VCÖ-Factsheet: Weitgereiste Lebensmittel
Jedes Lebensmittel hat bereits viele Kilometer zurückgelegt, bevor es im Einkaufskorb landet. Wie schwer der CO2-Rucksack des Einkaufs ist, hängt von der Produktions- und Transportweise ab und auch, mit welchem Verkehrsmittel der Einkauf erledigt wird.
Unser Lebensmittelkonsum hat mehrfach großen Einfluss auf den Verkehr. Für eine gute Umweltbilanz des Einkaufs sorgt die Kombination aus biologisch, regional und saisonal und, dass der Einkauf zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt wird. Supermärkte, die am Ortsrand auf der „grünen Wiese“ errichtet werden, führen dazu, dass der Großteil der Kundinnen und Kunden ihren Einkauf mit dem Auto macht. Dadurch werden viel Verkehr und große Mengen an klimaschädlichen Schadstoffen verursacht. Ist der Supermarkt fünf Kilometer entfernt, entstehen allein durch die Autofahrt rund 1,4 Kilogramm CO2.
Gute Nahversorgung stärkt Ortskerne und ermöglicht umweltfreundliches Einkaufen
Befindet sich ein Supermarkt im Ortskern, ist der Anteil der Kundinnen und Kunden, die den Einkauf umweltfreundlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen, hoch. Zudem profitieren umliegende Geschäfte und der Ort wird insgesamt belebter. Sowohl Gemeinden als auch Handelsketten beeinflussen durch Standortentscheidungen wesentlich die Umweltbilanz der Einkaufsmobilität. Gleichzeitig gilt es auch das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten zu schärfen, Einkäufe möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen.
In Lebensmitteln stecken tausende Kilometer
Unsere Lebensmittel verursachen viel Verkehr. Bevor das Wiener Schnitzel auf den Teller kommt, hat es bereits eine weite Reise hinter sich, von der Mast zum Schlachthof, vom Schlachthof zum Geschäft und dann nach Hause. Dazu kommen noch die Kilometer der Futtermittel, die etwa bei Soja aus Südamerika beträchtlich sind. Österreich importiert jährlich zwischen 400.000 und 550.000 Tonnen Sojaschrot, hauptsächlich aus Südamerika über mehr als 12.000 Kilometer und fast ausschließlich für Futterzwecke von Nutztieren. Zudem werden in Südamerika für Soja-Plantagen große Flächen an Regenwald gerodet. Wird Soja importiert, verursacht es pro Kilogramm Schweinefleisch 2,9 Kilogramm CO2. Bei Verwendung von regionalem Soja sinkt der CO2-Ausstoß auf 1,3 Kilogramm.
In Österreich werden pro Person und Jahr im Schnitt knapp mehr als 900 Kilogramm Nahrungsmittel für Haushaltskonsum und Gastronomie gekauft. 23 Prozent davon sind tierische Produkte, 29 Prozent werden als alkoholische und alkoholfreie Getränke konsumiert und die restlichen 48 Prozent sind pflanzliche Produkte – vor allem Früchte, Gemüse und Getreideprodukte. Herr und Frau Österreicher konsumieren um 29 Prozent mehr Fleischprodukte und um 27 Prozent mehr Zucker als der EU-Durchschnitt, bei Nahrungsmittel wie Getreide, Erdäpfel, Gemüse und Fisch werden weniger Mengen als im EU-Durchschnitt konsumiert. Private Haushalte in Österreich gaben im Jahr 2015 durchschnittlich 11,8 Prozent des Haushaltseinkommens für Ernährung und alkoholfreie Getränke aus, im Jahr 2000 lag der Anteil dieser Ausgaben bei 13,2 Prozent.
Regionale Lebensmittel verringern den Verkehr
Der berechnete Selbstversorgungsanteil Österreichs mit Lebensmitteln schwankt stark je nach Produkt. Zudem sagt diese Zahl wenig darüber aus, wie viele Kilometer tatsächlich in den Lebensmitteln stecken. So werden in Österreich beispielsweise mehr Bioprodukte exportiert als importiert. Bei Fleisch werden vor allem geringerwertige Teile exportiert und qualitativ hochwertige Produkte importiert. Damit Konsumentinnen und Konsumenten die verursachte Verkehrsbelastung in die Kaufentscheidung miteinbeziehen können, ist der Ursprungsnachweis wichtig. So ist beispielsweise Rindfleisch aus Argentinien mehr als 13.000 Kilometer unterwegs. Auch Obst und Gemüse legen oft sehr lange Distanzen zurück, wie etwa knapp 18.000 Kilometer, wenn Kiwis aus Neuseeland kommen, 14.000 Kilometer bei Pflaumen aus Chile und rund 12.000 Kilometer bei Äpfeln aus Südafrika.
Auf bio, saisonal und regional achten
Bio, saisonal und regional – dieser Dreiklang ist für eine gute Klimabilanz des Einkaufs zentral, wie das Beispiel von Tomaten anschaulich zeigt. Spanische Tomaten haben einen rund 2.700 Kilometer langen Transportweg hinter sich bis sie in einem Geschäft in Wien landen. Allein der lange Transportweg verursacht rund 400 der insgesamt 680 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm spanischer Tomaten. Bei Tomaten aus Österreich, die einen Transportweg von 70 Kilometer haben, betragen die CO2-Emissionen durch den Transport mit einem kleineren Lkw rund 85 Gramm pro Kilogramm Tomaten. Jedoch wird die CO2-Bilanz massiv verschlechtert, wenn die Tomaten aus einem beheizten Glashaus stammen. Trotz kurzen Transportweges verursacht dann ein Kilogramm Tomaten mehr als doppelt so viel CO2 als ein Kilogramm spanischer Tomaten. Am besten schneiden saisonal gekaufte Bio-Tomaten aus der Region ab. Mit insgesamt 180 Gramm CO2 verursachen sie um drei Viertel weniger Emissionen als spanische Tomaten und sogar um fast 90 Prozent weniger als heimische Tomaten aus dem beheizten Glashaus.
Miserable Klimabilanz durch Transport per Flugzeug
Nicht nur die Kilometer, sondern auch mit welchem Transportmittel die Lebensmittel von der Produktionsstätte in die Supermärkte gebracht werden, bedingt die Klimaverträglichkeit des Transports. Das Flugzeug schneidet in der CO2-Bilanz mit großem Abstand am schlechtesten ab, pro Tonnenkilometer verursacht der Flugtransport rund 1.460 Gramm CO2. Vor allem leicht verderbliche Waren werden oft mit dem Flugzeug transportiert. Ein Kilogramm Spargel, das per Flugzeug aus Südamerika eingeflogen wird, belastet das Klima mit knapp 17.000 Gramm Treibhausgasen. Wird zur Spargelsaison aus der Region eingekauft, dann wird das Klima mit lediglich 60 Gramm CO2-Äquivalenten belastet. Die Belastung durch den per Flugzeug transportierten Spargel ist rund 280 Mal höher als durch den Spargel aus der Region. Der Transport mit dem Lkw schlägt mit 95 Gramm CO2-Äquivalenten pro Tonnenkilometer zu Buche. Etwa ein Drittel davon, 33 Gramm, wird beim Transport mit dem Binnenschiff ausgestoßen. Am klimaverträglichsten ist der Gütertransport mit der Bahn mit sechs Gramm CO2 pro Tonnenkilometer.
Lange Tiertransporte verursachen viel Leid
In Österreich werden pro Person und Jahr rund 65 Kilogramm Fleisch konsumiert. Obwohl der Konsum seit Jahren stagniert, steigt der Transportaufwand von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen und lebenden Tieren stark, von rund 2,6 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2012 auf knapp drei Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 2016. Ein starker Anstieg in diesem Bereich ist aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen steigen mit dem Lkw-Verkehr auch die CO2-Emissionen und das Ziel eines klimaverträglicheren Güterverkehrs rückt in die Ferne. Zudem ist die Fleischproduktion selbst mit zahlreichen negativen Auswirkungen auf das Klima verbunden, etwa durch den hohen Flächenverbrauch importierter Futtermittel.
Lebendtier-Transporte sind zudem mit viel Tierleid verbunden. Die Tiere haben wenig Platz, für ein Kalb bis 50 Kilogramm ist nur eine Mindestfläche von 0,4 Quadratmeter vorgesehen. Außerdem ist in der EU bei internationalen Transporten von Rindern, Ziegen und Schafen eine maximale Fahrtdauer von bis zu 30 Stunden erlaubt, Schweine dürfen bis zu 24 Stunden ohne Ruhepause transportiert werden, Rinder sogar 28 Stunden. Neben strengeren gesetzlichen Regelungen bei Tiertransporten braucht es auch Maßnahmen für mehr Kostenwahrheit im Transport. Derzeit ist der Lkw-Transport zu billig, wodurch Waren tausende Kilometer mit dem Lkw quer durch Europa transportiert werden.
Bewusst konsumieren – Verkehr vermeiden
Unser Konsumverhalten hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck. Damit dieser möglichst klein ist, ist beim Einkauf das Motto „bio – saisonal – regional“ zu beherzigen. Für eine gute Umweltbilanz reicht es nicht aus, den Einkaufskorb umweltbewusst zu füllen – dieser ist auch umweltfreundlich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu transportieren. Die Einkaufsfahrt mit dem Auto verursacht hohe CO2-Emissionen – und verleitet zudem dazu, deutlich mehr als nötig einzukaufen. Dadurch steigt die Gefahr, dass Lebensmittel ungenutzt im Müll landen. Von den rund 750.000 Tonnen Lebensmittelabfällen in Österreich sind rund 491.000 Tonnen vermeidbar. Lebensmittelverschwendung verursacht auch viel Lkw-Verkehr. Würden alle vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Lkw geladen werden, ergibt allein der Transport zu den Filialen eine Lkw-Kolonne, die von Wien nach Bregenz reicht.
Klimafreundliche Einkaufswege ermöglichen
Ganz wesentlich ist der Weg der Lebensmittel vom Geschäft nach Hause. Die wichtigsten Stellschrauben sind eine zentrumsnahe Standortwahl der Filiale und eine gute Erreichbarkeit von Geschäften mit dem Fahrrad und zu Fuß. Vor Geschäften sind ausreichend diebstahl- und wettersichere Abstellplätze für Fahrräder erforderlich. Handelsketten, Gemeinden und Städte entscheiden durch die Standortwahl, wie viel Autoverkehr durch Einkäufe verursacht wird. Bei zentrumsnahen Supermarktfilialen kommen bis zu 90 Prozent der Kundinnen und Kunden zu Fuß oder mit dem Fahrrad, bei Supermärkten am Ortsrand kommen hingegen mehr als 90 Prozent mit dem Auto. Werden Geschäfte im Ortskern angesiedelt, dann verbessert das nicht nur die Umweltbilanz der Einkäufe, sondern belebt auch die Gemeinden.
VCÖ-Empfehlungen
Transportwege bei Produktion und Lieferung verkürzen
- Rahmenbedingungen für Produkte aus der Region verbessern - etwa durch mehr Kostenwahrheit im Verkehr
- In bestehende Gütesiegel Informationen über die Länge der Transportwege integrieren
- Rückverfolgbarkeit tierischer Produkte sicherstellen (detaillierte Informationen für Konsumentinnen und Konsumenten in der Produktbeschreibung)
- Lebendtier-Transporte auf maximal acht Stunden befristen, gute Bedingungen für die Tiere sicherstellen (ausreichend Platz, ständige Versorgung mit Wasser, Belüftungsanlage etc)
- Verpflichtung, den nächstgelegenen, geeigneten Schlachthof anzufahren
- Fleischtransporte statt Lebendtier-Transport: Kühlkette ausbauen und Fleischtransport von der Straße auf die Schiene verlagern (Kühlwaggons)
Umweltfreundliche Einkaufsmobilität fördern
- Nahversorgung in den Gemeinden verbessern
- Durch verkehrsparende Raumordnung neue Einkaufszentren oder Supermärkte am Ortsrand verhindern
- Bestehende Einkaufzentren haben für ihre gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Fahrrad zu sorgen
- Verpflichtende Parkplatzabgabe für größere Parkplätze einführen
Ulla Rasmussen,
VCÖ-Verkehrspolitik:
„Unser Lebensmittelkonsum verursacht viel Verkehr. Biologisch produzierte, saisonale Lebensmittel aus der Region verringern den Lkw-Verkehr. Eine Raumordnung, die die Nahversorgung und damit das Einkaufen zu Fuß oder mit dem Fahrrad fördert, trägt zur Verringerung der Verkehrsprobleme bei.“
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