VCÖ-Factsheet: Wachstum des Gütertransports in EU braucht Bahnausbau
In Österreich haben sich die CO2-Emissionen der schweren Nutzfahrzeuge seit dem Jahr 1990 verdoppelt, jene der leichten Nutzfahrzeuge sind um die Hälfte gestiegen. Insgesamt war der Lkw-Verkehr zuletzt für 36 Prozent des vom Straßenverkehr verursachten Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich. Prognosen für Europa gehen von einer Zunahme der Nachfrage im Güterverkehr von insgesamt 30 Prozent bis zum Jahr 2030 aus. Viele der zusätzlichen Transporte werden Lkw-affin sein. Daher ist es umso wichtiger, dennoch eine Verlagerung auf die Bahn zu erzielen. Österreich beweist bereits, dass ein Bahnanteil von 30 Prozent möglich ist.
Anteil der Bahn im Güterverkehr EU-weit auf 30 Prozent erhöhen
Damit die EU die Höchstmengen an CO2 zur Erreichung ihrer Klimaziele einhalten kann, ist der Anteil der Bahn am Güterverkehr in Europa von heute 17 auf zumindest 30 Prozent im Jahr 2030 zu steigern. Bei wachsender Gesamtmenge bedeutet dies eine Verdopplung des Bahntransports. Mittels längerer Güterzüge, Automatisierung im Bahnnetz, harmonisierter Sicherungstechnik und Betriebsabwicklungsregeln sowie gezielter Infrastrukturinvestitionen können die nötigen Kapazitäten für eine Verdopplung der Bahngütertransporte geschaffen werden.
Der Güterverkehr in Europa (Straße, Bahn und Binnenschiff in EU-28 plus Schweiz und Norwegen) stößt pro Jahr rund 275 Millionen Tonnen CO2 aus, das sind rund ein Drittel der Verkehrsemissionen. Der verbindliche EU-Rahmen zum Klimaschutz sieht gegenüber dem Jahr 2005 für das Jahr 2030 eine Reduktion der CO2-Emissionen um 30 Prozent vor. Für den gesamten Verkehrssektor auf EU-Ebene bedeutet dies, dass im Jahr 2030 um 220 Millionen Tonnen CO2 weniger als im Jahr 2017 ausgestoßen werden dürfen. Die CO2-Emissionen aus dem Gütertransport sind deutlich zu reduzieren, jedoch ist im Straßengüterverkehr aufgrund der Verkehrszunahme mit zusätzlichen 80 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 zu rechnen. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen geht die OECD für den Gütertransport von einem Anstieg der Nachfrage in Europa um 30 Prozent bis dahin aus. Tritt dies ein, würden beim derzeitigen Modal Split im Jahr 2030 zu den heute rund 1.900 zusätzliche 570 Milliarden Tonnenkilometer auf der Straße transportiert werden, wodurch zu den derzeit rund 4,2 Millionen Lkw auf Europas Straßen etwa eine Million weitere Lkw hinzukämen. Effizienzmaßnahmen im Straßengüterverkehr, also ein geringerer CO2-Ausstoß pro transportierter Tonne und Kilometer, können nur einen geringen Teil des Verkehrsanstiegs kompensieren. Der wesentliche Hebel, um die Emissionen des Güterverkehrs im nötigen Ausmaß reduzieren zu können, besteht in der Veränderung des Modal Splits hin zu klimaverträglicheren Transportmodi, also in der Verlagerung auf Bahn und Binnenschiff.
Technische Verbesserungen bei Lkw können zu steigenden Transportmengen führen
Zwar müssen neu zugelassene Lkw gemäß EUVorgaben zum Treibstoffverbrauch im Jahr 2025 um 15 Prozent und im Jahr 2030 um 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen als im Jahr 2019. Doch die bis dahin verkauften Lkw werden auch darüber hinaus weiter auf den Straßen unterwegs sein. Für einen neuen Lkw im Jahr 2030 ist damit zu rechnen, dass sich Kosten-Einsparungen von rund 60.000 Euro binnen fünf Jahren aufgrund des dann niedrigeren Treibstoffverbrauchs ergeben. Werden Lkw-Transporte billiger, wird ohne Begleitmaßnahmen ein Teil des Effizienzgewinns durch vermehrte Transporte als sogenannter Rebound-Effekt wieder zunichte gemacht werden. Auch technologische Verbesserungen im Straßenverkehr wie Platooning, das automatisierte Fahren von Lkw mit geringem Abstand, können durch geringere Treibstoff- und Personalkosten den Straßengüterverkehr erheblich verbilligen. Um derartigen, aus Klimaperspektive kontraproduktiven Effekten entgegenzuwirken, braucht es Maßnahmen, etwa eine flächendeckende Lkw-Maut, die alle externen Kosten für Umwelt und Gesundheit abdeckt.
Mehr Güter auf der Schiene transportieren
Auf der Straße ist ohne verkehrsreduzierende Maßnahmen sogar von einem überdurchschnittlichen Zuwachs der Transportmengen auszugehen. Aufgrund veränderter Wirtschaftsstrukturen und Logistikanforderungen wird ein Großteil jener Güter, auf die das prognostizierte Transportwachstum entfallen wird, mit dem Lkw transportiert werden. Umso wichtiger ist es, möglichst große Anteile der Transporte auf die Bahn zu verlagern. Ganzzüge sind distanzunabhängig günstiger als Lkw, aber nur bei großen Transportmengen und betrieblichen Gleisanschlüssen geeignet. Einzelwagentransporte sind erst ab Distanzen über 250 Kilometer wirtschaftlich und wären ohne Ausgleichszahlungen unrentabel. Der verpflichtende Transport bahnaffiner Güter wie etwa Erze, Abfall oder Rundholz auf der Schiene hat sich durch ein sektorales Fahrverbot für Lkw in Tirol bewährt. Gleichzeitig ist das Angebot im Schienengüterverkehr auszuweiten und betriebliche Gleisanschlüsse sind stärker und nicht nur in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu fördern.
Schiene leistet Beitrag zur Dekarbonisierung
Auch zum verbindlichen EU-Ziel, den Anteil erneuerbarer Energie am Gesamtverbrauch der EU bis zum Jahr 2030 auf mindestens 32 Prozent zu erhöhen, trägt die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene bei. Pro 1.000 transportierten Tonnenkilometern wird auf der Straße mit 390 Kilowattstunden sechsmal so viel Energie benötigt wie auf der Schiene mit 80 Kilowattstunden. Neben der höheren Energieeffizienz des Transports auf der Schiene sowie dank des elektrischen Antriebs von Güterzügen kann die benötigte Energie auch einfacher aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt werden als für den erdölabhängigen Lkw-Verkehr. In Österreich wird der Bahngütertransport zu rund 90 Prozent elektrisch durchgeführt. Um Dieselloks auf Strecken ohne Oberleitung oder im Verschub zu ersetzen, sind Hybrid-, Akku- oder Wasserstoff-Antriebe bereits in Erprobung.
Faire Wettbewerbsbedingungen schaffen
Güterzüge bezahlen in ganz Europa für jeden gefahrenen Kilometer für die Nutzung der Schieneninfrastruktur, doch nur in 16 der 28 EU-Mitgliedstaaten werden im Jahr 2019 auf Autobahnen kilometerabhängige Lkw-Mauten eingehoben. Abseits der direkten Kosten für Transportunternehmen werden im Straßengüterverkehr viele Aufwände und Schäden auf andere abgewälzt. Im EU-Durchschnitt liegen diese externen Kosten des Lkw-Verkehrs mit 50,5 Euro pro 1.000 Tonnenkilometer um den Faktor sieben über jenen des Bahngütertransports mit 7,9 Euro. Die Allianz von Eisenbahnunternehmen Rail Freight Forward will bis zum Jahr 2030 den Anteil der Bahn am Gütertransport in Europa auf 30 Prozent steigern. Das bedeutet, dass im Vergleich zu heute eine mehr als doppelt so große Gütermenge in Europa auf der Schiene transportiert werden soll. Die dazu notwendigen Bahnkapazitäten sind einerseits durch gezielten Ausbau der Schieneninfrastruktur an Flaschenhälsen und Lücken zu schaffen. Andererseits haben vergleichsweise kostengünstige Optimierungen große Wirkung: Längere Güterzüge, Vereinheitlichung der Zugsicherungssysteme und der Regeln zur Betriebsabwicklung, Digitalisierung und Automatisierung. Die Vermeidung sowohl von Straßenausbauten als auch von gesamtgesellschaftlichen Schäden durch externe Umwelt- und Gesundheitskosten macht den Ausbau der Bahnkapazitäten volkswirtschaftlich rentabel.
Fairen Wettbewerb zwischen Lkw und Bahn in der EU herstellen
Ein europaweiter Anteil der Bahn an Gütertransporten von 30 Prozent bedeutet neben dem Vermeiden von etwa 290 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr auch eine Ersparnis von insgesamt 100 Milliarden Euro an externen Kosten. Das entspricht jener Summe, die heute in weniger als einem Jahr an Schäden durch den Straßengüterverkehr verursacht wird. Gemeinsam mit niedrigeren Sozialstandards und geringerem Sicherheitsniveau im Lkw-Verkehr verzerrt das den Wettbewerb gegenüber der Bahn. Damit mehr Güter auf der Schiene transportiert werden, sind im Straßengüterverkehr faire Löhne und Arbeitsbedingungen sowie die Einhaltung von Tempolimits und Höchst-Lenkdauern durch verstärkte Kontrollen sicherzustellen.
VCÖ-Empfehlungen
Klimaverträglichen Gütertransport in der EU ausbauen
- Technische und bürokratische Hürden für Bahntransporte innerhalb der EU abbauen
- Kapazitätsengpässe im europäischen Schienennetz durch Ausbau vermeiden, Finanzierung von Bahninfrastruktur-Projekten langfristig sicherstellen
- Finanzielle Förderungen des Schienengüterverkehrs nach den Vorbildern Österreich, Deutschland, Schweiz oder Schweden in den EU-Mitgliedstaaten verbreiten
- Längere Güterzüge für mehr Kapazitäten ermöglichen: 740 Meter als EU-weiter Standard und Ausweitung auf bis zu 1.000 Meter
- Flächendeckende Umsetzung der modernen Zugsicherung ETCS bis zum Jahr 2030
Bevorzugungen des Lkw-Verkehrs beenden
- Kostenwahrheit durch eine flächendeckende, der verursachten Umweltbelastung entsprechenden Lkw-Maut. EU-Recht verbessern und in Österreich die bestehende mögliche Einberechnung für Luftschadstoffe und Lärm in Maut-Tarifen voll nutzen und Mineralölsteuer von Diesel auf das Niveau von Benzin angleichen
- Lohndumping im Lkw-Verkehr durch konsequente Anwendung der Entsende-Richtlinie verhindern. Mit häufigeren Lkw-Kontrollen sicherstellen, dass Sozialstandards und Lenkzeiten, Tempolimits und Höchstgewicht sowie Kabotage eingehalten werden
Michael Schwendinger,
VCÖ-Mobilität mit Zukunft:
„Wird der erwartete Zuwachs im Straßengütertransport in Europa mit einer verstärkten Verlagerung auf die Bahn ausgeglichen, vermeidet das neben hohen CO2-Emissionen auch Schäden an Umwelt und Gesundheit sowie Kosten für Straßeninfrastruktur.“
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