VCÖ-Factsheet: Energie für die erdölfreie Mobilität der Zukunft

Das Klimaabkommen von Paris bedeutet den globalen Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis zum Jahr 2050. Um den Energiebedarf für erdölfreie Mobilität aus erneuerbaren Quellen abdecken zu können, braucht es grundlegende Änderungen im Verkehrssystem.

VCÖ-Factsheet 2017-02 als PDF (0,5MB)

Der Verkehrssektor verbraucht etwa ein Drittel von Österreichs Energiebedarf. Seit dem Jahr 1990 hat der Energiehunger des Verkehrs in Österreich um rund 85 Prozent zugenommen, und damit dreimal so stark wie in der EU28. Der Energiedarf des Pkw-Inlandverkehrs ist um 48 Prozent gestiegen, jener des Lkw-Inlandverkehrs um 66 Prozent. Dazu kommt noch der sogenannte Kraftstoffexport, der sich bei Lkw aufgrund des in Österreich niedrigen Dieselpreises verfünffacht hat, während bei Pkw der „Tanktourismus“ auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 1990 liegt. Der Schienenverkehr ist klimaverträglicher und auch deutlich energieeffizienter.

Energiewende braucht Mobilitätswende

Um Österreichs Klimaziele zu erreichen, ist das öffentliche Verkehrsangebot weiter zu verbessern, Bahnhöfe sind zu multimodalen Verkehrsknoten auszubauen.

Der Weg in ein nachhaltiges Energiesystem braucht eine langfristige und umfassende Perspektive. Statt wie bisher den Fokus auf die Energiebereitstellung zu legen, ist der Blick auf die Erfüllung bestimmter Bedürfnisse und Funktionen zu richten, wie Wärme, Licht und Antriebsenergie in den Bereichen Wohnen, Mobilität und Produktion. In Österreich werden 36 Prozent des Gesamtenergieeinsatzes für den Verkehr genutzt, gefolgt von der Raumwärme mit 28 Prozent.

87 Prozent der vom Verkehr benötigten Energie werden derzeit aus Erdölprodukten gewonnen. 195 Staaten haben mit dem UN-Klimaabkommen von Paris vereinbart, die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist bis Mitte des Jahrhunderts der Ausstieg aus fossilen Energieträgern nötig. 

Energiesystem derzeit stark importabhängig

Im Jahr 2015 wurden in Österreich 1.244 Petajoule Energie importiert und 389 Petajoule exportiert. Erdöl macht knapp die Hälfte der importierten Energie aus, wobei der Verkehr für 79 Prozent des Erdölverbrauchs verantwortlich ist. Der Großteil des importierten Rohöls kommt aus Staaten, die hinsichtlich Menschenrechten und Demokratie große Defizite aufweisen.

Ungleiche Bewertungsvorschriften für Rohöl

Die Umweltbilanz von Rohöl ist je nach Herkunft sehr verschieden. In die CO2-Bilanz des Verkehrs fließen lediglich die direkt beim Betrieb entstehenden CO2-Emissionen ein, das sind bei Diesel 2,65 Kilogramm CO2 pro Liter. Werden auch die bei Förderung und Produktion von Diesel entstehenden Treibhausgas-Emissionen berücksichtigt, steigen die durch einen Liter Diesel verursachten Emissionen auf mindestens 3,29 Kilogramm. Werden Emissionen, die etwa bei absichtlichen Verbrennungen (Flaring) entstehen, berücksichtigt, steigen die Emissionen sogar auf bis zu 5,84 Kilogramm CO2-Äquivalente. Stammt Rohöl aus Teersand oder Ölschiefer, sind die Emissionen noch höher.

Unabhängigkeit durch erneuerbare Energie

Die stärkere Nutzung erneuerbarer Energiequellen verringert die Abhängigkeit von Importen. Österreich gewinnt mehr als drei Viertel der inländischen Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen. Durch eine aktive Politik der Förderung stieg seit dem Jahr 2005 die Stromgewinnung aus Wind um das Dreifache und aus Photovoltaik um mehr als das 37-fache. Gemessen am gesamten Energiebedarf Österreichs wird nur ein Drittel des Endenergiebedarfs durch erneuerbare Energien abgedeckt. Zukunftsszenarien zeigen, dass Österreich es bis zum Jahr 2050 schaffen kann, den gesamten Energiebedarf fast ausschließlich durch erneuerbare Energieträger zu decken.

Die fast vollständige Versorgung Österreichs durch erneuerbare Energie, die allein aus Österreich stammt, ist allerdings nur durch eine Halbierung des gesamten Energiebedarfs bis zum Jahr 2050 gegenüber dem Jahr 2016 möglich. Dadurch sinken die Treibhausgas-Emissionen um bis zu 80 Prozent. Niederigenergie geht Hand in Hand mit Niedrig-emissionen.

Elektrifizierung bringt ökologische Vorteile

E-Pkw, die mit Ökostrom betrieben werden, schneiden im Vergleich der Pkw-Antriebe bei Energie- und CO2-Bilanz am besten ab, jedoch schlechter als die Bahnen.

Verschiedene Antriebsarten unterscheiden sich auch bei der Energieeffizienz. Ein Pkw mit Benzin-Motor benötigt inklusive vorgelagertem Energieeinsatz 0,66 Kilowattstunden je Personenkilometer, ein E-Pkw braucht nur 0,25 Kilowattstunden. Zudem verursacht ein elektrisch mit Ökostrom betriebener Pkw mit Berücksichtigung vorgelagerter Emissionen 18,5 Gramm CO2 je Personenkilometer, Diesel- und Benzin-Pkw verursachen hingegen rund neunmal soviel. Darüber hinaus stoßen E-Fahrzeuge beim Betrieb keine gesundheitsschädlichen Schadstoffe aus.

Der Energiebedarf des Verkehrs hat zwischen den Jahren 1990 und 2015 in Österreich dreimal so stark zugenommen wie im Durchschnitt der 28 EUStaaten.

Strombereitstellung als Herausforderung

Werden alle Pkw mit Verbrennungsmotor durch E-Pkw ersetzt, erhöht sich EU-weit der Strombedarf um rund 18 Prozent. Werden in Österreich die Hälfte der derzeit rund 4,8 Millionen Pkw elektrifiziert, steigt bei gleichbleibender Fahrleistung der Jahresbedarf an elektrischer Energie um 8 Prozent.

Bei der Umstellung auf elektrische Antriebe sind die Konsequenzen, die das Aufladen von E-Fahrzeugen auf die Leistungsbereitstellung der Netz- und Lade-infrastruktur hat, zu beachten. Privates Laden zu Hause, etwa über Nacht, bei geringen Leistungen und langer Dauer auf Niederspannungsebene stellt kein Problem dar. Laden viele E-Pkw zu Stoßzeiten, erreichen Niederspannungsnetze aber ihre Grenzen. Um kritische Spitzenlast zu bewältigen, bedarf es Regelungsmechanismen, etwa gesteuertes Laden. 

Elektrifizierung löst nicht alle Probleme

Während E-Pkw im Betrieb ökologische Vorteile haben, können andere Probleme des Kfz-Verkehrs, etwa der hohe Flächenverbrauch fahrender und abgestellter Fahrzeuge, Feinstaubbildung durch Abrieb von Reifen und Bremsen oder das vergleichsweise hohe Risiko schwerer Unfälle, nicht gelöst werden. Für eine umfassende Energiewende braucht es für das gesamte System das Konzept Vermeiden–Verlagern–Verbessern.

Steuern in Richtung Klimaverträglichkeit

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Staaten CO2- Abgaben auf fossile Energieträger eingeführt, um ihre Emissionen in den Griff zu bekommen. In Österreich fehlt diese Maßnahme bisher.

Derzeit liegt der Anteil von Umweltsteuern an der gesamten Abgabenhöhe in Österreich mit 5,7 Prozent unter dem EU-Schnitt von sieben -Prozent. Gleichzeitig betragen in Österreich umweltschädliche Subventionen und Steuerbegünstigungen jährlich 3,8 bis 4,7 Milliarden Euro, davon rund 2,2 Milliarden Euro im Verkehrsbereich. Dazu zählen unter anderem die Begünstigung von Firmenwagen und Dieseltreibstoff, das Pendelpauschale und die Mineralölsteuerbefreiung von Kerosin.

Während es in Österreich bis dato keine CO2-Komponente in der Energiebesteuerung gibt, wurden in Schweden durch mehrere Steuerreformen bestehende Energiesteuern vollständig auf CO2-Abgaben umgestellt. Gleichzeitig wurden Steuern auf Arbeit reduziert und die energieintensive Industrie schrittweise in das Modell integriert. Die Abgabe beträgt in Schweden derzeit umgerechnet 121 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. In Schweden nahmen die CO2-Emissionen seit dem Jahr 2000 stärker ab als in Österreich und gleichzeitig war das Wirtschaftswachstum mit 31 Prozent höher als in Österreich (plus 21 Prozent).

Weltweit haben bereits 36 Staaten CO2-Abgaben eingeführt. Durch Lenkungseffekte und Verhaltensänderungen aufgrund höherer Umwelt-Steuern in Österreich könnten die Treib-hausgas-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 3,6 Millionen Tonnen gesenkt werden.

Österreich braucht verbindliche Maßnahmen

In Österreich wurde das erste EU-Klima- und Energiepaket im Klimaschutzgesetz beschlossen.
Im nationalen Strategierahmen „Saubere Energie im Verkehr“ sind Maßnahmen gelistet, mit deren Umsetzung bis zum Jahr 2050 ein weitgehend dekarbonisierter Verkehrssektor erreicht werden soll.
Allerdings stellt der Strategierahmen lediglich eine unverbindliche Grundlage für weitere Gesetze, etwa das Energie-Infrastrukturgesetz, dar. Die Klimaziele bis zum Jahr 2050 lassen sich damit nicht erreichen.
In Österreich wird seit dem Jahr 2016 an der Erstellung einer integrierten Energie- und Klima-strategie gearbeitet. Für eine erfolgreiche Dekarbonisierung braucht es darin klare und verbindliche Zwischenziele der Reduktion des Energieeinsatzes, der Treibhausgas-Emissionen und zur Erhöhung der Nutzung erneuerbarer Energie. Zudem ist eine -rasche Einführung einer CO2-Abgabe wichtig.

Neues Verständnis von Mobilität ist notwendig

Ein resilientes und klimaverträgliches Energiesystem im Jahr 2050 braucht eine grundlegende Wende im Verkehrssektor. Im Personenverkehr kann eine Reduktion des Verkehrsaufwandes, etwa durch Energie-Raumplanung, erreicht werden, die kürzere Arbeits- und Versorgungswege mit sich bringt. Es braucht ein attraktives, im Lebens- und Berufsalltag verankertes Angebot an bedarfsgerechten Mobilitätsdienstleistungen, Sharing-Konzepten und multimodaler Mobilität. Der Pkw-Verkehr ist zu reduzieren, auf aus ökologischer Perspektive effizientere Verkehrsmittel zu verlagern und zu elektrifizieren. Im Güterverkehr braucht es unter anderem klimaverträglichere Technologien sowie dezentrale Logistik, um Leerfahrten und unnötige Wege zu vermeiden. Die Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene hat, zusammen mit kleinräumiger Verteilung über elektrifizierte leichte Nutzfahrzeuge, ein Reduk-tionspotenzial von rund 90 Petajoule pro Jahr.

Quelle: VCÖ, „Energie für erdölfreie Mobilität“, Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2017

Die VCÖ-Publikation „Energie für erdölfreie Mobilität“ zeigt, welche Maßnahmen nötig sind, damit die Energiewende im Verkehrsbereich gelingt. Die Publikation kann beim VCÖ um 30 Euro bestellt werden. T: +43-(0)1-893 26 97 E: vcoe@vcoe.at www.vcoe.at

VCÖ-Empfehlungen

Nationale Klima- und Energiestrategie

• Eine nationale Klima- und Energiestrategie, inklusive konkreter Zielsetzungen, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten für die Jahre 2030 und 2050 ist gesetzlich zu verankern

Rasche Umsetzung einer ökologischen und sozialen Steuerreform inklusive der Einführung einer CO2-Abgabe

Vorrang für erneuerbare Energie

Österreich bis zum Jahr 2050 von fossiler Energie unabhängig machen

Erneuerbare Energie ökologisch nachhaltig ausbauen

Mobilitätswende vorantreiben

Umfassender Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und der Infrastruktur für das Radfahren

Multimodale Mobilitätsangebote verbessern

Energie-Raumplanung verpflichtend einführen

Niedrigere CO2-Grenzwerte für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Lkw ab Jahr 2025 auf EU-Ebene einführen


>>„Die notwendige Reduktion des Energieeinsatzes im Verkehrs-sektor braucht neben Effizienz-steigerungen durch neue Technologien auch grundlegend neue Mobilitätskonzepte, die zu einer Verringerung des Energieeinsatzes und des Verkehrsaufwands führen.“<<

Ulla Rasmussen, VCÖ-Verkehrspolitik

 

VCÖ-Factsheet 2017-01 als PDF (506KB)

 

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