abgas- und Verbrauchswerten.

Diesel-Pkw schmutziger als angegeben

Der VCÖ und andere Umweltorganisationen in Europa haben in den vergangenen Jahren mehrfach darauf hingewiesen, dass Neuwagen auf der Straße ein Vielfaches an Schadstoffen verursachen als der Grenzwert vorschreibt. Neue Diesel-Pkw-Modelle mit Abgasnorm EURO 6 verursachen laut Tests des Forschungsinstituts ICCT im Schnitt 560 Milligramm Stickoxid-Emissionen je Kilometer, das ist das Siebenfache des Grenzwerts von 80 Milligramm laut EURO-6-Abgasnorm. Laut amtlicher Prüfungen in Frankreich stoßen die manipulierten Dieselautos von Volkswagen auf der Straße fünf Mal mehr Stickoxide aus als die EURO-Norm zulässt. Gemäß dem Kraftfahrbundesamt in Deutschland zeigen auch Fahrzeuge anderer Hersteller unter Realbedingungen ungewöhnlich hohe Abgaswerte.

Schon im Jahr 2011 belegte eine britische Studie, dass bei EURO-5-Modellen die Grenzwerte massiv überschritten wurden. Die tatsächlichen Emissionen waren kaum niedriger als bei EURO 3 und 4.

Für den Rückruf der mehr als 360.000 in Österreich manipulierten Dieselfahrzeuge wird VW bis Ende 2016 Zeit gegeben. Damit wird bis zu einem weiteren Jahr die Luft stärker mit gesundheitsschädlichen Schadstoffen verschmutzt als erlaubt.

Laut Umweltbundesamt verursachte in Österreich allein der gegenüber den Herstellerangaben real höhere Spritverbrauch im Jahr 2010 zusätzliche 25.000 Tonnen gesundheitsschädliche Stickoxide und einen Gesundheitsschaden von etwa 400 Millionen Euro.

Abgase aus dem Verkehr sind vor allem in Städten eine große Gesundheitsgefahr.

Stickoxide schädigen Lunge und Herz

Abgase des Verkehrs gelangen in Bodennähe in die Luft und haben daher für die menschliche Gesundheit besonders hohe Relevanz. Besonders gesundheitsschädlich ist Stickstoffdioxid.

Es schädigt die Atemwege und führt zu Entzündungen und Bronchitis. Auch Lungenödeme können die Folge sein. Allergien werden verstärkt. Bei länger andauernder hoher Konzentration nimmt die Zahl der Herz-infarkte zu.

Epidemiologische Studien aus Graz, Linz und Wien zeigen schon bei einer Konzentration unterhalb des Luftgrenzwerts akute Auswirkungen auf die Sterblichkeit. Stickoxide sind zudem mitverantwortlich für die Bildung von Feinstaub und eine Vorläufersubstanz für bodennahes Ozon.

In Österreich liegt die Stickoxid-Belastung der Luft vielerorts immer noch deutlich über dem Grenzwert. An Straßen stammt sie fast ausschließlich von Diesel- Fahrzeugen.

Zu hohe Stickoxid-Belastung in Österreich

Entlang stark befahrener Straßen ist die Bevölkerung vielerorts einer höheren Schadstoffbelastung ausgesetzt als die Immissions-Grenzwerte vorschreiben. Für Stickstoffdioxid beträgt der Grenzwert 30 Mikrogramm je Kubikmeter Luft plus 5 Mikro-gramm Messtoleranz. Im Jahr 2014 wurde dieser Wert am stärksten im Tiroler Vomp an der A12 überschritten, aber auch in der Stadt Salzburg, in Wien (Hietzinger Kai), Feldkirch, Lienz und Innsbruck.

Neben Gehenden, Radfahrenden, Kindern oder Menschen, die in der Nähe stark befahrener Straßen wohnen, sind auch Autofahrende selbst stark betroffen, bildet sich doch im Fahrzeuginnenraum eine hochkonzentrierte Abgaswolke.

Schäden für die Allgemeinheit durch unsaubere Abgas-Praktiken

• In der Vergangenheit wurden Maßnahmen für bessere Luft unterlassen, weil sich die Politik auf Versprechen der Autohersteller verlassen hat.

• Für Fahrzeuge mit angeblich niedrigen Abgas- oder Verbrauchswerten wurden finanzielle Förderungen aus Steuergeld bezahlt, zum Beispiel die Verschrottungsprämie im Jahr 2009.

• Aufgrund des Versprechens der „Sauberkeit“ neuer Dieselfahrzeuge wurde für diese die Normverbrauchsabgabe (NoVA) im Jahr 2014 auf das Niveau von Benzinfahrzeugen gesenkt.

In den USA bessere Technik für saubere Luft als in der EU dank strengerer Vorgaben

Stickoxid-Emissionen von Diesel-Pkw stellen in Europa eine große Herausforderung für die Luftqualität dar, vor allem in Städten und entlang von Autobahnen. Allerdings beweisen die Pkw-Hersteller mit ihren Modellen für den US-Markt selbst, dass sie einen wesentlich höheren Beitrag zu sauberer Luft technisch bewerkstelligen können.

Bei den verwendeten Technologien zur Abgasreinigung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Fahrzeugen für den Verkauf in Europa und den USA. In den USA ist das Emissionslimit für Stickoxide mit 31 Milligramm für Diesel- und Benzin-Fahrzeuge deutlich niedriger als in der EU (80 Milligramm für Diesel, 60 für Benzin). Darüber hinaus ist der Testzyklus in den USA realistischer. Aufgrund dieser strengen Vorgaben setzen Hersteller bei einige Fahrzeugmodellen für den US-Markt eine Kombination zweier Abgasreinigungssysteme ein, während die EU-Modellversionen lediglich mit einer einfachen Technologie ausgestattet werden.

Mehr Masse und PS statt weniger CO2

Das Potenzial des grundsätzlich effizienteren Diesel-motors wird nicht zur Reduktion der CO2-Werte genutzt, sondern um Pkw mit mehr Motorleistung und Fahrzeugmasse zu vermarkten. In Österreich ist der Gewichtsunterschied zwischen den Diesel- und Benzinautos vom Jahr 2000 auf 2014 um 43 Prozent auf rund 370 Kilogramm gestiegen. Im selben Zeitraum hat die durchschnittliche Motorstärke von Diesel-Pkw um ein Drittel auf rund 100 kW -zugenommen, bei Benzin-Pkw nur von 71 auf 75 kW.

Beim Spritverbrauch von Pkw und damit beim CO2-Ausstoß geht die Schere zwischen Hersteller-Angaben und Real-Werten immer weiter auf. Strenge Testverfahren und Kontrollen sind gefragt, damit Pkw beim Fahren das halten, was sie auf dem Papier versprechen.

Verbrauchsangaben immer realitätsferner

Autofahrende können sich beim Neuwagenkauf immer weniger auf die Verbrauchsangaben verlassen und diese nicht mehr vergleichen. Laut ICCT betrug im Jahr 2001 bei Neuwagen die Abweichung des realen Spritverbrauchs vom Normverbrauch acht Prozent, im Jahr 2014 verbrauchten die Fahrzeuge auf der Straße bereits um 40 Prozent mehr Sprit als von den Herstellern angegeben. Damit stoßen sie auch 40 Prozent mehr klimaschädliches COaus.

Weniger Schadstoffe sind technisch möglich

In den USA werden schon jetzt die Abgas-Angaben genau kontrolliert und gleichzeitig sind die Grenzwerte dort deutlich strenger als in der EU. Die Hersteller produzieren für den US-Markt Fahrzeuge, die diese Grenzwerte einhalten. Sie können also Autos herstellen, die erheblich weniger gesundheitsschädlich sind. Es ist die Verantwortung der Politik durch strengere Grenzwerte, laufende Kontrolle der Schadstoffwerte auf der Straße und wirksame Strafen bei Verstößen dafür zu sorgen, dass auch in der EU die Neuwagen diese höheren Umwelt- und Gesundheitsstandards erfüllen. Zuletzt wurde der Beschluss gefasst, dass Neuwagen in der EU bis ins Jahr 2020 beim Test auf der Straße mehr als das Doppelte und später das Eineinhalbfache des NOx-Grenzwerts ausstoßen dürfen. Das ist aus Gesundheitssicht eine katastrophale Fehlentscheidung, die rasch zu korrigieren ist.

VW-Skandal ist nur die Spitze des Eisbergs

Der Abgas-Skandal und die Entdeckung, dass nur eines von zehn neuen Dieselfahrzeugen die Euro-6-Richtlinien auf der Straße erfüllt, verdeutlichen, wie unzureichend die Fahrzeugtests in Europa sind. Die wachsende Abweichung der Norm-angaben vom Realverbrauch zeigt, dass es sich um ein Systemversagen handelt, bei dem alle Hersteller unrealistische Testbedingungen nutzen.

Abgas- und Verbrauchstests werden an speziell präparierten Fahrzeugen durchgeführt. Diese unterscheiden sich signifikant von den schließlich verkauften Modellen. Diese Tests werden meist in Labors der Hersteller vorgenommen – durch Testorganisationen, die auf Aufträge der Autohersteller angewiesen sind – und von den Behörden lediglich vom Schreibtisch aus überwacht. Diese Praxis muss sich ändern. Überprüfungen auf der Straße durch unabhängige Behörden sind gefordert.

 

Offene Fragen

• Welche Auswirkungen haben die real zu hohen Emissionen auf Luftreinhalte-
Programme der Bundesländer? Sind zusätzliche Maßnahmen notwendig?

• Wie hoch ist der gesundheitliche Schaden in Österreich? Wie viele Erkrankungen wurden ausgelöst? Wie werden die Zusatzkosten im Gesundheitssystem ersetzt?

• Welche Konsequenzen sind bei Umweltverträglichkeitsprüfungen für Straßenprojekte zu ziehen? Diese wurden auf Basis nicht mehr haltbarer Prognosen zum Schadstoffausstoß der Pkw-Flotte durchgeführt.

• Wann werden auf EU-Ebene die erforderlichen Reformen betreffend Grenzwerten und Kontrollen für alle Autohersteller gesetzt?

 

Welche Konsequenzen jetzt aus dem Diesel-Skandal zu ziehen sind

• Rasche Erhebung, wie viele Schadstoffe durch die Manipulation von 360.000 Fahrzeugen des 
VW-Konzerns in Österreich zusätzlich in die Luft gelangt sind.

• Prüfung, ob für manipulierte Pkw eine Verschrottungsprämie oder andere Förderungen bezahlt -wurden. Der Hersteller hat den Betrag an die Republik Österreich zurückzuzahlen.

• Rasche Umsetzung weiterer Luftqualitätsmaßnahmen, Autoverkehr in den Städten reduzieren, 
Öffentlichen Verkehr ausbauen, Bedingungen für das Gehen und Radfahren verbessern.

• Das Messnetz für Luftschadstoffe (PM2.5, NOx) ausbauen.

• Abschaffung des Diesel-Privilegs bei der Mineralölsteuer (MÖSt), Differenzierung zwischen Diesel und Benzin bei der Normverbrauchsabgabe (NoVA) wieder einführen.

• Klarere gesetzliche Vorgaben und strenge Kontrollen für Verbrauch und Schadstoff-Grenzwerte, damit Pkw auf der Straße das halten, was auf dem Papier versprochen wird.

 

>> Jede Person atmet täglich 12.000 bis 15.000 Liter Luft. Die Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel. Der Diesel-Skandal zeigt, dass das blinde Vertrauen der Politik gegenüber den Autoherstellern nicht gerechtfertigt ist. <<

- Ulla Rasmussen, VCÖ-Verkehrspolitik

 

>> Quellen: 
Transport & Environment 2015, ICCT 2015, Umweltbundesamt 2015: Pkw-Emissionen zwischen Norm- und Realverbrauch, Statistik Austria

 

VCÖ-Factsheet 2015-14 als PDF (645,4 KiB)

Zurück zur Übersicht